44.
Wie die beyden jungen ritter urlaub von iren liebsten junckfrawen namen, und was sye dem alten ritter nach irem abscheyd empfohlen hand.

[300] Demnach und die beyden ritter all ir notdurfft, so ihn zů irer reyß notwendig was, fertig gemacht hatten, seind sye on alle forcht zů iren allerliebsten junckfrawen gangen, welche sye bei andren junckfrawen in der alten künigin palast fanden, hand also die alt künigin sampt allen andren junckfrawen gesegenet, die all gemeynlich von ires abscheyds wegen bekümmert waren.

Philomena die junckfraw bald irer vertrawten Laureta zů ir rüffet, sye zů Gabriotten dem ritter schicket, das er gedecht unnd nit von land schied, sye were dann zůvor bei im gewesen; unnd damit aber das bald geschehen möcht, so solt sye die beiden ritter in iren wurtzgarten füren; da wolt Philomena sampt Rosamunda zů ihn kummen. Laureta sich nit[300] lang saumet, zů den beyden rittern kam, inen der junckfrawen willen ansagt. Sye beyd mit ir giengen in iren wurtzgarten, da sye der junckfrawen mit grossen freüden warteten. Die junckfrawen urlaub von der alten künigin namen, beyd mit einander in den wurtzgarten zů iren rittern kamen.

Philomena so bald sie iren ritter ersach, erbermblich anhůb zů weynen und sprach: ›O Gabriotto, das ich den tag deines hinwegscheydens ye erlebt hab! Ich förcht, du werdest mein in Franckreich bald vergessen haben.‹ – ›Junckfraw‹, sprach Gabriotto, ›ich bitt euch, mich semlicher wort vertragen wöllendt; dann ihr mir mein hinfart darmit noch harter und schwerer machen. Nun seind ihr doch meiner liebe so gantz sicher, das mich wundert, was ir doch damit gemeynen. Was soll ich viel bewerens, dieweil mir mein hinwegscheyden des genůgsam bezeuget! Aber ich hoff zů gott, ehe dann ein halb jar verscheinet, ich wöll euch, mein allerliebste junckfraw, wider mit lieblichen augen ansehen. Dann ich dem künig ein solchs versprochen hab.‹

Philomena von des ritters worten nit wenig trosts empfahen thett, als sye hort, das Gabriotto sein ziel also kurtz gesetzt hat; dergleich Rosamunda nit minder freüd empfieng. Philomena die junckfraw irem ritter einen köstlichen guldinen ring schanckt. ›Nimb hin disen ring,‹ sprach sye, ›mein hertzliebster ritter; darbei biß mein zů aller zeit ingedenk! Dann so du ihn herwider bringst, so mag ich wol sprechen, das du mein nye vergessen habest.‹ Gabriotto der junckfrawen trewlich versprach, er ir zů aller stund ingedenck sein wolt, und zů einem zeychen wolt er den ring in irem beiwesen anstecken und nymmer vonseiner handt lassen kummen, es wer dann sach, das er wider zů ir käm.

Damit die beyd einander freündtlich umbfahen thetten, einander mit betrübten hertzen begnadeten; dergleich auch Reinhart und Rosamunda mit bekümmerten hertzen einander letzten und gesegneten. In dem Gernier, Gabriotten vatter, zů den zweyen jungen rittern kam in beisein irer liebsten junckfrawen, sye zů beyder seit freündtlich tröstet. Darnach die drey ritter mit einander zů dem schiff giengen.

Gabriotto zů seinem vatter sprach: ›Mein hertzliebster[301] vatter, dieweil sich unser sach also schicket, so bitt ich dich, du wöllest dich bei weilen zů unsern lieben junckfrawen thůn unnd sye in unserm abwesen trösten. Dergleich so dir zů zeiten brieff von uns werden, würstu ettlich gantz schneeweiß darunder finden. Auff welchen du dann ein rosen gemalt sihst, die gib Rosamunda; welche aber mit einer kronen gezeychnet seind, die gehören meiner allerliebsten Philomena. Darzů bitt ich dich, du wölst uns allzeit wissen lassen, wie es umb dich und unser junckfrawen stand. Das wend wir auch nach unserm vermügen thůn, wie offt wir bottschafft haben mögen.‹ Der vatter seinem son versprach, seinem begeren nachzůkummen.

In dem die zeit kam, das man zů schiff bließ. Gernier die beyden jungen gesegnet. Mit dem sye in das schiff tratten, mit grossem leyd von dannen schifften. Gernier an dem port stund, in manchen segen nachwünschet. Dergleich die beyden junckfrawen zů dem obristen in dem küniglichen palast stunden, dem schiff mit grossem jamer nachsahen, manchen hertzlichen seüfftzen und süsen segen ihn nachhin sandten, so lang biß sye das schiff nit mehr gesehen mochten. Demnach die übrig zeit mit trawren und klagen vertriben, biß sye zůletst mit irer zůkunfft wider getröst wurden. Als nun Gernier das schiff nit mehr sehen mocht, zoch er trawrig und gantz bekümmert wider gen hoff. Dann im der groß unfal, so den edlen rittern begegnen thet, gäntzlichen vor was, wie irs dann nachmals vernemen werdt. Dann in groß ungefell auff dem mör zůhanden stieß, also das sye kümmerlich mit irem leben davonkamen.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 1, Tübingen 1903, S. 300-302.
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