Vierdter Aufftrit.


[61] Geonino, Vitale, Peronne, Caraffa, Matelone.


GEONINO. Der Herr Oberste läst sich damit nicht abweisen.

CARAFFA. Es ist ein Mißtrauen / dessen man nicht von nöthen hat.

GEONINO. Der Zoll muß abgeschaffet seyn.

CARAFFA. Jhr Excellentz haben sich darzu verstanden.

GEONINO. Ja den halben Zoll hat er mit solchen Worten erlassen / davon er kaum die Helffte halten möchte.

CARAFFA. Die Zeiten haben sich in hundert Jahren geändert: es ist alles / dem Werthe nach gestiegen. Ein Bauer / ein Handwercksmann / ein Kauffman verdient itzt mehr Geld[61] als vor hundert Jahren / warum soll er denn eine geringe Zulage bey der Contribution achten?

VITALE. Wenn die Herren von nichts anders reden wollen / so möchten sie wohl jhre Gesandschafft gesparet haben. Wir weichen nicht eher / als biß die Privilegia da sind / und biß dem Volcke zwey Castelle / zur Sicherheit eingeräumt werden.

MATELONE. Es ist uns Leid / daß sich eine leichte Sache so schwer machet; sie geben Achtung auff uns / wir wollen unser Blut zu Pfande setzen / wofern nicht alles dem Volcke zu angenehmer Vergnügung soll beygeleget werden. Sie schonen nur jhrer Königlichen Majestät in Spanien.

VITALE. Wie die Königliche Majestät in Spanien soll respectiret werden / solches wissen wir gar wohl. Und der Vice-Roy darff uns keine Lehr-Meister deswegen aus dem Castell herunter schicken.

MATELONE. Wir begehren niemand zu tadeln: aber das möchten wir wünschen / daß ein jedweder möchte glückselig seyn.

VITALE. Allein die Thüre zur Glückseligkeit wird uns verschlossen.

MATELONE. Ach nein. Wir haben so klare Vollmacht / alle Gnade von jhrer Excellentz anzukündigen. was man ohne Weitläufftigkeit verrichten kan / dasselbe soll man auf so gefährliche Manier nicht fortsetzen. Sie bedencken was Neapolis vor Heiligen in der Kirchen hat / welche gewißlich bey solchen Tumult wenig Affection gegen die Stadt gewinnen werden.

GEONINO. Ich bin auch ein Geistlicher / aber deswegen wil ich mich vor den Heiligen nicht fürchten. Es hätte mancher den Heiligen Gennatio eine grössere Wachs-Kertze auffgestecket / wenn jhn der schwere Zoll nicht von allen Mitteln gebracht hätte.

VITALE. Ich dachte / sie wolten mit dem Volck tractiren. Drum möchten sie die Heiligen immer mit frieden lassen; Und ich rathe jhnen was gutes / wo unser Begehren nicht in allen Stücken vollzogen wird / so packet euch nur[62] bald aus unserm Gesichte / und lasset uns mit solchen Gesandschafften ungeschimpffet: denn es möchte einmahl gar ein garstig Außsehen haben.

GEONINO. Diesen Abschied könnt jhr dem Vice- Roy wieder zubringen. Lasset jhr euch in der Stadt ertappen / wenn unsern Obristen von eurer Verrichtung Part gegeben wird / so geben wir vor euer Leben keinen Pfennig.

VITALE. Und diese Warnung nehmet als ein Zeichen unsers gütigen Gemüthes an.


Geonino und Vitale gehen ab.


PERONNE. Jhr Gnaden sehen / wie so gar wenig bey dem Volcke verfangen wil.

CARAFFA. Darum mag es dabey bleiben / die gantze Bürgerschafft muß ruiniret werden. Wenn die Hunde todt sind / so können sie nicht beissen.

PERONNE. Es wird sich gar wohl thun lassen. Jhr Genaden nehmen das Werck auf sich die Brunnen zuvergiften / damit das Volck ohn unserm Schwerdt-Schlage vermindert werde. Ich an meinem Orte wil fünff hundert Banditen verschreiben / unter dem Vorwand / als wolt ich unsere Macht damit verstärcken; dieselben wil ich allezeit beysammen halten / biß Masaniello durch ein kaltes Eysen / oder durch ein bißgen Bley gefället ist: damit wollen wir die Stadt auff mehr als funffzig Orten in den Brand stecken / und den gesamten Adel die Freyheit überlassen / wie viel sie von dem Volcke niederschlagen / und welche sie ferner zu lebendigen Sclaven behalten wollen.

CARAFFA. Der Anschlag ist ziemlich grausam.

MATELONE. Dennoch aber sehr wohl ausgesonnen.

CARAFFA. Wir haben unser Büchsen-Pulver in das Wasser geschüttet / gleich als hätten wir zuvor gesehen / wie so schlechter Wiederstand bey diesen Fischer-Tumult würde von nöthen seyn.

MATELONE. Mons. Peronne, nur die That beschleuniget. Gefährliche Consilia sind am mächtigsten / wenn sie bald jhren Zweck erreichen.[63]

PERONNE. Ich habe die Banditen in meiner Hand: es soll kein Tag vorbey gehen / so wollen wir den Anfang zu einem Wercke machen / davor die gantze Welt erzittern sol.

CARAFFA. Geht es wohl von statten / so wird es bey den 18000. Cronen nicht verbleiben / welche wir schrifftlich versprochen haben; sondern die Zulage soll sich nach dem Verdienste richten.

PERONNE. Doch das Beste hätte ich bald vergessen. Ich werde indessen die Häuser auf dem gantzem Marckte mit Pulver Miniren / auch so gar die Kirchen der Heiligen Maria del Carmine in einen heimlichen Keller mit so viel Pulver versorgen / damit des Masaniello Todt den gantzen Adel durch einen erschröcklichen Knall könne angedeutet werden: damit werden die Häupter von der Faction in die Luft zerstreuet seyn / und ehe sich das andere Volck im Schrecken besinnen wird / so hat der Adel seine freye Hand. Mit einem Worte / ich wil einen Donnerschlag erwecken / welcher in einem Augenblicke mehr als 150000. Menschen betreffen sol.

CARAFFA. Es ist besser / wir leben in einer verwüsteten Stadt / als daß wir dem Volcke schimpfliche Conditiones eingehen: Allein wer sol so eine Qvantität Pulver an die Hand schaffen?

PERONNE. Wer auf das Banditen-Handwerck ausstudieret hat / der gedencket an keinen Vorschlag / dabey jhm noch die Mittel verborgen sind. Ich bin des Masaniello Oberster Leutenant / und habe dergestalt das Pulver zu commandiren / daß ich ungefehr 15000. Pfund leicht in den Kellern austheilen kan.

CARAFFA. Ich sehe / wir haben mit einem Menschen zuthun / der unsers Erinnerns und Einrathens nicht von nöthen hat.

PERONNE. Ich wolte das Gespräche weiter fortsetzen: doch bey gefährlichen Anschlägen soll niemand auff einen bösen Verdacht verleitet werden; also recommendire ich mich zu jhrer Gnaden Affection.


Geht ab.[64]


CARAFFA. So muß ein Reich zerfallen / welches unter sich selbst uneins ist.

MATELONE. Die Banditen werden sich an des Volckes Auffnehmen nimmermehr erfreuen. Weil der gute Kerl von dem Masaniello auß dem Gefängnis erlöset worden / so stehet er jhm freylich bey / so lange jhm keine Gelegenheit gewiesen wird / auf die hinter Füsse zutreten. Doch wir werden jhr Excellentz die fröliche Zeitung bringen.

CARAFFA. Ich weiß nicht / obs rathsam ist.

MATELONE. Er hat uns Vollmacht gegeben nach unserm Gefallen zuschliessen: da nun kein ander Mittel verfangen wil / so wird jhm der einzige Vorschlag nicht zu wieder seyn.

CARAFFA. Wenn es geschehen ist / so wollen wir die Ehre haben / unsere Thaten zurühmen: itzo mag unsere treue Vorsorge denselben unbekannt seyn / derer Bestes am meisten gesuchet wird.


Gehen ab.


Quelle:
Christian Weise: Masaniello. Stuttgart 1972, S. 61-65.
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