Neunzehnder Aufftrit.


[113] Allegro hernach Truffaldino.


ALLEGRO. Nun steh ich wieder auff der Adelichen Parthey; Denn es gefällt mir doch bey dem Vice- Roy besser / als bey dem gemeinen Volcke. Nur ein Mühlstein von sieben und zwantzig tausend Pfunden liegt mir auf den Hertzen / den ich mit meiner Klugheit nicht abweltzen kan. Denn meine Narren- Compagnie läufft mir auff allen Gassen nach und wil zu fressen haben. Nun ruff ich alle Welt zum Zeugen an / daß mir niemand einen faulen Hering / geschweige den eine Zerbelat-Wurst gebothen hat. Wo ich nun als ein Ober-Officirer mit ledigen Sacke zubinden muß / so mag meine Compagnie verhungern. Ich wil deswegen meine Fahne nicht schwärtzen lassen.

TRUFFALDINO kömt und bringet einen mäßigen Kasten getragen.

ALLEGRO. Aber siehe was bringet dieser Gast?

TRUFFALDINO. Guten Tag / Herr.[113]

ALLEGRO. Merckstu was / daß ich wieder ein Edelman bin? Grossen Danck / nicht Herr.

TRUFFALDINO. Wohnt nicht hier ein närrischer Kerl / der den Vice-Roy entlauffen ist?

ALLEGRO ad Spectatores. Der Kerl hieß mich vor einen Herren / so wird er mich nicht meinen. Jhr guter Kerl / wen sucht jhr?

TRUFFALDINO. Des grossen Herren in Neapolis seinen Hoff-Narren.

ALLEGRO. Was habt jhr bey jhm zu schaffen?

TRUFFALDINO. Nein ich sage nichts / er muß selber da seyn.

ALLEGRO ad Spectatores. Da wär ich ein Narr / daß ich meine Person zu erkennen gebe. Doch jhr guter Kerl könt jhr auch warten / biß er wieder kömt?

TRUFFALDINO. Ey da hab ich die Briefe vom warten. Wenn jemand ein Geschencke bekommen soll / so möchte er auch zu Hause bleiben.

ALLEGRO. Ja habt jhr ein Geschencke?

TRUFFALDINO. Das versteht sich. Es sind etliche gute Freunde in der Stadt / denen ist erzehlet worden / als wenn dem ehrlichen Hoff-Narren seine Kleider wären gestohlen worden; Drum schicken sie einen gantzen Kasten vol güldene Stücke / daß er sich wieder kleiden sol.

ALLEGRO. Ey last mich doch die Raritäten ansehen.

TRUFFALDINO. Ja / ja seht den Kasten an / so lang jhr wolt.

ALLEGRO. Der Kasten ist nicht von Glase / und ich bin kein Lux / der durch ein Bret sehen kan.

TRUFFALDINO. Wenn der Hoff-Narr kömt / so mag er die Sachen sehen lassen / wen er wil.

ALLEGRO. So muß ich mich doch zuerkennen geben. Da steht Signor Allegro in Lebens Grösse.

TRUFFALDINO. Es kam mir doch vor / als wenn jhr in seine Freundschafft gehöret; seyd jhrs aber? daß ich mit dem Geschencke nicht unrecht ankomme.

ALLEGRO. Wenn mir jemand was schencken wil / so heiß ich Allegro. Wenn ich aber was leiden soll / so ist Allegro nicht[114] zu Hause / und ich heisse / wie des Goldschmieds Junge dachte.

TRUFFALDINO. Je nu Herr / so nehmt doch den Kasten an: es wird schon auf einem jedwedern Stücke geschrieben stehen / wer es verehret hat. Denn es seyn gar viel vornehme Herren / die haben zusammen geschossen.

ALLEGRO. Haben sie gleichwohl zusammen geschossen? Je nu / nu / setzt mir nur das Geschencke da nieder: wenn ich den Schatz besehen werde / so wil ich schon wissen / wie weit sich meine Danckbarkeit erstrecken soll.

TRUFFALDINO. Braucht die Silberstücke gesund.

ALLEGRO. Ey laufft mir nicht weg / ich muß euch ein Trinckgeld geben.

TRUFFALDINO. Ach nein / ach nein / ich nehme fürwar nichts.

ALLEGRO. Ey sagt doch / was jhr haben wolt. Ich seh / daß jhr ein Trinckgeld verdienet habt.

TRUFFALDINO. Meine Herren werden mich schon bezahlen; nehmt nur mit meiner Auffwartung vor lieb.

ALLEGRO. Ich kan es aber nicht geschehen lassen. Zum wenigsten müsset jhr einen Rausch mit mir trincken / und wenn ich zwey güldene Stücke darüber versetzen solte.


Truffaldino wil gehen / Allegro zeucht jhn zurücke /und complimentiret so lange mit jhm / biß inwendig ein Zeichen gegeben wird / daß der Kasten unter dem Theatro zu rechte gemacht ist / als denn laufft Truffaldino hinein.


ALLEGRO. Jhr Herren / jhr seyd meine Zeugen / es war dem guten Kerl mit keiner Ehre gedienet / ich hätte sonst mein euserstes gethan / aber er wolte nicht / so darff er mir keine Schuld geben / wenn eine Spinne-Webe in seiner Kehle wachsen möchte. Unterdessen werd ich nun mein Geschencke betrachten.


Allegro macht den Kasten auf / und da fängt er überlaut an zu schreyen. Indem kömt ein kleiner Narr heraus / und jagt ihm herum / mit diesen Worten / schaffe mir zu fressen: Hastu mich geworben / so mustu mich erhalten. So offt Allegro zu dem Kasten hinkomt / springt allzeit ein neuer aus[115] den Kasten heraus / und da wird er weidlich von

jhnen gezwackt.


ALLEGRO. Ach jhr lieben Getreuen / last mich nur zu Kräfften kommen / ich wil euch gerne Proviant schaffen: geht nur wieder ins Qvartier.


Sie sämtlich schreyen: Nein / nein / daß lassen wir bleiben / schaff uns ein Qvartier / da Brodt / Wein und Fleisch zum besten ist.


ALLEGRO. Halt / halt / bin ich Ober-Officirer und habe nicht bessern Respect. Ich wil euch andre Künste weisen.


Er haschet einen nach den andern und packt sie in den Kasten wieder ein / und macht hierauf zu.


Nun begegne mir der Lumpen-Hund mit seinem Geschencke / ich wil jhm die Güldnen Stück anstreichen / daß sein Kopff über und über zu einen rothen Stück werden soll. Doch wie nun zuthun? Die Compagnie bleibt mir übern Halse: schmeiß ich sie ins Wasser / so fürcht ich mich der Sünde. Ich halte davor / es wird am besten seyn / wenn ich sie vor ein Nest Carnickelgen verkauffe.


Er agirt poßierlich / und schlept den Kasten hinein.


Quelle:
Christian Weise: Masaniello. Stuttgart 1972, S. 113-116.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Masaniello
Masaniello: Trauerspiel
Masaniello
Masaniello

Buchempfehlung

Wieland, Christoph Martin

Geschichte der Abderiten

Geschichte der Abderiten

Der satirische Roman von Christoph Martin Wieland erscheint 1774 in Fortsetzung in der Zeitschrift »Der Teutsche Merkur«. Wielands Spott zielt auf die kleinbürgerliche Einfalt seiner Zeit. Den Text habe er in einer Stunde des Unmuts geschrieben »wie ich von meinem Mansardenfenster herab die ganze Welt voll Koth und Unrath erblickte und mich an ihr zu rächen entschloß.«

270 Seiten, 9.60 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.

424 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon