[361] Diese Frau hielte man dem äusserlichen Schein nach für fromm, und gottsförchtig: dann sie gabe reichlich Allmosen; wohnte dem GOtts-Dienst fleißig bey, und hielte eine ordentliche Haushaltung, wie es einer Christlichen Frauen gebührt. Alle Hausgenossene erhielte sie in der Forcht GOttes. Die Täg ihres Lebens lauften mithin vorbey, und der Tod nahete herzu. Sie beichtet; empfangt alle hierzu gehörige Sacramenten; stirbt darauf und hinterlaßt einen löblichen Namen. Neben anderen ihren Kinderen hinterliesse sie eine fromme eingezogene Tochter, welche täglich für ihre verstorbene Frau Mutter zu GOtt gebettet, damit sie zur ewigen Ruhe gelangen möchte. Nach etlichen Tagen, als sie in ihrer Cammer gantz allein war, und ihr Gebett verrichtete, höret sie gähling vor der Thür draussen ein Getümmel, über welches sie heftig erschrocken. Indem sie nun ihre Augen gegen der Thür wendet, geht selbige auf, und da ersihet sie in abscheulicher Gestalt ein feuriges Schwein, welches einen unleydentlichen Gestanck von sich gabe. Es war auch das Gespenst so entsetzlich anzusehen, daß die Tochter vor Schröcken dem Fenster zugeloffen, willens sich hinunter zu stürtzen, um also der vor Augen[361] schwebenden Gefahren zu entgehen. Allein sie ward davon abgehalten durch eine Stimm, die ihr also zurufte: halte still, Tochter! halte still! es ward auch die Tochter von GOtt gestärckt, daß sie still hielte, um zu vernehmen, was das Gespenst etwann sagen wolle. Da sprache dann dieses: ich bin deine unglückseelige Mutter, welche zwar nach dem Urtheil der Menschen fromm gelebt; allein wegen etlichen abscheulichen, und wider die Natur lauffende Sünden, die ich mit deinem Vatter begangen, und aber aus verdammlicher Schamhaftigkeit nie gebeichtet hab, bin ich vom gerechten GOtt zum ewigen Feuer verdammt worden. Höre also auf, für mich zu betten: dann es hilft mir nichts. Alles ist umsonst und verlohren. Als sie dieses geredt, sprange sie auf die Bänck und Stühl, und hinterliesse zum Gedenck-Zeichen ihre eingebrandte Fußstapfen; wormit sie aus den Augen ihrer Tochter verschwunden. Die Tochter hierüber höchst betrübet macht sich alsobald aus dem Haus hinweg, gehet dem nächsten Closter zu, und erzählet dem daselbstigen Fasten-Prediger alles, was sich hatte zugetragen. Diser gehet mit ihr dem Haus zu, um den Augenschein einzunehmen, und von allem die völlige Wahrheit zu erfahren; er besihet die von dem unflätigen Gespenst eingebrandte Fußstapfen, und empfindet den üblen Gestanck, der in der Cammer verbliben. Diesen reiniget er mit dem geweyhten Wasser, und priesterlichen Seegen; die Tochter aber der unglückseelig verdammten Frauen tröstet er, und muntert sie auf zu der wahren Tugend, damit sie sicher wandle, und entgehe den erschröcklichen Peynen der ewigen Verdammnuß. Christoph. de Vega S.J. in libello Tragicorum Exempl. de Confessione.