7.

[80] Um die gewöhnliche Zeit fuhr die Sultanin Nurmahal in ihrer Erzählung der Geschichte von Scheschian also fort:

»Da die schöne Lili nicht so glücklich war den weisen Danischmend zum Ratgeber zu haben; so erfolgte nach und nach, was die Mißvergnügten und Milzsüchtigen von den Folgen ihrer schimmerden[80] Regierung geweissagt hatten; und die Gegner des Luxus hatten nun den Triumph, sich in ihren schallreichen Deklamationen auf die Erfahrung berufen zu können. Indessen wurde doch das Übel erst unter der folgenden Regierung sichtbar, welche überhaupt eine der merkwürdigsten ist, die wir aus den Jahrbüchern von Scheschian kennen lernen, weil sie ein erstaunliches Beispiel abgibt, wie viel Böses unter einem gutherzigen Fürsten geschehen kann.

Azor, ein Sohn der schönen Lili, bestieg nach dem Tode seines namenlosen Vaters den Thron unter den glücklichsten Vorbedeutungen. Er war der schönste junge Prinz seiner Zeiten, einnehmend in seinem Bezeigen, sanft von Gemütsart, geneigt Vergnügen zu machen, und sich denjenigen völlig zu überlassen, welche die Werkzeuge des seinigen waren. Das Volk, gewohnt von allem nach dem Eindrucke der auf seine Sinne gemacht wird, zu urteilen, erwartete von der Regierung eines so guten Prinzen goldne Zeiten, und hatte unrecht; es betete ihn zum voraus deswegen an, und hatte unrecht; es hassete und verachtete ihn zwanzig Jahre hernach eben so unmäßig als es ihn geliebt hatte, und hatte sehr unrecht.«

»Sie erregen meine Neugier«, sagte der Sultan: »lassen Sie hören, warum die Scheschianer immer unrecht hatten; unrecht wenn sie ihren König liebten, und unrecht wenn sie ihn haßten; aber vergessen Sie nicht, daß ich kein Liebhaber von Wortspielen bin.«

»Die Neugier Ihrer Majestät soll befriediget werden«, versetzte Nurmahal, »wenn ich anders meine Geschichte lebhaft genug werde erzählen können, um Ihre Aufmerksamkeit zu unterhalten.«

»Ich danke für das Kompliment, das Sie der Gründlichkeit meines Geistes machen«, sagte der Sultan: »aber zur Sache!«

»Der junge Azor war wie die meisten Menschen (Prinzen oder nicht) mit einer Anlage geboren, aus welcher, unter den bildenden Händen eines Weisen, ein vortrefflicher Privatmann, und vielleicht sogar ein guter König hätte hervorkommen mögen. Freilich war er keiner von diesen mächtigen und seltnen Geistern, die sich selbst bilden; die mitten unter einer rohen oder verderbten Nation, in einem unglücklichen Zeitalter, ohne einen andern Anführer oder Gehülfen als ihren eigenen Genius, die Wege der Unsterblichkeit gehen, durch die natürliche Erhabenheit und Scharfsicht ihres Geistes den ganzen Umkreis der menschlichen Angelegenheiten übersehen, und, kurz, die großen Grundregeln einer weisen Regierung in ihrem eigenen Verstande, so wie in ihrem Herzen das Urbild jeder königlichen Tugend finden.«[81] »Allergnädigster Herr«, sagte Danischmend, »ich bitte um Vergebung; aber es ist mir unmöglich, die schöne Nurmahal nicht zu unterbrechen. Der Verfasser, aus dem sie diese prächtige Periode entlehnt hat, glaubte vermutlich etwas sehr Schönes gesagt zu haben; aber es ist bloßer Schall. Es gibt keine so wundervolle Menschen als er uns bereden will; und Prinzen sind, bei allen ihren Vorteilen vor uns andern, im Grunde doch, wie man sagen möchte, nur eine Art von – Menschen. Um der menschlichen Natur und dem guten Sultan Azor das gebührende Recht angedeihen zu lassen, wollen wir lieber ohne alle Wörterpracht heraus sagen: Er befand sich nicht in den glücklichen Umständen, welche sich vereinigen müssen, um aus einem jungen Prinzen von der besten Anlage einen vortrefflichen Fürsten zu bilden. So war es in der Tat; und ich bin erbötig im Notfall gegen die ganze Akademie von Dely zu behaupten: Daß von Erschaffung der Welt an (welches schon lange sein mag) kein einziger großer Mann gelebt hat, der sich ohne Anführer, ohne Beispiele, und ohne Gehülfen, bloß durch die Stärke seines eigenen Genius gebildet hätte.«

»Ich danke dem Philosophen Danischmend im Namen aller Sultanen, meiner guten Brüder, für eine so tröstliche Anmerkung«, sagte der Sultan lächelnd. »Allen den Schmeichlern, die mir tausendmal das Gegenteil gesagt haben, zu Trotz, glaube ich, daß er recht hat; und wenn ich nicht besorgte mir einige schale Komplimente zuzuziehen, so wollt ich noch hinzu setzen, daß ich sehr daran zweifle, ob jemals einer von uns nur halb so gut gewesen ist, als er unter günstigern Umständen hätte sein können.«

Es schwebte dem naseweisen Danischmend auf der Zunge, zu sagen: oder nur halb so gut, als er unter den Umständen sein konnte, worin er sich wirklich befand. Aber zu seinem Glücke besann er sich noch, »daß die Wahrheit, die man einem Großen sagt, niemals beleidigen soll«, und daß es wirklich sehr edel an dem Sultan war, aus eigener Bewegung so viel einzugestehen, als er schon eingestanden hatte. Er begnügte sich also der schönen Nurmahal die preiswürdige Demut seines Herren rühmen zu helfen; und die Sultanin setzte die Erzählung also fort.

»Die Erziehung des Prinzen Azor war mehr vernachlässiget worden, als man es von den Einsichten der schönen Lili, seiner Mutter, hätte erwarten sollen. Diese Dame hatte in der Wahl desjenigen, dem sie den vornehmsten Teil seiner Bildung anvertraute, einen kleinen Trugschluß gemacht, der für ihren Sohn, und für die Völker, deren Schicksal einst von seiner Art zu denken abhangen[82] sollte, von großen Folgen war. Sie glaubte, ein Mann, der die Gabe hatte ihr besser als irgend ein anderer die Zeit zu vertreiben, und der überdies die niedlichsten kleinen Verse machte, müsse notwendig auch die Gabe haben einen König zu bilden. Der Prinz bekam also einen schönen Geist zum Hofmeister, der nichts vergaß um seinen Witz zu schärfen und seinen Geschmack zu verfeinern. Azor lernte die Schönheiten der Dichter empfinden, Szenen aus Tragödien deklamieren, den gemeinsten Dingen sinnreiche Wendungen geben, und zwanzig andre solche Künste, welche zur Auszierung gehören, und ihren Wert haben, wenn sie der Schmuck wesentlicher Vollkommenheiten sind. Der Prinz stellte sich auf die edelste und angenehmste Art in einer Gesellschaft dar, er sagte witzige und verbindliche Sachen, er kleidete sich mit dem besten Geschmack, und urteilte besser als jemand von allem was in dem Gebiete des Schönen liegt. Er blies die Flöte, malte ganz artig, und tanzte zum Bezaubern. Seine Feinde (denn bei aller seiner Liebenswürdigkeit fehlte es ihm nicht an Feinden) sagten ihm sogar nach, daß er in der Schwärmerei seiner ersten Leidenschaft für eine Dame des Hofes – Verse gemacht habe; Verse, welche ihm die Ungelegenheit zugezogen hätten, von den Poeten seiner Zeit einhellig zu ihrem Schutzgott erwählt, und im Eingang ihrer Gedichte oder in schallreichen Zueignungsschriften mit hungriger Beredsamkeit um seinen mächtigen Beistand und – eine Mittagsmahlzeit angerufen zu werden.

Eh ich weiter fortgehe, Sire, muß ich eines Umstandes erwähnen, der in verschiedene Teile der Geschichte von Scheschian einigen Einfluß hat, und einen Zweig der Sitten betrifft, worin die Bewohner dieses Landes von den meisten Völkern in Asien unterschieden sind. Das weibliche Geschlecht genoß bei ihnen von alten Zeiten her aller der Freiheit, in deren Besitz es bei den abendländischen Völkern ist; und unter der Sultanin Lili, welche sich eine Angelegenheit daraus gemacht hatte, die schönsten und vollkommensten Personen ihres Geschlechtes aus dem ganzen Scheschian um sich her zu versammeln, war der Hof, aus einer finstern Werkstätte der öffentlichen Geschäfte, ein Schauplatz der angenehmsten Bezauberungen der Liebe und des Vergnügens geworden.

Es konnte dem jungen Prinzen nicht fehlen, in dieser Schule gar bald zu demjenigen ausgebildet zu werden, was die Damen seines Hofes einen liebenswürdigen Mann nannten. Sie beeiferten sich in die Wette, das Werk seiner Erziehung zur Vollkommenheit zu bringen; und es ist zu vermuten, daß ihre Absichten dabei nicht so ganz uneigennützig waren als sie sich das Ansehen gaben. Azor[83] befand sich eben in der Verlegenheit, sein Herz unter so vielen reizvollen Gegenständen eine Wahl treffen zu lassen; als ihm der Tod des Königs seines Vaters eine Krone aufsetzte, von deren Wert er ziemlich romantische Begriffe haben mußte, weil sie (wie er zu einer jungen Schönen seines Hofes zu sagen beliebte) nur in so fern einigen Preis in seinen Augen habe, als er sie, zugleich mit seinem Herzen, zu den Füßen dieser kleinen Zaubrerin legen könne. Man kann aus dieser Probe sicher schließen, wie gut er in den Pflichten, die mit dieser Krone verbunden waren, müsse unterrichtet gewesen sein.

In der Tat waren diese Pflichten für Personen, welche einen so angenehmen Gebrauch von ihrem Leben zu machen wußten, als man es an dem Hofe zu Scheschian gewohnt war, allzu beschwerlich, als daß nicht ein jedes, das man damit beladen wollte, geeilet haben sollte, sich einer so mühsamen Bürde so bald nur immer möglich wieder auf die Schultern einer andern Person zu entledigen. Der junge König überließ den größten Teil davon seiner Mutter; seine Mutter ihrem Günstlinge; der Günstling seinem ersten Sekretär; der erste Sekretär seiner Mätresse; die Mätresse einem Bonzen, welcher, unter dem Vorwand an ihrer Seele zu arbeiten, Gelegenheit fand sich sehr tief in die Angelegenheiten der Welt zu mischen, und endlich eine große Rolle zu spielen, ohne einen andern Beruf dazu zu haben, als einen lächerlichen Ehrgeiz, und die Neigung zum Ränkeschmieden, die damals ein unterscheidendes Merkmal der Personen seines Standes in Scheschian war. Natürlicher Weise konnte diese Einrichtung der Sachen von keiner langen Dauer sein. Das System änderte sich, so wie die geheimen und unermüdeten Bewegungen der Regiersucht und des Eigennutzes eine Verwechselung der Personen veranlaßte. Es begegnete also, zum Beispiel, daß die besagten Pflichten zwischen der Königin-Mutter und einer Mätresse des Königs geteilt wurden; die Mätresse übertrug alsdann ihren Anteil an ihre erste Kammerfrau; diese an ihren Liebhaber; der Liebhaber an seinen vertrautesten Diener, und so fort; und was man von allen diesen Veränderungen am gewissesten sagen konnte, war, daß der Staat gemeiniglich mehr dabei verlor als gewann.«

»Ich bin zwar bereits über zwanzig Jahre Sultan«, sagte hier Schach-Gebal lächelnd: »aber ich möchte doch bei dieser Gelegenheit gerne von dir hören, Danischmend, was ihr andern weisen Leute unter den Pflichten eines Königs versteht.«

»Sire«, versetzte Danischmend, »ich habe dazu nichts anders vonnöten, als alles das Rühmliche, was Ihre Majestät getan haben, in allgemeine Sätze zu verwandeln« – –[84]

»Keine Komplimente, ein für allemal!« sagte der Sultan. »Eure Gedanken von der Sache, mit Vorbehalt meiner Freiheit davon zu denken was mir belieben wird!«

»Die Pflichten eines Königs also, sind:

Einem jeden sein Recht so bald und so wohlfeil als möglich widerfahren zu lassen, und alle Ungerechtigkeiten, die er nicht verhindern kann, zu bestrafen;

die tauglichsten Personen zu den öffentlichen Ehrenstellen und Ämtern zu befördern;

die Verdienste zu belohnen;

die Staatseinkünfte weislich anzuwenden;

und seinen Völkern sowohl innerliche Ruhe als Sicherheit vor auswärtigen Feinden zu verschaffen.

In so fern alle diese Pflichten wirklich erfüllt werden (setzt man hinzu), kann es dem Staate gleichgültig sein, ob sie der König durch sich selbst oder durch andere ausübet; genug daß er der erste Beweger aller Triebfedern desselben ist. Indessen hat es doch zu allen Zeiten Fürsten gegeben, welche durch ihr Beispiel diese Pflichten um ein Namhaftes erschwert haben. Sie glaubten ihrem Amte nicht anders genug tun zu können, als indem sie, mit Hülfe der Weisesten und Besten ihres Volkes, selbst an dem allgemeinen Wohlstande arbeiteten. Sie strebten hierin nach Erreichung eines gewissen Ideals, welches sie sich in ihrem Geiste entworfen hatten, und glaubten nicht eher glücklich zu sein, bis sie sich selbst mit einem hohen Grade von Gewißheit sagen könnten: Nun ist unter allen den Myriaden oder Millionen, deren Glück mir anvertraut ist, kein einziger, der durch meine Schuld, durch irgend eine meiner Leidenschaften, oder nur durch meine Nachlässigkeit unglücklich wäre. Sie begriffen unter dem Umfang ihrer Pflichten – eine auf die Grundregeln der Natur und die Bedürfnisse und Umstände ihres Staats gebaute Gesetzgebung; eine väterliche unmittelbare Fürsorge für die Pflanzschulen des Staats; eine zur möglichsten Vollkommenheit gebrachte Polizei; eine gerechte Schätzung und tätige Beförderung der Wissenschaften und der Künste, welche die Sitten und das Leben verschönern. Sie ließen sich nicht daran genügen, gleich den alten Königen Persiens, Augen und Ohren zu bestellen, die in ihrem Namen sehen und hören sollten: sie hielten es für ihre Schuldigkeit, mit ihren eigenen Augen zu sehen, und, damit sie recht sehen könnten, von allem, was ihrem Urteil unterworfen wurde, sich die nötigen Kenntnisse zu erwerben; einen jeden selbst anzuhören; jeden Entwurf einer Verbesserung[85] oder nützlichen Unternehmung selbst zu prüfen; die Ausführung durch ihre eigene Gegenwart zu beleben; alles Gute, das sie tun konnten, wirklich zu tun; alles Böse, das sie verhindern konnten, wirklich zu verhindern; kurz, sie begriffen so viele und mühsame Arbeiten unter dem was sie ihre Pflicht nannten, daß nur eine heroische Tugend vermögend sein kann, einen Sterblichen zu Annehmung einer Krone, unter solchen Bedingungen, zu bewegen, wenn es anders in seiner Willkür steht, sie anzunehmen oder auszuschlagen.«

»Vergiß nicht, Danischmend«, sagte der Sultan, nachdem er zweimal hinter einander gegähnt hatte, »mir morgen bei meinem Aufstehen ein Verzeichnis der sämtlichen morgen- und abendländischen Könige vorzulegen, auf welche du in dieser Beschreibung gezielt hast.«

»Das Gedächtnis Ihrer Majestät wird durch die Zahl nicht überladen werden«, versetzte Danischmend.14

»Das dacht ich wohl«, sprach der Sultan: »aber desto besser! ich liebe eine ausgesuchte Gesellschaft. – Um Vergebung, Nurmahal, Sie sollen heute nicht wieder unterbrochen werden.«

»Sire«, fuhr die Dame fort, »es ist bei dieser Bewandtnis leicht zu erachten, wie gut die Pflichten des königlichen Amtes unter der Regierung des liebenswürdigen Azors versehen wurden. Er selbst konnte keine Kenntnis davon haben. Er wußte zwar in der äußersten Vollkommenheit, was zur Anordnung eines prächtigen Festes gehörte, welches er einer Geliebten geben wollte: aber wie hätte er wissen können, was zur Anordnung eines großen Staates, zur Besorgung seiner Bedürfnisse, zur Befestigung seiner Sicherheit, zur Bewirkung seines allgemeinen Wohlstandes erfodert wird? Die Natur bildet (ordentlicher Weise wenigstens) keine Fürsten; dies ist ein Werk der Kunst, und ohne Zweifel ihr höchstes und vollkommenstes Werk: aber man hatte sich begnügt den guten Azor zu einem liebenswürdigen Edelmanne zu bilden. Da er also genötigt war, seine wichtigsten Geschäfte andern zu übertragen, und[86] da es unmöglich ist, ohne die Kenntnisse, welche ihm mangelten, eine gute Wahl zu treffen: wie konnte sich Azor, jung und unerfahren wie er war, anders helfen, als sie denjenigen zu überlassen, von denen er am günstigsten dachte, weil sie die meiste Gewalt über sein Herz hatten?15 Zum Unglück befanden sich diese in den nämlichen Umständen wie er selbst. Sie behielten also nur den leichtesten und angenehmsten Teil davon, die Ausübung einer willkürlichen Gewalt, für sich selbst, und überließen das übrige wieder an andere; und so geschah es sehr oft, daß die wichtigsten Angelegenheiten das Schicksal hatten, nach dem Gutachten eines unwissenden Bonzen, oder eines Kammerdieners, oder einer jungen, grillenhaften Schönen, oder (welches mehr als Einmal geschehen sein soll) durch den Einfall eines – Hofnarren entschieden zu werden.

Die Folgen dieser Staatsverwaltung waren so betrübt als man sich vorstellen kann. Die wichtigsten Stellen wurden nach und nach mit untauglichen Personen besetzt; die Gerechtigkeit anfangs heimlich verhandelt, und zuletzt öffentlich feil geboten; unter ihrem Namen triumphierte die Schikane; die öffentlichen Einkünfte wurden verschwendet, und die Forderungen unersättlicher Günstlinge unter die Rubrik der Staatsbedürfnisse gebracht. Alle die höhern und mühseligern Pflichten der Regierung, deren Ausübung mit keinem unmittelbaren Privatvorteil verknüpft war, wurden vernachlässiget. Das Laster, welches sich den Schutz der Großen zu verschaffen wußte, blieb unbestraft; ja es wurde nicht selten unter dem Titel des Verdienstes noch durch Belohnung aufgemuntert. In der Tat wird man wenig Regierungen finden, wo die Verdienste so häufig und so übermäßig belohnt worden wären als in dieser. Aber man wunderte sich eine lange Zeit, wie es zugehe, daß sich diese Verdienste immer nur bei den Angehörigen oder Freunden der Günstlinge fänden; man wunderte sich noch mehr, wie es zugehe, daß die Nation durch lauter Leute von Verdiensten zu Grunde gerichtet werde; und nur eine kleine Anzahl von spekulativen Leuten begriff, daß in allem diesem gar nichts sei, worüber man sich zu wundern habe.«[87]

Da der Sultan hier zum dritten Male gähnte, so wurde die Vorlesung durch einen geschickten Übergang zu einem angenehmern Gegenstande abgebrochen, wovon es dem sinesischen Autor nicht beliebt hat uns Nachricht zu erteilen.

Quelle:
Christoph Martin Wieland: Der goldne Spiegel und andere politische Dichtungen. München 1979, S. 80-88.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Spitteler, Carl

Conrad der Leutnant

Conrad der Leutnant

Seine naturalistische Darstellung eines Vater-Sohn Konfliktes leitet Spitteler 1898 mit einem Programm zum »Inneren Monolog« ein. Zwei Jahre später erscheint Schnitzlers »Leutnant Gustl" der als Schlüsseltext und Einführung des inneren Monologes in die deutsche Literatur gilt.

110 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Spätromantik

Große Erzählungen der Spätromantik

Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.

430 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon