|
[48] Aubry abgewendet rechts. Ruthwen und Davenaut in der Mitte. Malwina am Tisch links. Die Landleute rechts zurückstehend. Die Jäger mit George vor der Mittelthür. Das Ballett vor den Jägern. Die beiden Diener an der Thür rechts.
Malwina erhebt sich.
CHOR DER JÄGER UND LANDLEUTE schwenkt die Fahnen und Hüte.[48]
Heil! – Heil! – Heil! – Heil,
Heil jedem, der mit ihm verwandt!
Sie bilden einen großen Halbkreis.
DAVENAUT.
Hier, Malwina, ist der Mann,
Den ich deiner wert erachte,
Wert des Hauses Davenaut.
RUTHWEN geht an Davenaut vorüber zu Malwina.
Eure Wahl zwar macht mich froh,
Doch beglückt wär ich nur dann,
Wenn Myladys Aug' mir freundlich lachte.
MALWINA schüchtern, ohne ihn anzusehen.
Werter Sir!
Sie sieht ihn an.
Ha! – Wehe mir!
Sie wankt und sinkt wie tödlich getroffen zusammen.
Die nahestehenden Mädchen stützen sie und beschäftigen sich um sie.
AUBRY sich wendend und jetzt erst Ruthwen ansehend, für sich.
Gott, wen seh ich!
Ruthwen tritt an Davenaut vorüber, zu ihm.
DAVENAUT für sich, zu Malwina gewendet.
Unbegreiflich!
AUBRY.
Seh ich recht – du bist – Lord Ruthwen!
RUTHWEN ruhig.
Nein, Sir! Ruthwen ist mein Bruder,
Der auf Reisen schon seit Jahren
Auf dem festen Lande ist.
Lieb ist mir es, zu erfahren,
Was Ihr etwa von ihm wißt.
AUBRY verwirrt.
Was ich weiß? – Er war ja heut' –
RUTHWEN ihn durch seinen Blick beeinflussend.
Nun?
AUBRY noch verwirrter.
Wehe! – Nein, Sir – ich weiß nichts –
Täuschend ist die Ähnlichkeit
Seines – Euren Angesichts.
Für sich.
Schneidend, wie ein gift'ger Pfeil
Zuckt sein Blick mir durch die Seele,
Diese Ähnlichkeit des Bruders,
Das bedeutet nimmer Heil.
[49] RUTHWEN für sich.
Schneidend, wie ein gift'ger Pfeil
Zuckt sein Blick mir durch die Seele,
Ha, den Träumer hier zu finden,
Das bedeutet nimmer Heil.
DAVENAUT für sich.
Schneidend, wie ein gift'ger Pfeil
Zuckt sein Blick mir durch die Seele,
Seinen Stolz so zu beleid'gen,
Das bedeutet nimmer Heil.
MALWINA für sich.
Schneidend, wie ein gift'ger Pfeil
Zuckt sein Blick mir durch die Seele,
Daß mein Innres vor ihm bebet,
Das bedeutet nimmer Heil.
Sie steht regungslos.
CHOR unter sich.
Schneidend, wie ein gift'ger Pfeil
Zuckt sein Blick ihr durch die Seele,
Daß ihr Innres vor ihm bebet,
Das bedeutet nimmer Heil.
DAVENAUT.
Nun, Malwina, ist das Sitte?
Weißt du deinen Bräutigam
Freundlicher nicht zu empfangen?
Er geht nach hinten, spricht, Befehle gebend, mit George und den Dienern und unterhält sich mit den Landleuten.
Malwina erhebt sich mühsam und wendet sich zu Ruthwen.
RUTHWEN zu Davenaut.
Laßt sie, werter Sir, ich bitte.
MALWINA zu Ruthwen, beklommen.
Sir, ich weiß nicht, wie es kam,
Daß ein grausend seltsam Bangen –
RUTHWEN unterbrechend.
Schöne Lady, o verzeiht!
Wie die junge Rose lacht,
Die am Wege einsam blüht,
Hat im innersten Gemüt
Euer Anblick mich erfreut;
Hoffen will ich, daß die Zeit
Euch mein armes Angesicht
Wenigstens erträglich macht.
Er spricht leise mit Malwina.
[50]
AUBRY der Ruthwen nicht aus den Augen gelassen hat, für sich.
Nein, mein Auge täuscht mich nicht,
Wie er lacht und wie er spricht,
Alles zeigt es deutlich mir,
Ruthwen ist es, der Vampyr!
Er tritt zu Ruthwen und berührt ihn leicht; laut.
Sir, zwei Worte nur, ich bitte!
Er geht mit einigen Schritten nach rechts.
Ruthwen folgt ihm nach dort.
Davenaut ist inzwischen, Malwina zur Linken, nach vorn gekommen.
Malwina wendet sich unter flehenden Gebärden zu ihm und bittet ihn mit leisen Worten, das Unglück von ihr abzuwenden.
AUBRY leise und bestimmt zu Ruthwen.
Entsetzlicher, ich habe dich erkannt!
Hier auch die Narb' an deiner Hand!
Unglücksel'ger, darfst du es wagen,
Zu ihr die Augen aufzuschlagen,
Grauses Scheusal der Natur!
RUTHWEN leise und energisch.
Still! Gedenk' an deinen Schwur!
Davenaut hat sich inzwischen wieder, Befehle erteilend, nach hinten zu George gewendet und tritt nun zwischen Ruthwen und Malwina vor.
Malwina stützt sich auf die Lehne des Sessels zu ihrer Linken.
DAVENAUT.
Der Priester ist bestellt, geladen sind die Gäste,
Bereitet alles nun zum frohen Hochzeitsfeste,
Denn ehe noch die Mitternacht entschwunden,
Bist du auf ewig mit ihm verbunden.
MALWINA außer sich.
Ach, mein Vater!
AUBRY leise zu Ruthwen.
Ich beschwöre Euch!
MALWINA.
Ach, diese Eile, gönnt mir Frist,
Wen'ge Tage bitt' ich!
DAVENAUT.
Schweig'!
AUBRY laut zu Davenaut.
Sir, verschiebt's bis morgen nur!
DAVENAUT.
Nein, unmöglich!
MALWINA.
Ach, mein Vater!
Sie wankt zurück in den Sessel.
[51]
AUBRY entschlossen auf Davenaut zutretend.
Nun, so wißt –
RUTHWEN ihn mit einer kraftvollen Gebärde zurückhaltend, leise.
Still! gedenk' an deinen Schwur!
DAVENAUT.
Heute noch, ich gab mein Wort,
Morgen muß der Graf schon fort!
Zum Gesandten, wie bekannt,
Nach Madrid ist er ernannt,
Seine Zeit gebeut zu eilen.
AUBRY.
Laßt ihn nur bis morgen weilen.
Sir, seid nicht so fest gesinnt.
Ach, verschiebt's bis morgen nur,
Und Ihr rettet Euer Kind!
Davenaut macht, indem er sich nach Malwina wendet, eine abwehrende Bewegung.
Aubry will wie vorher wieder auf ihn zu.
Ruthwen hält ihn wiederholt zurück.
Davenaut spricht mit Malwina.
RUTHWEN.
Still! gedenk' an deinen Schwur!
AUBRY wankt nach rechts, für sich.
Ha, kaum halt' ich mich vor Wut!
Doch mein Schwur hält mich gefangen.
Weh mir, seine blassen Wangen
Lechzen schon nach ihrem Blut.
Stimmen der Hölle, die mich umklingen,
Höhnen mir zu: die That muß gelingen.
RUTHWEN für sich.
Lachen kann ich seiner Wut,
Denn sein Schwur hält ihn gefangen.
Mägdlein mit den Rosenwangen,
Bald ist mein dein süßes Blut.
Stimmen der Geister, die mich umklingen,
Jubeln mir zu: die That muß gelingen.
MALWINA erhebt sich, beiseite.
Freudig bin ich mir bewußt,
Daß so lang dies Herz wird schlagen,
Nimmer ich ihm werd' entsagen;[52]
Dies Gefühl hebt meine Brust!
DAVENAUT für sich.
Freudig bin ich mir bewußt,
Daß das Band, das ich geschlungen,
Meinem Hause Ruhm errungen;
Dies Gefühl hebt meine Brust!
RUTHWEN für sich.
Freudig bin ich mir bewußt,
Ehe noch die Frist verronnen,
Ist dies Opfer mir gewonnen;
Dies Gefühl hebt meine Brust!
MALWINA für sich.
Freudig bin ich mir bewußt,
Daß so lang dies Herz wird schlagen,
Nimmer ich ihm werd' entsagen;
Dies Gefühl hebt meine Brust!
AUBRY für sich.
Freudig bin ich mir bewußt,
Eh' nicht meine Kräfte schwinden,
Wird er nicht sein Opfer finden;
Dies Gefühl hebt meine Brust!
CHOR DER JÄGER UND LANDLEUTE im Halbkreis.
Wie nach verderblichem Wettergetose
Lächelt die Rose mit freundlichem Blick,
Blume des Hochlands, du Davenaut-Rose,
Wende sich jede Gefahr dir zum Glück!
DAVENAUT zu den Jägern und Landleuten zurücktretend.
Zum Feste lad' ich euch alle ein,
Jubeln soll alles und fröhlich sein!
Die Jäger und Landleute danken jubelnd durch Verbeugungen.
DAVENAUT sehr wichtig vortretend.
Denn heute noch, ich schwör' es laut,
Führt Marsden zum Altar die Braut.
Der ganzen Herrschaft mögt ihr verkünden,
Daß Marsden sich und Davenaut verbinden.
CHOR DER JÄGER UND LANDLEUTE freudig etwas vortretend.
Singet laut und jubelt froh,
Daß es tönt durchs ganze Land,
Heil, Heil dem Hause Davenaut,[53]
Heil jedem, der mit ihm verwandt!
AUBRY, RUTHWEN, DAVENAUT, MALWINA jedes für sich.
Furchtbar eilend drängt die Zeit
Und vom Ziel bin ich noch weit,
Doch ich will nicht zittern.
CHOR DER JÄGER UND LANDLEUTE freudig.
Singet laut und jubelt froh,
Daß es tönt durchs ganze Land!
AUBRY, DAVENAUT, MALWINA jedes für sich.
Wer der eignen Kraft vertraut,
Und auf Gottes Hilfe baut,
Den kann nichts erschüttern!
RUTHWEN für sich.
Wer der eignen Kraft vertraut,
Wer der Hölle Macht geschaut,
Nichts kann ihn erschüttern!
CHOR DER JÄGER UND LANDLEUTE.
Heil dem Hause Davenaut,
Jedem, der mit ihm verwandt!
AUBRY, DAVENAUT, MALWINA jedes für sich.
Mögen sich die Wolken türmen,
Mag es brausen, mag es stürmen,
Nichts soll mich erschüttern!
Furchtbar eilend drängt die Zeit,
Und vom Ziel bin ich noch weit,
Doch ich will nicht zittern!
Wer der eignen Kraft vertraut,
Und auf Gottes Hilfe baut,
Den kann nichts erschüttern!
RUTHWEN für sich.
Mögen sich die Wolken türmen,
Mag es brausen, mag es stürmen,
Finstre Nacht die Zukunft decken,
Höhnend uns das Schicksal necken,
Wer der Hölle Macht geschaut,
Ist mit Grausen schon vertraut,
Ihn kann nichts erschüttern![54]
CHOR DER JÄGER UND LANDLEUTE.
Heil! Heil! – Heil! Heil dem Hause Davenaut!
Heil jedem, der mit ihm verwandt!
Auf, singet laut, singet laut, jubelt froh!
Singet laut und jubelt froh,
Daß es tönt durchs ganze Land!
AUBRY, DAVENAUT, MALWINA jedes für sich.
Wer auf Gottes Hilfe baut,
Den kann nichts erschüttern,
Wenn es blitzet, wenn es kracht,
Sieht er nur des Himmels Macht,
Lachet bei Gewittern.
Wer auf Gottes Hilfe baut,
Den kann nichts erschüttern!
Bei des Unglücks grauser Nähe
Schwillt sein Mut zu Riesenhöhe,
In der Elemente Toben
Hebt er seinen Blick nach oben,
Wenn es blitzet, wenn es kracht,
Sieht er nur des Himmels Macht!
RUTHWEN für sich.
Bei des Unheils grauser Nähe
Schwillt sein Mut zu Riesenhöhe,
Grinsend blicket er nach oben!
Wenn es blitzet, wenn es kracht,
Freut er sich des Bösen Macht!
Bei des Unglücks grauser Nähe
Schwillt sein Mut zu Riesenhöhe,
Grinsend blicket er nach oben
In der Elemente Toben!
Wenn es blitzet, wenn es kracht,
Freut er sich des Bösen Macht!
CHOR DER JÄGER UND LANDLEUTE.
Heil dem Hause Davenaut,
Heil jedem, der mit ihm verwandt!
Heil! Heil! Heil! Heil! – Heil! – Heil! –[55]
Singet laut und jubelt froh,
Daß es tönt durchs ganze Land!
Heil, Heil dem Hause Davenaut!
AUBRY, DAVENAUT, MALWINA jedes für sich.
Ach, vom Ziel bin ich noch weit,
Doch ich will nicht zittern!
Wer der eignen Kraft vertraut,
Und auf Gottes Hilfe baut,
Den kann nichts erschüttern!
RUTHWEN für sich.
Wer der Hölle Macht geschaut,
Ist mit Grausen schon vertraut,
Nichts kann ihn erschüttern!
CHOR DER JÄGER UND LANDLEUTE die Fahnen und Hüte schwenkend.
Heil! Heil! – jedem, der mit ihm verwandt!
Singet laut und jubelt froh,
Daß es tönt durchs ganze Land!
Heil, Heil dem Hause Davenaut!
Heil, Heil! – Heil, Heil! –
Heil dem Hause Davenaut!
Das Ballett bildet Spalier bis zur Mittelthür.
Die Dienerschaft geht voraus.
Davenaut reicht Malwina die Hand zum Abgehen.
Ruthwen bannt Aubry durch seinen Blick, ihn dadurch von weiteren Schritten abhaltend. Malwina sinkt ohnmächtig nieder.
Allgemeine Bestürzung.
[56]
Buchempfehlung
Die Geschichte des Gaius Sempronius Gracchus, der 123 v. Chr. Volkstribun wurde.
62 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.
428 Seiten, 16.80 Euro