Vorspiel.


[9] An statt des Vorredners wurden etliche Knaben auffgeführet / da GENIUS ZITTAVIÆ hervortrat /und zwölff Abgesandten von den nahmhafften Gebürgen mit sich brachte. Die Manier dergleichen Eingang zu gebrauchen / und auch junge Kinder bald getrost und geschickt anzugewehnen / wird dem geneigten Leser nicht mißfallen / ob sie gleich anderswo eben in solchen TERMINIS nicht zu gebrauchen seyn.


GENIUS ZITTAVIÆ, von zwölff Schäffern begleitet. Ihr liebsten Zittauer / oder daß ich niemanden vorbey gehe / ihr angenehmen Gäste in Zittau / hier stehe ich unter dem Nahmen GENIUS ZITTAVIÆ. Das weiß ich / es wird niemand einen Schutz-GOtt aus mir machen / wie etwan die Heydnischen Poeten bey allen Bergen / bey allen Bächen / und bey allen wohltätigen Liebeszeichen der Natur / eine Nymfe / oder einen GOtt zu logiren wusten. Das ist wahr / GOtt lässet seinen Seegen um diese Gegend reichlich hervor wachsen / und also stelle ich mich auff diesem Platze als ein Sinnbild des grünen Segens ein / damit der gnadenreiche Schöpffer diese Gegend auff dem Zittauischen Gebürge zu bekrönen pflegt. Das ist die Gegend / darein sich der tapffre König OTTOCARUS verliebte / daß er auch an dem Zusammenflusse der Mendau und der Neisse eine Stadt wolte gebauet wissen. Das ist die Gegend / da sich dessen königlicher Sohn WENCESLAUS mit grössrer Gnade gewiesen hat. Und es lassen sich die alten Wolthaten desto angenehmer bedencken / je gewisser das Durchlauchtige Chur-Hauß Sachsen dazu gebohren ist / daß die Wohlthaten der alten Zeit jemehr und mehr selten verjünget und PERFECTIONIret werden. Gleichwie[9] nun die Begebenheit des bevorstehenden Spieles an sich selber nicht unangenehm seyn kan: Also werden auch diese getreuen Vorredner / die als Zeugen des gesegneten Landes von den höchsten Bergen dieser Gegend herkommen / mit gleichmäßiger Genehmhaltung angesehen werden.

I. Ich komme gleich von Rosenthale an der Neisse / und an meinem Nahmen verwundre ich mich nicht / warum dieser liebe Ort bißhero so viel geliebte Söhne dem Rosenthale an der Pleisse anvertrauet hat.

II. Ich komme von dem grossen Horne / welches die Mandau spielen sieht / und welches vielleicht dessentwegen an diesem Orte muß auffgeführet werden / weil die vormahlige Lust der also genandten Spielwiese numehr / in diesen THEATRALIschen Zeitvertreib ist verwandelt worden.

III. Ich komme von dem Oybin und muß dem Segen dieses Landes glückselig schätzen / weil man die liebe Stadt gleich an dem Orte sehr lustig anschauen kan / wo das Denckmahl einer Hohen Churfürstlichen Gnade oben an den Felß ist eingehauen worden.

IV. Ich komme von dem Königs-Holtze / welches aus dem Königlichen Nahmen Ursache gnung zu dencken giebt / daß diese werthe Stadt der Königlichen Gnade vielmahls müsse genossen haben.

V. Ich habe sonst meine Wohnung auff der Lausche / welche mit allem Rechte des Wetters Königin / und dergestalt ein COMPAS der nachfolgenden Fruchtbarkeit kan genennet werden.[10]

VI. Ich habe meine RESIDENZ auff dem breiten Berge auffgeschlagen / und kenne die Wunderwercke am besten / die sich in dieser fruchtbaren Erde verschlossen haben.

VII. Man lasse nur meinen Gickelsberg ungetadelt / die reine Lufft / und also nachgehends das Leben und die Gesundheit / welche darum wohnet / hat ein unvergleichliches Lob verdienet.

VIII. Meine Wohnung ist auff dem Hohwalde / wer sich auff desselben Spitze befindet / der kan dieselbe Wohnung zu Prage betrachten / darinnen bey König WENTZELN die Liebe gegen die redlichen Zittauer gewohnet hat.

IX. Mich hat eine Nymfe auff dem Blitzens-Berge gezeuget / da sehe ich / wie bey so vielen Wettern der Blitz mehr Schrecken als Schaden / und also mehr Gnade als Zorn in sich zu begreiffen pfleget.

X. Meine beste Lust ist auff dem Heydeberge bey der Gäblischen Brücke / der hat die Ehre / daß die reisenden Personen dabey vom Wagen steigen und gleichsam vor meiner schönen Wohnung einen REVERENZ machen.

XI. Ich habe den Kiefergrund-Berg zu meiner Wohnung ausersehen / und weiß am besten / was in meinem Boden vor Fettigkeit wohnet.

XII. Ich habe den Ameißen-Berg in meiner INSPECTION, und so erfreue mich / wenn ich die Arbeiter als geschäfltige Ameißen darauff soll krübeln sehen.[11]

I. Der Höchste lasse durchgehends so viel Glücks- Rosen auffblühen / als die schlancke Neisse Tropfen vor dem Rosen-Thale vorbey spielen lässet.

II. Der Höchste lasse seyn Horn des Heils um diese Stadt allezeit erhöhet seyn / und gebe so viel weisse Zeichen in dem allgemeinen Glücke / so viel Eltern Leinwand an der nutzbaren Mandau weiß und klar waschen werden.

III. Was vor diesem bey den anwesenden Mönchen der CŒLESTINER Berg geheissen hat / das sey noch künfftig ein Merckmahl / daß man bey dieser löblichen Stadt auff dem Himmels-Berg sehen kan / von welchem Hülffe kömmt.

IV. Was groß beständig und gesegnet ist / nennet man mit allem Rechte Königlich: und wenn wir diesen Verstand annehmen / so gebe GOtt / daß Zittau / vornehmlich dieses Hauß / darinne wir uns befinden / von lauter Königs-Holtze gebauet sey.

V. So vielmahl als die Lausche in ihrem Calender Regen setzt / so vielmahl werde der Thau der Göttlichen Gnade reichlich und überflußig auff diese Gräntzen herab geschicket.

VI. Der breite Berg sey ein Zeichen / daß sich die Gnaden-Allmacht GOttes über unsere Wohnungen ausbreiten will.

VII. Das liebe Lichtenberg / welches an dem Fusse meines Berges liegt / daß Licht und Recht in diesen Gräntzen ewig wohnen soll.[12]

VIII. Und was kan mein Hohwald anders andeuten / als daß unser Glücke an dieser Böhmischen Gräntze zu keiner Zeit soll erniedriget seyn.

IX. GOTT lasse Blitzen / aber mit Gnade: Er lasse Donnern / aber zu Segen: Er gebe ein Wetter / doch zu Liebe.

X. GOTT segne den steinigten Weg / welcher das Marck der Böhmischen Nachbarschafft so reichlich auff uns zuführen lässet.

XI. GOTT gebe / daß wir in unserm Seegen grünen / wie die Kiefern.

XII. Und daß die Einwohner gesegnet arbeiten / wie die Omeißen.

I. Ach du liebe Stadt / dancke doch dem allgewaltigen GOTT / welcher numehr von so langer Zeit her den Schatz des heiligen Evangelii bey dir unversehrt erhalten hat.

II. Ja dancke GOTT / daß er den jämmerlichen Gewissens-Zwang in deiner gantzen Gegend niemahls verhangen hat.

III. Laß dir auch diese Gnade sonderlich lieb seyn / daß deine Wohnungen in langwierigen Friede köstlich gebauet werden.

IV. Und daß viel Einwohner hier anzutreffen sind / welche bey ziemlichen Alter dennoch ihren Kindern von keinem Kriege des Vaterlandes zu erzehlen wissen.[13]

V. Ach dancke GOtt / daß kein unruhiger Nachbar über dem Gebürge wohnet / welcher uns das schön Glück mißgönnet.

VI. Dancke GOtt / daß du einen gewissen Herrn hast / der sein Recht durch kein blutiges Schwerd suchen darff.

VII. Nimm verlieb / daß so viel Nahrung verhanden ist / als deine Kinder von nöthen haben.

VIII. Und daß dich auch das Volck in andern Ländern wegen deines Handels und Wandels lieben muß.

IX. Ihr liebsten Zuschauer / das Spiel muß angenehm seyn / welches mit so gesegneten Wünschen den Anfang machet / und diesen König wird man auff der Schaubühne desto lieber ansehen / weil er einen weitläufftigen Grund zu diesen Wünschen geleget hat.

X. Siehe her du liebes Zittau / du bist einmahl würdig gewesen / daß du einen verlassenen König ernehret hast / du must würdig seyn / dein eignes Lob gleich als in einem Bilde anzuschauen: Ja du must würdig seyn / daß alle vornehme Anwesende dich eines Königlichen Kindes halben lieb und gesegnet heissen.

XI. Ich weiß nicht / ob dieses der König WENTZEL seyn soll / welcher an unserm Gottes-Hause nicht weit von derselben Thüre zu sehen ist / dadurch die hochgeschätzten Väter dieser Stadt ihren Ein- und Ausgang nehmen.[14]

XII. Doch wird der Anblick dieses uhralten Bildes / dieser gegenwärtigen INVENTION mit einiger Bequemligkeit zu statten kommen.

GENIUS ZITTAVIÆ. Wolan wir haben den Schauplatz geöffnet / wir wollen von unsern Wohnungen zusehen / was vor ein Glücke König Wentzeln allhier betreffen wird.[15]

Quelle:
Christian Weise: Sämtliche Werke. Berlin und New York 1971 ff., S. 9-16.
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