Tristans Heimkehr

[6] O Schwester fern im Sternenland!

Ich grüße dich mit heißem Weinen;

All meine Tiefen sind entbrannt,

Mich deinem Lichte fromm zu einen.


Du mahnest an den Vatergrund,

Der uns einander eingeboren.

Ein Sündenwahn zerriß den Bund/

Mein Garten Eden ging verloren.


Geschieden aus der Ewigkeit,

Trieb ich der Fremde nach vermessen.

Fort spülte mich die Woge Zeit/

Und meine Schwester war vergessen.


Doch eines Nachts am Felsenstrand,

Als dumpf das Lied der Öde toste,

Da ward ich heimlich süß gebannt,

Weil mich ein Sternenauge koste.


Du warst es, und ich sog den Seim

Der alten Lieb aus diesem Auge.

Nun fühl ich treu, wo ich daheim,

Und daß ich noch zur Heimkehr tauge.
[7]

Nun trag ich treu der Fremde Not

Und sehne mich zur Strahlenferne/

Bis alle Fremdheit in mir tot ...

O selig Grab im Schwestersterne!

Quelle:
Bruno Wille: Der heilige Hain. Jena 1908, S. 6-8.
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