Ich und Du

[16] Wir hielten uns umschlungen;

Nachtodem hauchte mild,

Der Junimond durchblaute

Gebüsch und Grasgefild.


Ich staunte in die Landschaft;

Die lag so fremd. Doch klang

Geheim aus Sternenmeeren

Ein heimatlicher Sang.


Ich staunte in dein liebes,

Mondbleiches Angesicht/

Auf deiner Augen Grunde

Erglomm ein fremdes Licht.


Und dich auch sah ich staunen;

Die Lippen zuckten stumm.

So weh war unsre Liebe/

Wir ahnten wohl, warum.


So weh/ ob Mund an Munde

Auch süßen Taumel trank;

So weh/ ob Aug in Auge

Auch liebetief versank.
[17]

Wir fühlten, Herz an Herzen,

Wie ewig dich und mich

Ein banger Abgrund scheidet/

Wir sind ja du und ich!


Wir schluchzten auf/ vor Heimweh!

Die Heimat liegt so weit,

Dort hinter Sternenmeeren,

Weit, in der Ewigkeit.


Dort in der Heimat findet

Dies bange Schmachten Ruh:

Es fließen ineinander/

O selig/ ich und du.

Quelle:
Bruno Wille: Der heilige Hain. Jena 1908, S. 16-18.
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