Vier und zwantzigste Fabel.

Disput zwischen einem Alten und dem Tod.

[768] Dieser Alte solte mit dem Tod einen Pact gemacht haben, daß er ihn nicht hole, er habe ihm den zuvor 2. oder 3. Bothen geschickt, und zum Sterben lassen anmahnen. Als dieser Mensch nun auf ein hohes Alter kommen, ist er gefährlich erkrancket; ware auch der allgemeine Menschen-Würger der Tod schon verhanden, ihne aus dem Leben hinweg zu nehmen. Der arme Mensch bittet den Tod, er wolle ihm doch so viel Zeit lassen, daß er ein Testament könne machen, und anderes, was ihm zu so schwerer Reis vonnöthen seyn werde, disponiren. Was? sagt der Tod: du hinläßiger Alter? was hast du dann in deinen so vielen Lebens-Jahren gethan? hab ich dir nicht hierzu Zeit genug gelassen? habe ich dich [768] nicht oft genug dieser Reis erinneret? O Tod! sagte hinwieder der Alte: ich kan mich einmahl nicht erinneren, daß du mich deshalben habest ermahnen lassen. Was? sagte der Tod: können die alte Greiß auch lügen? siehe! ich habe dich so oft ermahnt, als oft ich nicht nur einige deines gleichen Alte, sondern auch viel jüngere aus dem Leben hab hinweg genommen? welche du begleitet hast, da sie seynd begraben, und in die Erden verscharret worden? welche alle sagten: heut an mir: morgen an dir. Uber das, du vergessener alter Tropf, habe ich dich nicht ermahnet, da dir deine Haar seynd grau worden? da dir die Leibs-Kräften seynd entwichen? da dir das Gesicht ziemlich vergangen? da dir die Augen und Nasen angefangen haben zu rinnen; habe ich dich nicht ermahnet, da ich so oft mit Catharr-Flüssen bey dir hab angeklopft; du aber hast es nicht verstehen wollen. Also dann:


Es muß nur seyn, gib dich darein,

Mit mir mußt du jetzt ringen.

Der Lebens-Lauf hört bey dir auf,

Du mußt mit mir von hinnen.

Idem Leo Wolf, qui supra.


Gedachter Alte hat noch mehr seines gleichen, welche, ob sie schon täglich sehen, wie der grimmige Tod die Menschen anfalle, und nicht allein denen Alt-Betagten, sondern auch Jünglingen und Knaben den Lebens-Faden abschneide; dannoch so wenig sich daran kehren, als hätten sie einen Brief darfür, daß sie sicher seyen, sich verlassende auf ihre Jugend und Gesundheit, gleich denjenigen, von denen Isaias sagt c. 28. daß sie sich haben verlauten lassen mit diesen Worten: Wir haben einen Bund gemacht mit dem Tod. Aber, O wie betrügen sie sich selbsten!

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 768-769.
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