Siebenter Auftritt

[306] Bernhard aus dem Garten zu den vorigen.


HAMATELLIWA springt auf, ihm entgegen.

Bernhard!

Ach, du bist da. – Ins Grausen dieser Nacht[306]

Trägst du wie eine unbeirrte Sonne

Dein teures Angesicht – ich träumte, Bernhard,

Furchtbaren Traum.

BERNHARD zu Satilatlas.

Wie nun? Ihr seid noch hier?

HAMATELLIWA.

O, nicht zu ihnen – mein sei Blick und Wort;

Sieh diese grimmen Jäger, die mich hetzen –

Asyl an deiner Brust, gib mir Asyl!

SATILATLAS.

Ihr haltet schlecht uns das Versprochne, Herzog.

TEMIN.

Wir suchten sie umsonst den ganzen Tag.

HAMATELLIWA.

Verstumme nicht! Er mahnt dich an Versprechen –

Bernhard, ein Wort! Sag', daß du nicht versprachst!


Pause.


BERNHARD.

Hamatelliwa, geh mit ihnen.

HAMATELLIWA.

Bernhard!!

BERNHARD.

Dein Vater heischt dich, und des Vaters Rechte

Sind größer als die meinen – kehr' zurück.

HAMATELLIWA.

Des Vaters Rechte. – Graf von Barcelona,

Wißt Ihr, daß mich mein Vater töten wird?

BERNHARD.

Das wird er dir nicht tun.

HAMATELLIWA stürzt Abdallah um den Hals.

Prophet – Prophet!

Wer lehrte dich die Schrift in diesem Herzen[307]

Zu lesen, die ich, ach, so falsch verstand?

So tut der Mann – Abdallah tritt vor ihn,

Denn du und Gott, Ihr habt's mit angehört,

Erinnre ihn des Weibes, dessen Knie

Er einst umschlang – frag' diesen Mann, Abdallah,

Ob sie gesprochen, wie er heute spricht?

BERNHARD.

Abdallah, laß; hör' mich, Hamatelliwa,

Mit Schmerzen tu' ich, was mir Pflicht gebietet.

HAMATELLIWA.

Christ, fürchte deinen Gott und lüge nicht.

BERNHARD.

Wer darf mich Lügen strafen?

HAMATELLIWA.

Deine Lippen,

Die heute wie zersprungne Glocken tönen

Und welche einst – o Mond und ew'ge Sterne,

Ihr keuschen Geister lauschender Natur,

Ihr habt gehört, wie sie zu sprechen wußten.

Dies Herz, in dem ich jeden Pulsschlag zahlte,

Nachrechnend dran die Stunden meines Glücks,

So ganz zum Bettler ward es, daß es heute

Nichts für mich hat als schal erlognen Trost.

KARL leise zu Bernhard.

Mich jammert dieses Weibes, Herzog Bernhard;

Muß es so sein, wie Ihr beschließt?

BERNHARD.

Es muß.

Fasse dich, Mädchen.

HAMATELLIWA.

Nennt mich, wie sich's ziemt.

Bernhard so geh' ich nun?

BERNHARD.

Geh und leb' wohl,

Und sei beglückt durch deines Vaters Liebe. –[308]

HAMATELLIWA.

Wie du freigebig bist mit fremder Liebe. –

Und nur weil Pflicht gebietet, nur dem Rechte

Des Vaters beugend, scheidest du?

BERNHARD.

Nur darum.

HAMATELLIWA.

Kein Vorwurf quält dich? Treulos wardst du nicht?

Im Herzen, wo Hamatelliwa wohnte,

Lebt jetzt kein ander Bild? Kein ander Weib?

BERNHARD.

Nein.

HAMATELLIWA.

Nein und nein. Du Fels, an dem ich scheitre –

Wer war's, den ich im Garten sah?

BERNHARD.

Im Garten?

HAMATELLIWA.

Wo ich auf dunkel schwellndem Rasensitz,

Verborgen ganz von hangenden Gebüschen,

Verstohlen wie ein schuldiges Gewissen,

Jetzt eben einen Mann sah –

BERNHARD.

Was soll mir das –

HAMATELLIWA.

Und tief in dieses Mannes Arm geschmiegt

Haupt dicht an Haupt, und flüsternd bang und süß,

Worte, wie man sie lernt an Bernhards Herzen –

Ein Weib –

BERNHARD.

Nehmt sie hinweg.

HAMATELLIWA.

Warum erschrickst du?

Wär's so und wußtest du von diesem Weib?

ABDALLAH blickt nach dem Garten.

Ah – was ist das? Im Garten –[309]

KARL.

Was, im Garten?

ABDALLAH.

Kam eben jetzt ein Weib den Gang herauf,

Ganz eingehüllt in langen, dunklen Schleier,

Und da sie uns erblickte, trat sie seitwärts

In das Gebüsch.

KARL.

Im langen, dunklen Schleier?

Was ficht mich an? Laßt sehn –


Er geht auf den Garten zu; Bernhard vertritt ihm den Weg.


BERNHARD.

Bleibt, König Karl!

KARL zu Abdallah.

Welch nächtliches Geheimnis spinnt sich hier?

Sahst du in ihr Gesicht?

ABDALLAH.

Laßt, gnädiger Herr,

Die Frau hat nichts zu tun mit dieser Sache,

Denn trog mein Auge nicht, so war's –

KARL.

So war's?

ABDALLAH.

Laßt, gnäd'ger Herr –

KARL.

So war's?

ABDALLAH.

Die Kaiserin.

KARL.

Die Kaiserin?

HAMATELLIWA zu Bernhard.

In langem, dunklem Schleier

Saß jenes Weib geschmiegt an deine Brust!!

BERNHARD.

Wagst du, zu lästern meine Kaiserin?


Er reißt einen Dolch vom Gürtel und stößt ihn Hamatelliwa in die Brust.
[310]

HAMATELLIWA.

Ach – konnt'st du das mir tun?


Sie sinkt in Abdallahs Arme.


ABDALLAH.

Hamatelliwa!

KARL.

O blut'ge, blut'ge, allzuschnelle Tat!

HAMATELLIWA um welche die Mauren in dumpf betäubter Gruppe stehen.

Laß mich dein Antlitz sehn, greiser Abdallah,

Es gleicht dem seinen – geh' zum Vater heim

Und wenn er zürnt, so sag' ihm, was du sah'st,

Dann wirst du sehn, was du nie sah'st zuvor.

Tränen in El Moheiras Heldenaugen.

Kein Weib auf Erden trug je Schuld, wie ich;

Kein Weib auf Erden litt je solche Buße.


Stirbt.


SATILATLAS.

Meineidiger, verräterischer Christ!

TEMIN.

Rache für unsre Herrin!

SATILATLAS.

Wahre dich!


Sie ziehen.


BERNHARD zieht.

Kommt an, ich bin dabei! Die Klinge hier

Durchschnitt so manchen Turban schon.


Quelle:
Ernst von Wildenbruch: Gesammelte Werke. Band 7, Berlin 1911–1918, S. 306-311.
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