Blutbrüderschaft

[41] Hier bei der Eichengruppe war's.

Der greisen Bäume knorrige Reckenglieder

Umsproß das bronzegelbe Frühlingslaub

Wie Kinderlocken zart.

Die schwarze Drossel schlüpfte durch die Äste,

Dem Liebchen flötend und ihr Nestlein planend.

Ein holdes Wunder, sprang aus violettem

Schlehdorn der mandelduftige Blütenschnee,

Und weich wie Mädchenkosen schmiegte sich

Der Rasen, mit Ranunkelgold verbrämt,

Um Torfmoor, dürres Schilf und Sumpfgelände.

Dort, wo noch jüngst der Öde Schauer hausten,

Erscholl der Fröschlein breites Lenzbehagen.

Und sieh, gespreizten Fittichs, nahte lüstern

Der erste Storch.

Vom Horizonte hob sich ein Gebirg

Aus Wetterdunst, im veilchendunkeln Schoß

Ein Tropfenmeer bereitend.

Und wie ein Jauchzen brach die Abendsonne

Hervor, purpuren das Gewölk benetzend,

Und schaute einmal noch mit Feuerblick

Tief ihren Frühling an ...


Da war's, da rührte mich der selige Tod:

Aus diesen Adern blutete die Seele,[42]

Und rann erschauernd

Durch Eiche, Wolke, Wiese, Sumpf und Sonne.

Aus diesen Adern blutete die Seele,

Blutbrüderschaft zu schließen mit dem All ...

Und alles war nun mein/ und ich war sein/

Heimlich gehegt, ein süßer Herzensschatz.

Quelle:
Bruno Wille: Der heilige Hain. Jena 1908, S. 41-43.
Lizenz:
Kategorien: