6.
Hie werdt ir vernemmen, wie sich die liebe in Philomena gegen Gabriotto entzündt hat, dorgleich wie Rosamunda zů dem jüngling Reinhart anfieng lieb zů tragen.

[203] Mit was kurtzweil sich die hochzeit angefangen und geendt hab, langweil nem zů erzalen. Dann da ward mancher sper zerbrochen, auch mancher dapfferer mann zů der erden gerandt. Reinhart und Gabriotto sich auch ritterlich auff dem[203] turnier brauchten; dann ihn von mengklichem der preiß geben ward. Da nun das stechen ein end nam, der künig dem ritter Gernier zů ihm růffet, im befalch die zwen jungen mit im gehm hoff zů bringen; des im Gernier zů thůn versprach.

Als sye nun von iren geülen gestigen waren, die iren knechten zů verwaren empfelhen thetten, ir harnasch bald abzugen, sich mit kostlichem gewand anderst anlegten. Alle drey mit einander gen hoff giengen; Gernier von den zweyen jünglingen ahne gieng, dem sye beyd in grosser zucht nachvolgten. Wer sye sach, wol sprechen mocht, dise zwen jüngling nit menschen, sunder engel sein, die nit ir schöne allein zieret, sunder ihr züchtiger wandel allen andren an dem küniglichen hoff weit übertreffen thet.

Als sye nun zů hoff kamen, der künig sampt seinen fürsten und herren yetz in dem küniglichen sal waren, dem dantz zůsahen. Gernier, Gabriotto und Reinhart yetz auch in den küniglichen sal kamen, dem künig sampt andren fürsten ir reverentz theten. Der künig Gernier freündtlich empfahen thet sampt den zweyen jungen, sye inn frantzösischcr sprach fraget, wie in das engelsch landt gefiel. Dem Gabriotto züchtig antwort und sprach: ›Allergenädigster herr künig, ewer landt uns auß der maßen wol gefelt. Gott ewer mayestet lang in gesundheyt bewaren wöll, damit ir ewer künigreich in solchem stadt regieren mögen!‹ Der künig vil und mancherley gespräch mit Gernier, Gabriotto und Reinhart hat.

In dem der dantz wider angefangen ward. Reinhart einen des künigs diener fraget, ob man sich der welschen dantz auch zů hoff gebrauchet. ›Sicher ja,‹ sprach der diener. Der künig die wort des ritters ein wenig vernummen hat, sich zů im wandt. ›Ritter,‹ sprach er, ›hastu nit lust zů dantzen? Mich wundert deins sons Gabriotto und Reinhardts, als jung sye seind, das sye also müssig ston mögen, und doch so vil frawen und junckfrawen zůgegen seind, so grossen lust zů dantzen hetten.‹ ›Allergnädigster künig,‹ sprach Gernier, ›wir seind des dantzes, so man sich hie gebraucht, ungeübt; so aber yemandts den frantzösischen dantz anfieng, ich so alt nimmer bin, ich wolt mich auch denen züchtigen frawen zů dienst eins dantzes underston.‹ ›Warlich,‹ sprach der künig,[204] ›den nechst künfftigen dantz ir sampt ewern sönen versehen solt. Dann mein gemahel, die küngin, des fast wol kan: der gleich mein schwester Philomena den nit anderst übt, dann ob sye ein geborne Frantzösin wer, sampt einer irer junckfrawen Rosamunda, die des welschen dantz ein meysterin ist.‹

Als nun der dantz ein end nam, der künig den spileüten befelhen ließ, den welchen dantz zů machen, als dann geschach. Der künig die alt küngin nam, sye dem ritter Gernier zůfüret, im befahl, den dantz mit ir zů thůn. Der ritter die küngin lieblichen umbfahen thet, dem künig der grossen eren dancket. Demnach der künig Reinhart und Gabriotto mit im füret zů den schönen junckfrawen, dem Gabriotto sein Schwester, die jung künigin, befahl mit ir zů dantzen, deßgleich dem Reinhart eines graffen dochter, Rosamunda genant, den dantz befehlen thet. Also Gabriotto unnd Reinhart, die beyde ihren junckfrawen freündtlichen umbfiengen, das sye leyder zů einer unglücklichen stunden angefangen hatten. Warumb ich aber das sprich, ir nachend wol vernemmen werden. Dann sobald Gabriotto die junckfraw Philomena umbfangen hat, sye beyde zů stund ein brinnendes feür durchgon thet, in solcher liebe gen einander entzündt wurden, das mit keinen worten außgesprochen werden mag. Der dantz yetz mit grossen freüden angefangen ward Alle die, so in dem sal waren, den dreyen Frantzosen mit grosser begierdt zůsehen thetten; dann ihn nyemandts mit behenden und schönen springen geleicht. Des inen auch die schönen junckfrawen sunder freüd namen. Gabriotto der junckfrawen Philomena manchen lieblichen blick gab, herwider sye im, welche dann den dantz fast zierten. Was soll ich schreiben von der grosen freüd, so die zwey liebhabenden menschen hatten, wiewol keins dem andren sein lieb öffnen dorfft, sunder die lange zeit verborgen an iren hertzen tragen můsten, biß sich zůletst das glück über sye erbarmen thet, wie ir nacher wol vernemen werdt.

Als nun der dantz yetzundt mit grossem leydt der zweyer, Gabriotto und Philomena, ein end nam, der künig sich sampt seinem hoffgesind das nachtmal zů nemmen bereiten thet, das wasser über die händ namen, das nachtmal mit grossen freüden durch mancherley gespräch vollbrachten. Gabriotto der jüngling[205] von ungeschicht an einem tisch saß, da er die junckfraw Philomena mit steten augen auschen mocht, ir schöne, hoch bedencken ward. Die junckfraw, so ir ein augenblickle werden mocht, Gabriotten mit inbrünstiger liebe anschawen thet, in ihr gedacht: ›O Gabriotto, du edler jüngling, wie hat dich die natur so mit unaußsprechlicher schöne begäbet! Wol der junckfrawen, so dein liebe mittheylt würdt!‹ Mit solchen gedancken die junckfraw den ymmbis verdrib.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 1, Tübingen 1903, S. 203-206.
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