Dritter Auftritt

[42] Aubry rechts. Davenaut in der Mitte. Malwina links.


MALWINA eilt Davenaut entgegen. Vater! Vater! Edgar ist zurück!

DAVENAUT. Sir Aubry, seid mir herzlich willkommen! Er reicht Aubry die Hand. Einen wichtigen Dienst habt Ihr dem Hause Davenaut geleistet. Doch was Ihr thatet, fällt auf Euch selbst zurück.

MALWINA für sich. Was hör' ich!

DAVENAUT fortfahrend. Denn auch Ihr seid ein Sprosse dieses erlauchten Hauses, und je größer Glanz und Reichtum des Lords, je mehr Ruhm und Ehre für alle Glieder des Stammes. Doch fühl' ich mich Euch sehr verpflichtet, nehmt meinen Dank und Euer Glück sei künftig Eures Vaters Sorge.

AUBRY. Sir, diese Güte –! Er küßt seine Hand.

MALWINA. O mein Vater!

DAVENAUT. Meine Tochter! Er umarmt sie feierlich und führt sie etwas nach links hinüber. Wohl habe ich oft gemurrt, daß mir kein Sohn geboren, daß der Name Davenaut, seit Jahrhunderten einer der edelsten in Schottland, mit mir aussterben soll. Komm an mein Herz, geliebte Tochter! Der Tag, der dich mir heut' vor achtzehn Jahren gab, er wird auch heut' durch dich mir einen Sohn geben, wert meines Hauses, deiner Liebe wert.

MALWINA. Mein Vater!

DAVENAUT. Ich habe längst bemerkt, was mir dein Mund verschwiegen; besorglich schien dein scheuer Blick mich oft zu fragen, soll ich allein dastehn, wenn mich mein Vater einst verläßt? Erraten hab' ich deinen Wunsch, und deiner Bitte komme ich zuvor, ich grüße dich als Braut.[42]

MALWINA. O mein Vater, diese Güte! Sie wirft sich in seine Arme.

DAVENAUT nach einer Pause. Ihr steht so fern, Sir Aubry? Nehmt Ihr nicht teil an unserer Freude?

AUBRY eilt freudig zu Davenaut. O Gott! Wär's möglich? Dürft' ich hoffen?

DAUVENAUT. Glaubt Ihr, ich wolle Euer Schuldner bleiben? Zwar seit Ihr meinem Hause nur fern anverwandt, doch Ihr seid ihm verwandt, dieses genügt mir, und ich versprach, für Euer Glück zu sorgen. Edelmut ist die angeerbte Tugend jedes hochländischen Edelmanns und der Name meines Schwiegersohns, er sei Euch Bürge, daß er stets in meinem Geiste handeln wird: Es ist der Graf von Marsden!

Aubry und Malwina treten entsetzt von Davenaut zurück.

Nr. 8. Terzett.


MALWINA außer sich.

Wie? Mein Vater!

AUBRY beiseite.

Weh, verloren!

DAVENAUT.

Ja, es ist der Graf von Marsden.

MALWINA.

Wie? Mein Vater!

AUBRY beiseite.

Weh, verloren!

DAVENAUT.

Ja, ja, es ist der Graf von Marsden,

Den ich mir zum Sohn, zum Sohn erkoren.

MALWINA.

Wie, wer ist's?

AUBRY.

Wie, wer ist's?

MALWINA.

Der Graf von Marsden?

AUBRY.

Der Graf von Marsden?

AUBRY UND MALWINA.

Der Graf von Marsden?

DAVENAUT.

Ja, ja, es ist der Graf von Marsden,

Den ich mir zum Sohn erkoren!


Für sich.


Ha, die Wahl scheint sie zu freuen!

MALWINA.

Wie, mein Vater! Wie, wer ist's?

AUBRY.

Weh, verloren! Weh, verloren! Weh, verloren!

AUBRY UND MALWINA beiseite.

Ach, mein Glück war nur ein Traum,

Mußt' er mich so schnell verlassen?[43]

Weh, dies Unglück ganz zu fassen,

Hat mein armes Herz nicht Raum!

DAVENAUT für sich.

Ha, die Wahl scheint sie zu freun!


Laut.


Ja, er ist an Rang und Adel,

Wie durch Sitten ohne Tadel,

Wert ein Davenaut zu sein! –

MALWINA knieend.

Sieh mich hier zu deinen Füßen;

Vater, kannst du mir verzeihn?

Vater, ach, dem Grafen Marsden

Kann ich nimmer Gattin sein!

DAVENAUT.

Wie, was hör' ich? Ha, ist's möglich!

MALWINA.

Dieses Herz –

DAVENAUT.

Wie?

MALWINA.

Hat schon gewählt.

DAVENAUT.

Ha! Ist's möglich!

MALWINA.

Ach, ich fühl's, ich hab' gefehlt,

Daß ich's dir bis jetzt verschwiegen.

DAVENAUT.

Wer ist der Verwegne? Sprich!

AUBRY knieend.

Sieh ihn hier im Staube liegen!

DAVENAUT.

Ha, vor Zorn kaum halt' ich mich!

Wie, Verworfner! dürft Ihrs wagen,

Dies ins Antlitz mir zu sagen?

AUBRY flehend.

Ach, seit meiner Kindheit Tagen

Hat dies Herz für sie geschlagen,

Eure Tochter zu beglücken

Soll mein einzig Streben sein!

DAVENAUT.

Fort, ihr fleht vergebens, fort! –

Mir ins Antlitz dies zu sagen! –

Ha, Verwegner, dürft Ihr's wagen? –

Ha, vor Zorn kaum halt' ich mich!

Wie, Verwegne, dürft ihr's wagen,

Dies ins Antlitz mir zu sagen! Fort!

MALWINA flehend.

Ach, seit meiner Kindheit Tagen

Hat dies Herz für ihn geschlagen,[44]

Habe Mitleid, deine Tochter

Kann mit ihm nur glücklich sein!

DAVENAUT.

Ihr fleht vergebens!

MALWINA.

Vater!

DAVENAUT.

Fort, ihr fleht vergebens –

Denn der Graf, er hat mein Wort!

AUBRY.

Habt Mitleid!

MALWINA.

O Vater!

DAVENAUT.

Und noch niemals ward gebrochen,

Was ein Davenaut versprochen!

MALWINA.

O mein Vater – habe Mitleid!

Habe Mitleid, deine Tochter

Kann mit ihm nur glücklich sein!

Aubry und Malwina erheben sich.


MALWINA für sich.

Ach! Sein Zorn raubt mir für immer

Jeden leisen Hoffnungsschimmer.

Wehe mir, sein stolzer Sinn

Giebt mich der Verzweiflung hin.

AUBRY für sich.

Nimmer wird es mir gelingen,

Seinen Hochmut zu bezwingen –

Wehe mir! Sein stolzer Sinn

Giebt mich dem Verderben hin.

DAVENAUT für sich.

Nein, des Vaterherzens Schwächen

Dürfen meinen Stolz nicht brechen;

Dieses Herz erfülle ganz

Meines Hauses Ruhm und Glanz!

AUBRY für sich.

Nimmer wird es mir gelingen,

Seinen Hochmut zu bezwingen!

Wehe mir, sein stolzer Sinn

Giebt mich dem Verderben hin!

Ach, sein Stolz raubt mir für immer

Jeden leisen Hoffnungsschimmer.

Wehe mir, sein stolzer Sinn

Giebt mich dem Verderben hin!


Er steht abgewendet rechts.
[45]

DAVENAUT für sich.

Nein, des Vaterherzens Schwächen

Dürfen meinen Stolz nicht brechen;

Dieses Herz erfülle ganz

Meines Hauses Ruhm und Glanz!

MALWINA für sich.

Ach, sein Zorn raubt mir für immer

Jeden leisen Hoffnungsschimmer.

Wehe mir, sein stolzer Sinn

Giebt mich der Verzweiflung hin!


Sie wankt zu einem Sessel links und nimmt dort Platz.


Trompetenruf außerhalb.

Der Diener George Dibdin kommt durch die Mitte.


Quelle:
Heinrich Marschner: Der Vampyr. Dichtung von Wilhelm August Wohlbrück, Leipzig [o. J.], S. 42-46.
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