Drey und zwantzigste Fabel.

Die Tags-Zeit wird sinnreich vorgestellet.

[767] Mercurius, wie ein vornehmer Comödiant sinnreich gedichtet, solle einstens die Sonne gesehen haben daher fahrend auf einem vergoldeten Heer-Wagen, in einem königlichen Thron sitzend. Es wurde aber der Wagen gezogen von den zwölf Stunden des Tags, zierlich angekleydet, [767] als wann sie Göttinnen wären; jedoch mit diesem Unterschied, daß die erste 4. Stunden von gar kleiner; die andere 4. von etwas grösserer; die letzte aber von gar grosser Postur waren. Mercurius, deme dieser Aufzug fremd vorkame fragte gar höflich, wer sie wären? Und was dieser Auf- und Einzug bedeuten solle? Die Antwort ware: wir alle stellen vor die Zeit des Tags. Wie kan das seyn? widersetzte Mercurius: es seynd ja alle Stunden gleich, keine länger, oder kürtzer, als die andere? in euerem Aufzug aber zeigen sich die erste 4. Stunden klein, wie Zwerglein; die andere etwas grössers, wie gestandene Menschen; die dritte aber groß, wie Risen. Wie könnet ihr dann die zwölf Stunden des Tags vorstellen? es ist nicht ohne (sprechen die 12. Stunden) du aber sollest wissen, und es als ein Zeitungs-Trager, allenthalben kund machen, daß durch unsere unterschiedliche Postur angezeigt werde der Gebrauch der Zeit, und Stunden. Nemlich wir vier klein wintzige Stunden, werden gebraucht zur Andacht, zum Gebett, zur Betrachtung geistlicher Dingen etc. Wir mittelmäßige Stunden werden angewendet zur Hauswürthschaft: zum Kauffen und Verkauffen, und die Leibs-Nahrung zu schaffen, zu welchen Verrichtungen auch mehr Zeit angewendet wird, als zum Betten. Wir grosse Risen-Stunden aber werden gebraucht zu denen Mahlzeiten, auf denen Tantz-Böden, bey den Karten und Würffel-Spielen; bey der müßigen Schwätz-Gesellschaft, wo man thut mit Schwätzen viel Zeit verschertzen, und mit parlieren viel Zeit verliehren. Leo Wolf Ord. Recollect. S. Francisci in suo Rugitu Leonis.

Ach! sagt der Heil. Bernardus: also gehen die Täg des Heyls vorbey, und niemand ist, der es zu Hertzen nehme.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 767-768.
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