45.
Wie den beyden jungen rittern ein grosse fortun auff dem mör begegnet, in grossen sorgen irs lebens stohn můsten.

[302] Das unstet und wanckelmütig glück sich noch nit benügen ließ an dem schmertzlichen unnd trawrigen abscheyd, so es den zweyen edlen rittern zůgefügt hat, auch die edlen und züchtigen junckfrawen noch in vil mer leyd und schmertzen[302] setzet; dann nit lang nach dem abscheyd der edlen jüngling inen eine fast leydige und schwere bottschafft von inen kam. Wie aber das geschach, ir kürtzlich verston sollendt.

Als der jüngling Gabriotto auß Engelandt faren thet, nam er mit im zwen schöner englischer hund, welche er dem künig zů Franckreich gebracht wolt haben, im die für ein beüt verehret. Als sye aber mit ihrem schiff kamen in das möhr, entstund ein sorglicher grosser wind. Derselb das schiff mit grausamen wellen umbgeben thet, dardurch alle die, so in dem schiff waren, in grossen sorgen stunden, zům offternmal gott den allmechtigen anrůfften. Zůletst der wind das schiff dermaßen erwischet, mit gewalt an einen felsszen so mit grosser ungestümigkeyt werffen thet, also das es sich von einander reyssen můst. Alle die, so in dem schiff waren, mit grosser not in ettlich barcken, so an das schiff gebunden waren, sprungen, auch ettlich auff brittern außschwammen; dann sye nit sunders ferr an das landt hatten. Das gůt aber, so in dem schiff gewesen war, alles zů grundt gieng; allein ein yeder seiner barschafft acht nam, so im anderst so vil zeit werden mocht. Die beiden hund aber nit außschwammen, sunder sich mit kläglichem geschrey an dem felßen erhalten theten, biß sich der ungestüm wind yetz gestillet. Als nun Gabriotto sampt Reinhart mit grosser angst und nodt das landt erreycht hatten, erst an ihre hund gedachten, aber deren zů bekummen sye sich gantz verwegen thetten, deßhalben in grossen unmůt von newem kamen.

Nun aber mocht das leyd, so inen zůhanden gangen was, ihren allerliebsten junckfrawen nit verborgen bliben, damit sye auch dest mer betrübt würden. Sich von ungeschicht begab, das ein ander schiff, so in Engelandt faren wolt, noch bei den felssen anckern můst, darauff sich die gedachten hund erhůlten. Dieselben yetz der hunger bezwingen thet, das sye sich in das mör wagten, dem angeanckerten schiff zůfůren. Als ir nun der schiffherr gewar ward, mit ersten nit erkennen mocht, was es wer, so lang das er der köstlichen halßband an inen gewar ward, wol erkannt, das es hund weren, die man hoch geacht hett, was wunders sye doch dahin getragen het, inen zůhandt in das schiff halff, also mit ihm gon[303] Lunden fůrt. Das schiff so bald nit an das landt kam, die beyden hund gon hoff lieffen, mit ihren geberden sich dermassen erzeygten, das menglich gedacht, die sach nit recht umb die beiden ritter ston kündt.

Semlichs bald für den künig kam, der sich der mähr nit gnůg verwundren mocht, bald an das port schicket, ob villeicht die beyden ritter kummen weren. Als nun die, so von dem künig befelch hatten, den beiden rittern nachfragten, kundt ihn nyemandts kein bescheydt nit geben. Der schiffherr sunderlich von wegen der hund gefragt ward, der dann alle ding, wie sich die verloffen hatten, erzalet. Das ward dem künig auch verkündet, die schiffleüt für in fordern ließ.

Als sye nun beschickt und für den künig kamen, aller sach von dem künig erfragt wurden. Der künig anhůb und sprach: ›Ir herren, ich hab verstanden, wie ir heüt an unserm port ankummen seind unnd namlich zwen hund mit euch bracht, welche vor wenig tagen von zweyen unsern rittern hinweggefürt worden seind der meynung, das sye die dem künig zů Franckreich geschenckt wolten haben. Nun aber mögendt wir all nit wissen, wie es umb die beyden ritter stand, dieweil die hund kummen unnd sye nit kummen seind. Darumb ist mein beger an euch, wo ir der sach wissen trügen, wöllendt uns nichts daran verhalten, damit wir auß dem argwon kummen mögen.‹ Die kauffleüt und schiffherren gemeynlich anhůben und sagten dem künig also, wie ir dann oben gehört hand. Ihm under andren anzeygten, das sich die hund irs bedunckes die zeit her auff dem felßen erhalten hetten; dann inen sunst nit müglich gewesen wer also lang auff dem mör zů schwimmen.

Der künig zůhand befalch ettlichen seinen schiffleüten, mit parcken und andren kleinen schiffen an das ort zů faren, den felsszen zů umbfaren, auch darauff zů gon, soweit in müglich wer, mit schreien und rüffen zů versůchen, ob sye doch deren ritter keinen darauff funden. Das alles nach des künigs befelch geschehen thett; aber umbsunst was. Zůletst mit ettlichem zeüg in das mör wurffen, wol befunden, das ein schiffbruch da geschehen was. Das alles sye dem künig ansagten. Der künig nit wenig unmůt davon empfahen thet.[304]

Das geschrey gar bald dem alten ritter Gernier fürkam; bedarff auch nyemandt fragen, ob er nit tausentfeltig leyd davon empfangen hab, dieweil er seinen einigen son also ellendtlich vermeynt verloren haben. Von stund an zů Philomena der junckfrawen kam, die er mit seiner zůkunfft erstlich erfrewen thet. Als sye aber die leydig bottschafft von im vernam, so kläglichen anhůb zů weinen und klagen, das sye Gernier mit ir bewegt zů weinen. In dem Rosamunda die junckfraw von ungeschicht auch kam, in ein getrewe gesellin in ihrem leyd gab.

Philomena anhůb unnd sprach: ›O du mein allerliebster ritter Gabriotto, wie bist du so schnell gewesen zů deinem schaden zů eylen! Ach der verflůchten stund, in deren du disen raht mit dir selb beschlossen hast! Nun mag ich wol klagen den tag, in welchem ich dich mit ersten erkennt hab, dieweil ich doch ein einige ursach deines verderbens unnd ellenden tods bin gewesen. Warumb hab ich in dein hinwegscheyden verwilliget, dieweil du mir doch allen gewalt gabest! Warumb bin ich nit bei dir bliben und sampt dir und deinem liebsten gesellen umbkummen und den todt erlitten! Mein sterben solt mir nymmer also wehe haben gethon.‹ Rosamunda, als die verstund die ursach der klag irer liebsten junckfrawen, bitterlichen anhůb zů klagen iren liebsten Reinharten.

Als nun der gůt alt ritter Gernier die beiden junckfrawen so gantz kläglich geberen sah, sye, so best er mocht, anhůb zů trösten. Als er aber solchs alles befand umbsunst sein, mit betrübtem hertzen von ihn schied, täglich an das port des mörs gieng, ob er doch nirgendt gewisse bottschafft vernemen möcht, wiewol er nach der schiffleüt sag kein ander gedencken hat, dann sein son wer in dem mör versuncken. Deshalb ein lange zeit mit weynen und klagen verzeret. Deßgleich die edlen junckfrawen ein harte zeit hatten, biß sich zůletst das glück über sye erbarmet, inen all ir klag in freüd verkeren thet, wie ir es hernach gründtlich bericht werden solt.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 1, Tübingen 1903, S. 302-305.
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