Zwölffter Aufftrit.


[137] Alle des Vice-Roy Bedienten / ingleichen die Parthey von Masaniello.

Donato trit gegen den Altar und fänget an zulesen.


Demnach der Hochgebohrne Don Roderigo Ponce de Leon Hertzog von Arcos, des Königreichs Neapolis Vice-Roy und General Capitain, haben in Gnaden verstanden welcher Gestalt das Volck von Neapolis.

MASANIELLO. Schreibt darzu / das gehorsame Volck von Neapolis.

RODERIGO. Es soll geschehen / sie haben den Titel noch verdienet.[137]

DONATO. Welcher gestalt das gehorsame Volck von Neapolis jhrer habenden Privilegien wegen eine Versicherung erlangen wolte; als haben höchstgedachte hohe Excellentz sich erfreuet / daß das Privilegium des Königes Caroli V. höchstseligsten Andenckens zu der Hand geschaffet worden.

MASANIELLO. Setzt darzu im Original.

DONATO. Im Original an die Hand geschaffet worden.

MASANIELLO. Setzt darzu / wie solches recht und billich ist.

DONATO. Wie solches recht und billich ist. Und wollen demnach zur Erklärung gedachter Privilegien die folgenden Artickel zu männiglicher Wissenschaft öffentlich verlesen lassen.

MASANIELLO. Setzt darzu: Mit gutem Bedacht und Wohlgemuth.

DONATO. Mit gutem Bedacht und Wohlgemuth: Als erstlich soll der Frucht- und Mehl-Zoll auff ewig abgeschafft seyn.

MASANIELLO. Setzt darzu: So wohl vor das schwartze als weisse Mehl.

DONATO. So wohl vor das schwartze als weisse Mehl.

MASANIELLO. Setzt darzu: So wohl vor das Rocken-Brod / als vor die Groß-Stritzel.

DONATO. So wohl vor das Rocken-Brodt als vor die Groß-Strietzel. Zum andern / soll das gewöhnliche Donativ nach Willen des Volckes eingerichtet werden / und das Volck so viel Vota haben als die von Adel.

MASANIELLO. Setzt darzu: Und diß zu ewigen Zeiten in alle Wege.

DONATO. Und diß zu ewigen Zeiten in alle Wege. Zum dritten versprechen sie wegen des vergangenen niemand zur Verantwortung zuziehen.

MASANIELLO. Setzt dazu: Uber kurtz und über lang.

DONATO. Uber kurtz oder über lang. Und daß solches getreulich solle gehalten werden.

MASANIELLO. Setzt dazu: Ohne alle Gefehrde / bey dem Worte der Warheit.[138]

DONATO. Ohne alle Gefehrde / bey dem Worte der Warheit sollen die gedachten Puncte – –

MASANIELLO. Und was noch mehr zu vergleichen ist.

DONATO. Und was noch mehr zu vergleichen ist / durch einen kräfftigen Eid betheuret werden / mit angehenckter Zusage.

MASANIELLO. Setzt darzu: An Eydes Statt.

DONATO. An Eydes Stat / daß die Ratification bey jhrer Majestät in Spanien soll ausgewircket werden.

MASANIELLO. Setzt darzu: Und wo dieses nicht erfolget / so soll dieser Accord null und nichtig seyn.

DONATO. Und dieser Accord soll null und nichtig seyn.

PHILOMARINI bringt das Evangelien Buch. So werden sich jhr Excellentz belieben lassen / die vorgelesenen Puncte durch einen Eid zu bekräfftigen.

RODERIGO. Ich schwere bey Gott und allen Heiligen / die vorgelesenen Puncte in allen Stücken getreulich zu halten / so wahr mir dieselben helffen.


Hier werden die Trompeten und Paucken gehöret /inwendig wird darzu geschrien: Lange lebe der

König in Spanien!


MASANIELLO steht im Silbernen Stücke mit einem blossen Schwerdte. So ist nunmehr die Freyheit in einen solchen Stand gebracht / daß jhr Königliche Majestät sich einer vollkommenen Herrschafft rühmen können. Wir haben ja innerhalb sechszehn Jahren in die hundert Millionen contribuiret / und jhr Majestät sind allezeit ärmer worden: Nun werden die jenigen abgewiesen seyn / welche dem Volcke zur Beschwerung jhr Interesse bey dem Königlichen Gelde gesuchet haben. Ich gestehe es gerne / ich habe mein Blut auff das Spiel gesetzt / doch protestire ich vor der gantzen Welt / daß ich alles dem Allmächtigen Gott zu Ehren / dem Könige in Hispanien / dem Vice-Roy, dem Volcke / ja dem gantzen Königreiche zum besten gethan habe: verwundert sich iemand über diesen prächtigen Habit? Er ist mir wieder meinen Willen angeleget worden: Jhre Eminentz der Ertz-Bischoff hat mich bey Straffe des Bannes dahin gezwungen /[139] daß ich bey dieser Solennität in einem Silbern-Stücke erscheinen müssen: allein nunmehro wil ich diesem Kleide gute Nacht geben / und meine alte Fischer-Hosen wiederum anlegen.


Er reist an dem Kleide / und kan nicht zu rechte kommen / hiermit kniet er vor dem Vice-Roy.


Ach jhr Excellentz erbarmen sich / und helffen mir das Kleid vom Leibe reissen / welches mir nicht anstehet.

RODERIGO. Es stehet ihm gar wohl an / er lasse sich doch erbitten.

PHILOMARINI. Er hat das Kleid aus vielen Ursachen verdienet / wer von uns hochgeschätzet wird / der darff sich selbst nicht geringe halten.

MASANIELLO. Ach jhr Leute / sehet wie wird ein ehrlicher Mann genöthiget / wieder seinen Willen stoltze Kleider zutragen: ach erbarmet euch / und betet vor mich / daß ich wieder zu meinen Fischer- Hosen komme.


Hier lassen sich Paucken und Trompeten hören /und ziehen alle ab / die mittelste Scene fällt zu.


Quelle:
Christian Weise: Masaniello. Stuttgart 1972, S. 137-140.
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