Dritter Auftritt.

[70] Faust, Mephistopheles.


MEPHISTOPHELES. (Laß mich seine letzten Gedanken erschleichen.)

FAUST. Das Zeichen zum schleinigen Aufbruch wird gegeben. Ich blicke mit zittern über die kleine Frist des Lebens hinüber. Wo eil ich hin? in eine fürchterliche Ewigkeit! die flüchtige Lebensuhr ist bereits ausgelaufen. O unwiederruflicher Flug der kostbahren Zeit! kehr wieder – Des Mondes düsterer Schimmer ist rings um mich. Die Nacht breitet ihre schwarzen Flügel über diese traurigen Gemächer. O letzte Stunde sey Zeuge meiner Sorgen und meinet Thränen. Letzte Quelle eines reuigen Herzens, du bist mir der einzige Trost geworden. Fliesset Thränen vielleicht verlöschet ihr meine Thorheiten. Nein, sie sind mit einem Eisengriffel in das Buch des Gedächtnißes gegraben. Der Echo meiner Schande wird noch leben, wenn kein Stäubchen von diesen Körper mehr seyn wird. Ich habe die himmlische Erstgeburt um irrdische Freuden verkauft. O Gedanke, der mich niederdonnert. Mein gewissen sitzt schon fürchterlich zu Gerichte, und kündigt mir den ewigen Tod an. Die letzten Minuten sind nahe. Leb wohl. O Welt, lebt wohl ihr Menschen, leb wohl Vater Mutter, nimmermehr werde ich euch sehen. Helena, mein Sohn lebt ewig wohl – O mein[70] Sohn, ich will hingehn, und dich segnen – Ich ihn segnen? Ich von Gott verfluchter, ich Wurm ihn segnen! – Ein Sturwind wird meinen Segen von meinen Lippen wehen – Wie hin ich entkräftet – Meine Seele keucht nach Ruhe –


Mephistopheles hebt einen Teppich von einem Tische, darauf siehe man allerhand Mordgewehr.


MEPHISTOPHELES. Faust!

FAUST. Mephistopheles!

MEPHISTOPHELES. Warum zitterst du bey meinen Anblick? Bist du etwa mein Schuldner? Ja, ich habe mich in deinem ecklen Dienfle müde gearbeitet, Ich fodre meinen Sold. Wir wechseln Rollen. Itzt bin ich Herr, und du bist mein Sklave.

FAUST. Ich dein Sklave?

MEPHISTOPHELES. Ruf zwanzig Jahre zurück, und du bist frey! – Folg mir, ich führe dich in meinen Pallast; ich will dir dort dein Amt anweisen.

FAUST. Und welches?

MEPHISTOPHELES. Deinen Schöpfer zu fluchen! – Diese Verwünschungen sind in unsern Ohren ein Freudegesang. – Folg mir!

FAUST. Ach! – Ich folge –

MEPHISTOPHELES. Diese verächtliche Hülle must du ablegen. Mit Staub tritt man nicht in unsere Wohnungen. Wähl hier das letzte Geschenk. Willst du das Schwert, den Giftbecher, das tödliche[71] Bley, den Strick? Sieh, das sind unsere Orden, womit wir am Ende unsere Liblinge beschenken.

FAUST. Ich solle mich selbst tödten!

MEPHISTOPHELES. Willst du lieber mit Geräusche sterben? – Wenn du klug bist; so vermeide wenigstens die Schande. Dank es meiner Güte.

FAUST. Dek mir meine Zukunft auf.

MEPHISTOPHELES. Ich soll dir die Zukunft aufdecken? Dein eignes Herz kann es besser. Wie man säet, so ärntet man. Dicser streut Disteln aus, wird er wohl süsse Früchten einsammeln können? Hingegen jener streut reines Korn, umsonst zerstört ihm der Hagel seine Felder, die Hofnung einiger Aernte bleibt ihm doch.

FAUST. So haft du noch nie gesprochen. Beerüger, du hast mich schwarz hintergangen!

MEPHISTOPHELES. Warum machst du deinen Feind zum Vertrauten? Du haft dich selbst hintergangen. Du verrähtst den, der für euch so gnädig ist. Uns hat er wegen einem Gedanken vernichtet; euch sieht er Myriaden Laster nach.

FAUST. Habt ihr diesen frechen Gedanken je bereut?

MEPHISTOPHELES. Dazu sind wir zu groß. Unser Feind weis es daß wir zu stoltz sind zu flehen, und er ist zu hart, uns diese Erniedrigung zuerlassen. Genug; uns übrigt nur Rache!

FAUST. Und wie rächet ihr euch?

MEPHISTOPHELES. Indem wir seine Werke zerstören! Faust, wir sprechen nicht mehr in Räthseln. Wisset[72] Menschen, mir sind eure geschwornen Feinde. Wir arbeiten nur euch zu stürzen, und euch zu Mitverbrechern und Gesärten unserer Peinen zumachen. Nimm hin diesen Becher, trink, und du wirst zum erstenmal den Neftar unserer Hölle verkosten!

FAUST. Verfluchter Geist, entweich aus meinen Augen, und laß mich die letzte Stunde noch vollends genießen!

MEPHISTOPHELES. Das sollst du; aber dann bist du mein. Trink, oder ich reisse dich durch die Gemächer fort! – Stirb, verzweifle, fluch deinen Gott, verwünsche dich – Ich gehe!


Quelle:
Weidmann, Paul: Johann Faust. Ein allegorisches Drama von fünf Aufzügen, Prag 1775, S. 70-73.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Johann Faust
Johann Faust. Ein allegorisches Drama in fünf Aufzügen