Frühlingsregen

[15] Die grauen Wolken flogen,

Umwölbend das Gefild,

Und nieder kam gezogen

Ein Regen warm und mild.

Nun träufelt der Erquickung Thau,

Es dampft die zartbegrünte Au;

Die Erde hat gesogen

Und ihren Durst gestillt.


Ein Duft von jungem Leben

Den kühlen Hain durchdringt;

Die Knospen wonnig beben,

Und sachtes Tröpfeln klingt.

Durch Erlenbüsche streift der Wind,

Mit feuchtem Haar – ein heitres Kind;

Ein Säuseln läßt er schweben

Aus dem Gezweig und singt:
[16]

»Sonne, erschließe

Das himmlische Blau,

Goldglanz gieße

Auf grüne Au!

Ihr gebadeten Blumen,

Laßt die feuchten

Äuglein leuchten!

Ich schüttle von schwanken Erlen

Zum Spiel euch glitzernde Perlen. –

Solch bunte Perlen woben

Die schwebende Brücke droben

Am blauen Himmelssee.«

Quelle:
Bruno Wille: Einsiedler und Genosse. Berlin 1894, S. 15-17.
Lizenz:
Kategorien: