Drey und zwantzigstes Exempel.

Ein edler Herr erlangt durch die Vorbitt des heiligen Martyrers Cäsarii vor dem Richterstuhl GOttes Gnad und Barmhertzigkeit.

[204] Zu Rom war ein edler, und reicher Herr mit Namen Andreas. Dieser lebte nach seinem Gefallen, und liesse ihm fein recht wohl seyn. Wo nur ein Freud, ein Lust, ein Ergötzlichkeit, ein guter Muth aufzubringen war, das müßte ihm werden. In Summa: das Wohlleben war sein vornehmstes Absehen. Doch hatte er diese Tugend an sich, daß er gegen dem heiligen Martyrer Cäsarius ein sondere Andacht truge, und nicht allein die Kirch, in welcher dieser heilige Martyrer verehrt wurde, öfters mit Andacht besuchte; sondern auch zu Zeiten ein Opfer darinn ablegte. Mithin geschahe es, daß er ihm selbst durch sein Wohlleben den frühzeitigen [204] Tod auf den Hals zoge. Er starbe also; doch nicht ohne Zeichen der Reu über das vergangene. Nun der todte Cörper wird in ein Bahr gelegt: man kleidet ihn an seinem Stand gemäß: man ladet zur Leichbegängnuß ein die adeliche Freundschaft: man unterlasset nichts von allem dem, was zur Begräbnuß gehörte. Ein eintzige Nacht war noch entzwischen, daß der Leichnam solte zur Erden bestattet werden. Was geschiehet? indem der Leichnam verwachet wird, fangt dieser um Mitternacht herum an sich zu rühren; nach und nach den Kopf aus der Todten-Bahr in die Höhe zu strecken; mit den Augen hin und her zu sehen: dardurch anzudeuten, daß er wiederum zum Leben erweckt wäre. Was nun bey denen Wächtern, und anderen Hausgenossenen für ein Forcht und Schrecken werde entstanden seyn, kan ihm ein jeder leicht einbilden. Viel, bey denen die Forcht über Hand genommen, flohen davon: andere aber, die etwas behertzters waren, hielten noch Stand; sahen den Auferweckten erstaunend an, und fragten ihn endlich: ob er wahrhaftig vorhin gestorben, und anjetzo wiederum zum Leben erweckt worden? oder aber (wie es bisweilen geschehen) nur ein Zeitlang in einer Ohnmacht gelegen? also daß er die Leut Glauben gemacht, er wäre wahrhaftig gestorben? da gabe der Auferweckte mit einem tiefen Seufzer folgende Antwort; Wisset, daß ich wahrhaftig vorhin gestorben; und wurde ich würcklich in der Höllen brinnen, wann nicht der heilige Martyrer Cäsarius bey dem göttlichen Richter mein sonderbarer Patron geweßt wäre, und mich noch erhalten hätte. Als ihn herauf die Anwesende fragten; was er in der andern Welt gesehen? was er gehört? und wie er wiederum zum Leben kommen wäre? gab er ihnen zur Antwort: »höret! als mein Seel vom Leib geschieden, da bin ich in einem Augenblick für den erschröcklichen Richterstuhl Christi gestellt worden. Um ihne stunden herum viel 1000. Engel. Als ich in mein Gewissen hinein schaute, und darinnen mein vergangenes Leben sahe, stunde ich da voller Forcht und Schrecken, und dörfte meine Augen nicht über sich heben. Unterdessen stunden zur lincken Seiten die leidige Teufel, welche mit höchstem Verlangen auf das Urtheil des Richters warteten. Was ich da für ein Angst ausgestanden; mit was Schrecken ich überfallen worden, wird mir niemand leicht glauben. Aber ich weiß es; weil ichs erfahren hab. Als ich nun nichts anders, als das Urtheil der ewigen Verdammnuß erwartete, siehe! da trittet unversehens für der heilige Martyrer Cäsarius; kommt für den Richterstuhl Christi; fallt nieder auf die Knie, und redet den Richter folgender massen an: Höchster, und gerechtister Richter! lasse dir gnädigst gefallen, die Wundmahlen meines Leibs anzuschauen. Gedencke, O HErr! daß ich um deines [205] Namens willen jene Wunden einstens empfangen; ja Leib und Leben für die Ehr deines Glaubens aufgeopfert hab. Anjetzo bitte ich demüthigst um diese eintzige Gnad: du wollest nach deiner unendlichen Barmhertzigkeit diesem armen Sünder verschonen: weil er sich bey Lebs-Zeiten so oft in meinen Schutz und Schirm befohlen hat. Was geschiehet? die Mutter GOttes, und andere Heilige, so auch zugegen waren, fielen dem heiligen Martyrer Cäsario gleichfalls bey: und der Richter liesse sich besänftigen; schenckte mir die ewige Straf und liesse zu, daß mein Seel wiederum solte zu ihrem Leib kehren. Also bin ich jetzt da, euch zu Gutem: damit ihr euch desto sorgfältiger auf das künftige Gericht bereiten möget. Sehet zu, daß ihr in aller Forcht vor GOtt wandlet; dann ihr wißt weder den Tag noch die Stund, da der HErr kommen wird. Dieses geredt, sancke er wiederum in die Todten-Bahr hinein, und gabe den Geist neuer Dingen auf.« In Vita S. Annonis Archi Episc. Colon. l. 1. c. 35. apud Surium To. 6. Die 4. Decemb.


O wie nutzlich und heilsam ist es, wann man sich einen sonderbaren Patronen aus denen Heiligen GOttes erwählet; ihm das Sterbstündlein anbefihlet; und deswegen zu seiner Ehr täglich etwas gewisses bettet! dann ein solcher Heiliger wird seinem Pflegkind im Tod sonderbar beystehen, und nicht nachlassen, bis er ihm bey GOtt ein wahre Reu über die Sünden; und mithin ein seliges Sterbstündlein wird ausgebetten haben. Das hat gethan an seinem Pflegkind der heilige Martyrer Cäsarius. Und das gabe zu verstehen das gehabte Gesicht des Richterstuhls Christi. Wäre der heilige Cäsarius seinem Pflegkind im Todbeth nicht beygestanden; wurde es nach dem Tod zu spat geweßt seyn. Dann wie GOtt einen nach dem Tod findet, also richtet er ihn. Und da ist kein Zeit der Barmhertzigkeit mehr; sondern allein der Gerechtigkeit.


Sonsten thun diejenige sehr wohl, welche ein seliges Sterbstündlein zu erlangen, alle Nacht unser lieben Frauen zu Ehren ihre Litaney betten. Dann diese ist eine sonderbare Patronin der Sterbenden. O wie vielen hat sie noch in der letzten Stund ein wahre Reu, und durch diese die Seligkeit erlangt! und erlangt es noch täglich! darum soll man folgendes Gebettlein öfters (vornemlich, wann die Stund schlagt) mit Andacht sprechen:


Maria, Mutter der Gnaden! Mutter der Barmhertzigkeit! Beschütze uns wider den bösen Feind:

Und nimme uns auf in der Stund des Tods.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 204-206.
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