Dritter Auffzug.


[19] Cunigunda, Wentzel.


CUNIGUNDA. Ach mein Engels-Sohn / die Zeit wird uns über die Massen lang / wenn ihr euch einen Augenblick von uns entfernet. Ach ist es nicht wahr / daß ihr mein Trost / meine Seele / und mein Reichthum seyd?

WENTZEL. Ach ja gnädigste Frau Mutter.[19]

CUNIGUNDA. Sagt nicht so / daß sind gnädigste Personen die zu befehlen haben.

WENTZEL. Die Frau Mutter hat am meisten zu befehlen.

CUNIGUNDA. Ach ja die Ehre kömmt den Herrn Vormunden / und hiernechst den Herren Landständen zu. Ich habe genug das ich lieben kan / und daß mir die Mütterlichen Küße bey diesem Engels- Kinde nicht verboten werden. Ach ist es nicht wahr / daß ihr mein tausendgeliebter WENTZEL seyd?

WENTZEL. Ich dancke GOtt / daß ich zu dieser Frage ja sprechen kan.

CUNIGUNDA. Sprecht ihr ja? so sagte der Königliche Herr Vater / als er mich bey dem Königlichen Beylager zuerst in die Armen bekam. Ach ihr seyd noch der übrige Zweig / dessentwegen ich den Verlust dieses grossen Königes beweinen darff.

WENTZEL. Ich weiß / daß ich von einem Könige gezeuget bin / und was ich künfftiger Zeit thun werde / das soll Königlich seyn.

CUNIGUNDA. Das heist / es soll der verwittweten Mutter Glücke seyn.

WENTZEL. Auff Tugend und Standhafftigkeit will ich mich befleißigen.

CUNIGUNDA. Dieses that der hochselige OTTOCARUS auch.

WENTZEL. Vor Unglück und Gewalt will ich mich nicht entsetzen.[20]

CUNIGUNDA. Von solchen Eltern müssen solche Söhne kommen.

WENTZEL. Und was ich nicht kan / das will ich lernen.

CUNIGUNDA. Doch mein Herr Sohn / lernet auch vorsichtig seyn. Lernet von dem Herrn Vater die Tugend / von andern das Glücke. Hätte er den Seinigen nicht zu viel getrauet / so würde Böhmen vielleicht noch einen Landes-Vater / und dieses zarte Haupt noch einen irdischen Schutz-Gott haben.

WENTZEL. Ich will PROFESSION von der Liebe machen / so wird mich niemand hassen.

CUNIGUNDA. Es sey so / doch machet den Anfang an der geliebten Mutter.


Sie setzet sich bey dem eusersten Theatro, daß die Action desto besser verstanden wird.


WENTZEL. Das will ich gerne thun. Ach meine tausendgeliebte Frau Mutter / sie verlasse mich nicht. Küsset sie.

CUNIGUNDA. Mein Herr Sohn / erwecket meine Thränen nicht. Das Böhmische Gebürge soll eher unsere Gräntze verlassen / ehe diese Brust der Mütterlichen Schuldigkeit vergessen wird. Sehet / so feste kan ich euch halten.

WENTZEL. Ich halte dagegen so feste ich kan.

CUNIGUNDA. Was ich mit den Armen euserlich verrichte / das thue ich in den Gedancken vielfältig. Ach mein Sohn / daß ich doch mit küßen niemals ersättiget werde. Wie schweiget ihr so stille? könnet ihr etwan die Hefftigkeit der Mütterlichen Liebe nicht begreiffen?[21]

WENTZEL. Ich schweige daß ich meiner Süßigkeit nachdencken kan.

CUNIGUNDA. Und ich rede / daß ich die Ungedult meines Hertzens ausschütten kan. Ach mein Printz / mein Sohn / ist es nicht wahr / daß ihr eure Hertzens-Mutter vor allen andern Personen auff der Welt lieb habt?

WENTZEL. Ach ja / das soll mein liebster Titul seyn / wenn ich den Nahmen eines lieben Sohnes behalte.

CUNIGUNDA. Ihr müst es auch thun / die Schuldigkeit steht euch im Gesichte angeschrieben. Sie sieht ihm in das Gesichte. Was sind das vor helle Augen? eben so blitzte OTTOCARUS. Was kan der Mund vor eine freundliche Mine machen? Das war des Herrn Vaters Annehmligkeit. Wie schickt sich der gantze Leib in eine Majestätische Positur. Ach mein Sohn / entweicht mir / sonst muß ich entweder in meiner Liebe zerschmeltzen / oder ich muß euch unwissende zerdrücken.

WENTZEL. Ach das solte mir ein süsser Tod seyn.

CUNIGUNDA. Schweigt vom Tode sonst schicke ich meine Seele voran / daß wir in jener Welt desto gewisser beysammen seyn. Doch wo kömmt der ungebetne Gast her? der mich in meiner Vergnügung stöhren muß. Ach mein Herr Sohn / verlast uns auff eine Zeit / denn wir möchten uns schämen / wenn andre Leute der zarten und unschuldigen Liebe zusehen solten. Doch gleichwohl einen Kuß auff den Weg.

WENTZEL. Ach ja einen Kuß auff den Weg / und noch tausend Küsse in Gedancken. Er geht ab / und wirfft ihr noch etliche Küsse mit den Händen zu.


Quelle:
Christian Weise: Sämtliche Werke. Berlin und New York 1971 ff., S. 19-22.
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