Antikonie.

[532] Wer auch gen Beaurosch war gekommen,

Doch hatte Gawan da genommen

Den Preis allein auf beiden Seiten;

Nur Ein Ritter könnt ihn ihm bestreiten,

Bei rothen Waffen unbekannt,

Des Preis die höchste Höhe fand.


Gawan hatte Ehr und Heil,

An beiden seinen vollen Theil;

Nun naht' auch seines Kampfes Zeit.

Lang war der Wald und weit,

Den er hatte zu durchstreichen,

Dem Kampf nicht zu entweichen,

Zu dem er schuldlos war erwählt;

Da Ingliart ihm leider fehlt,

Sein Ross mit kurzen Ohren:

Zu Tabronit von Mohren

Ward nie ein beßer Ross ersprengt.

Nun ward der Wald bunt gemengt,

Hier ein Busch und dort ein Feld,

So schmal noch manches, daß ein Zelt[533]

Platz kaum fände dazustehn.

Gebautes Land dann sollt er sehn,

Das hieß mit Namen Askalon.

Da fragt' er nach Schamfanzon

Alle Leute, die er fand.

Hoch Gebirg und sumpfig Land

Hatt er schon durchmeßen viel.

Eine Burg ihm in die Augen fiel,

Die glänzte schön im Sonnenschein;

Da kehrte dieser Fremdling ein.


Nun hört von Aventüre sagen

Und helft mir auch dabei beklagen

Gawanens großen Kummer.

Ob ich weiser sei ob dummer,

Doch thut es aus Geselligkeit

Und trauert mit mir um sein Leid.

O weh, nun sollt ich schweigen;

Doch nein, laßt ihn sich neigen,

Der sonst das Glück herbeigewinkt,

Und jetzt in Ungemach versinkt.


Die Burg war so stolz und hehr,

Daß Karthago nimmermehr

So herrlich vor Aeneas stand,

Als Tod um Minne Dido fand.[534]

Meld ich euch wie mancher Saal

Da prange, all der Thürme Zahl?

Sie genügten wohl für Akraton,

Die Stadt, die nach Babylon

Den weitsten Umfang gewann,

Wenn man den Heiden glauben kann.

Sie war so hoch im Kreiß umher

Und wo sie abschoß nach dem Meer,

Sie brauchte keinen Sturm zu scheun

Noch ungefügen Haßes Dräun.


Meilenbreit lag ein Plan

Vor ihr: darüber ritt Gawan.

Fünfhundert Ritter oder mehr

(Einer war vor Allen hehr)

Entgegen kamen ihm geritten

In lichten Kleidern wohl geschnitten.

Wie mir die Aventüre sagte,

Ihr Federspiel den Kranich jagte

Oder was vor ihnen flog.

Ein spanisch Streitross schnell und hoch

Ritt der König Vergulacht;

Sein Blick war Tag wohl bei der Nacht.

Sein Geschlecht entsandte Mazadan

Aus dem Berge Feimorgan;

Denn er stammte von den Feien.[535]

Als sähe man den Maien

Blühen in der Rosenzeit,

So war des Königs Lieblichkeit.

Wohl bedäuchte Gawan,

Da er so blühend ritt heran,

Es wär der andre Parzival,

Oder Gahmuret dazumal

Als er, wie diese Märe weiß,

Einzug hielt in Kanvoleis.


Zu einem sumpfgen Weiher

Vor Falken floh ein Reiher.

Der König der die Furt nicht fand,

Als er den Falken beistand,

Wurde naß in dem Moor.

Sein Ross er noch dazu verlor

Und seine Kleider allzumal

(Doch die Falken schied er von der Qual);

Die Falkner nahmen Alles hin.

War ihnen solches Recht verliehn?

Es war ihr Recht, sie solltens haben,

Es ließ sich aus dem Recht nicht schaben.

Ein ander Ross ward ihm geliehn;

Auf immer gab er seins dahin.

Man zog auch ander Kleid ihm an,

Da seins die Falknerzunft gewann.
[536]

Da kam Gawan herzugeritten.

Fürwahr, da sah man höfsche Sitten:

Man empfieng ihn beßer wohl,

Als man einst zu Karidol

Erecken sah empfahen,

Da er Artusen nahen

Wollte nach dem Streite

Und Enit an seiner Seite

War seiner frohen Ankunft Zier.

Ein Zwerg hatt ihn, Maliklisier,

In Ginoverens Gegenwart

Geschlagen mit der Geisel hart:

Zu Tulmein must er das rächen,

Wo im weiten Kreiß ein Stechen

Ward um den Sperber angestellt.

Ider Fils Noit der kühne Held

Wars, der ihm da Fianze bot,

Denn anders mied er nicht den Tod.


Doch laßt es dort und horchet her:

Sicher habt ihr nimmermehr

Schönern Empfang vernommen.

Weh, das wird schlimm bekommen

König Lotens werthem Sohn.

Wollt ihr, so steh ich ab davon,

Euch das Weitre zu berichten,[537]

Aus Mitleid will ich drauf verzichten.

Doch vernehmet noch aus Güte,

Wie ein lauter Gemüthe

Fremde Falschheit konnte trüben.

Soll ichs noch ferner üben,

Diese Mär euch zu sagen,

Werdet ihrs mit mir beklagen.


Da sprach der König Vergulacht:

»Herr, so hab ich mirs bedacht:

Reitet Ihr zur Burg herein.

Kanns mit euern Hulden sein,

Möcht ich euch weiter nicht begleiten.

Kränkt euch jedoch mein Weiterreiten,

So sei mein Jagen eingestellt.«

Da sprach Gawan, der werthe Held:

»Herr, Was ihr zu thun geruht,

Recht ist immer, daß ihrs thut:

Ich spare darum meinen Haß,

Mit gutem Willen thu ich das.«


Der König sprach von Askalon:

»Herr, ihr seht wohl Schamfanzon.

Meine Schwester wohnt dort, eine Magd:

Was je von Schönheit ward gesagt,

Davon hat Sie das vollste Theil.[538]

Rechnet Ihr es euch zum Heil,

So wird mein Bote sie bewegen,

Euch an meiner Statt zu pflegen.

Ich komme früher als ich soll,

Denn gern entbehrt ihr meiner wohl,

Wenn ihr meine Schwester seht:

Ihr klagt nicht, komm ich noch so spät.«


»Ich seh Euch gern und gerne Sie.

Doch haben Königinnen nie

Wirthespflicht an mir gethan,«

So sprach der stolze Gawan.

Einen Ritter sandt er mit ihm ein

Und gebot der Schwester sein,

Ihn zu pflegen, daß die längste Weile

Ihn bedünke kurze Eile.

Gawan that, wie er gebot.

Wollt Ihr, noch schweig ich großer Noth.


Nein, ich will euch weiter melden.

Pferd und Straße trug den Helden

Hin zu des Schloßes Thor,

Wo der Pallas sich verlor.

Wer je ein Haus hat aufgeschlagen,

Der wüste beßer wohl zu sagen

Von dieses Baues Feste.[539]

Welch eine Burg! die beste,

Die wohl je die Erde trug.

Auch war ihr Umfang weit genug.


Laßen wir des Schloßbaus Preis,

Ob ich mehr zu sagen weiß

Von des Königs Schwester, einer Magd.

Von Ihrem Bau ward viel gesagt;

Ich beschreib ihn, wie ich soll.

War sie schön, das stand ihr wohl;

Hatte sie den rechten Muth,

Das war zu ihrem Preise gut:

So mochte sie an Sitt und Sinn

Wetteifern mit der Markgräfin,

Die oftmals von dem Heitstein

Warf über all die Mark den Schein.

Wohl ihm, ders traulich dort bei ihr

Erfahren soll! Glaubet mir,

Der Kurzweil so viel als dort

Findet er an keinem Ort.

Ich will nur Frauentugend loben,

Die ich mit Augen konnt erproben –

Die ich rühmen soll und preisen

Muß sich sittsam erweisen.

Nun, vernehm dieß Abenteuer

Ein lautrer Mann, ein treuer.[540]

Was soll der Ungetreue?

Mit durchbohrender Reue

Verliert er seine Seligkeit,

Seine Seele duldet scharfen Streit.


Auf den Saalhof ritt Gawan

Zu der Gesellschaft heran,

Der ihn der König sendete,

Der sich selber an ihm schändete.

Der Ritter führt' ihn zu ihr ein:

Da saß sie in der Schönheit Schein,

Antikonie die Königin.

Ist Frauenehre Hochgewinn,

Stäts hat sie solchen Kauf geschloßen,

Zu aller Falschheit so verdroßen,

Daß sie der Reinheit Preis erwarb.

O weh, daß uns so früh erstarb

Von Veldeck der weise Mann!

Wer ist nun, der sie loben kann?


Als Gawan die Jungfrau sah,

Der Bote gieng und sagt' ihr da

Was ihr der König laße melden.

Ungesäumt sprach zu dem Helden

Die Königin: »Herr, tretet ein.[541]

Ihr sollt mir selbst Zuchtmeister sein:

Ihr mögt gebieten, mögt mich lehren.

Mag ich euch Kurzweile mehren,

Das soll wie Ihr gebietet sein.

Da euch mir der Bruder mein

Anempfohlen hat so wohl,

Ich küss euch, wenn ich küssen soll.

Nach euerm Sinn gebietet nun

Ueber mein Laßen und mein Thun.«


Mit großer Zucht sie vor ihm stund.

»Frau,« sprach Gawan, »euer Mund

Sieht sich gar so kusslich an,

Euern Gruß und Kuss will ich empfahn.«

Ihr Mund war heiß und voll und roth,

Zu dem Gawan den Seinen bot.

Der Fremdling küsste sie nicht fremd.

Zu dem Mägdlein ungehemmt

Setzte sich der werthe Degen.

Sie durften süßer Rede pflegen

Beiderseits mit Treuen.

Oft musten sie erneuen

Er sein Gesuch, Sie ihr Versagen;

Herzlich wollt er das beklagen.

Um Gewährung bat er viel;

Sie sprach wie ich euch sagen will:
[542]

»Herr, wofern ihr anders klug,

So bedünk euch dieß genug.

Weil mich der Bruder drum gebeten

Bot ich euchs so, daß Gahmureten

Anflis es nimmer beßer bot,

Meinem Ohm. Wohl um ein Loth

Schwerer möge noch mein Pflegen,

Wollte man es gründlich wägen.

Weiß ich doch, Herr, nicht wer ihr seid,

Der ihr nach so kurzer Zeit

Meine Minne schon begehrt.«

Da sprach Gawan der Degen werth:

»Wollt ihr das wißen, Königin?

Ich sag euch, Herrin, ich bin

Meiner Vatersschwester Bruderssohn.

Wollt ihr mir schenken Minnelohn,

Meiner Herkunft halb säumt nicht damit:

Die hält mit eurer so den Schritt,

Daß beid auf gleicher Höhe stehn

Und Hand in Hand wohl dürfen gehn.«


Die Magd, die ihnen eingeschenkt,

Hatte schon den Schritt hinaus gelenkt;

Die Fraun, die erst bei ihr geseßen,

Durften länger nicht vergeßen

Was sie draußen musten pflegen;[543]

Auch der Ritter war nicht mehr zugegen,

Der ihn der Königin vorgestellt.

Da gedachte der Held,

Da sie alle waren draußen,

Daß oft den großen Straußen

Fangen mag ein kleiner Aar.

Er griff ihr untern Mantel gar,

Die Hüfte rührt' er ihr, ich glaube:

Da ward er großer Pein zum Raube.

Von der Liebe solche Noth gewann

So die Magd wie der Mann,

Daß schier ein Ding da wär geschehn,

Hättens üble Augen nicht ersehn.

Sie waren beide fast bereit:

Sieh, da naht' ihr Herzeleid!


Herein zur Thüre trat alsbald

Ein Ritter blank, weil grau und alt.

Im Waffenrufe nannt er

Gawanen: Den erkannt er.

Er schrie dazu mit lautem Schrei:

»Weh o weh und heia hei

Meinem Herrn, den eure Hand erschlug!

Doch dünkt euch das noch nicht genug:

Seiner Tochter thut ihr hier Gewalt.«

Dem Waffenrufe folgt man bald:[544]

Das war es was auch hier geschah.

Zur Königin sprach Gawan da:

»Nun rathet, Herrin, saget an:

Wie wehren wir uns, wenn sie nahn?

Hätt' ich doch nur mein Schwert!«

Da begann die Jungfrau werth:

»Wir müßen uns zur Wehre ziehn,

Dort auf jenen Thurm entfliehn,

Der bei meiner Kammer steht:

Vielleicht, daß Gnade noch ergeht.«


Hier den Ritter, dort den Kaufmann,

Schon hörte sie die Jungfrau nahn,

Und all das Volk aus der Stadt,

Da sie zum Thurm mit Gawan trat.

Noth must ihr Freund erleiden.

Sie bat sie oft, es doch zu meiden:

Sie schrien und lärmten all so toll,

Daß es ungehört verscholl.


Zur Thüre drang der Feinde Heer:

Gawan stand innerhalb zur Wehr

Und hielt vom Leibe sich den Tross.

Einen Riegel, der den Thurm verschloß,

Brach er aus, sich zu bewahren.

Seine übeln Nachbaren

Zwang er oft, vor ihm zu fliehn.[545]

Die Königin lief her und hin,

Ob sie was fände dort im Thurm

Wider der Ergrimmten Sturm.

Endlich fand die Reine

Eines Schachspiels Steine

Und ein Bret, schön und weit:

Gawanen brachte sie's zum Streit.

Es hieng an einem Eisenring,

Mit dem es Gawan empfieng.

Auf diesem viereckgen Schild

War schon manchmal Schach gespielt:

Er ward ihm sehr verhauen.

Nun hört auch von der Frauen.


Ob König oder Thurm es war,

Sie warf es in der Feinde Schar:

Die Bilder waren groß und schwer;

Wohl zu glauben ists daher,

Wen ihres Wurfes Schwang getroffen,

Der stürzte wider sein Verhoffen.

Wohl stritt die reiche Königin

Bei Gawanen da so kühn,

Sie warf so ritterlich darein,

Daß die Kauffraun nie zu Tollenstein

Zu Fastnacht tapfrer stritten.

Sie thuns nach Narrensitten[546]

Und ermüden ohne Noth den Leib.

Wenn eisenrostig wird ein Weib,

Ist sie ihres Rechts vergeßen,

Weiß ich Frauenzucht zu meßen;

Es sei, daß sie's aus Treue thut.

Antikonie war treu und gut:

Sie hats zu Schamfanzon gezeigt;

Doch ward ihr hoher Muth geneigt,

Im Kampf vergoß sie Zähren.

So mochte sie's bewähren,

Daß Liebe stät und tapfer ist.

Was Gawan that zu selber Frist?


Ließ man ihm nur Muße da,

Daß er die Jungfrau recht besah,

Ihre Augen, Mund und Nasen:

So wohlgegliederten Hasen

Am Spieße sahet ihr wohl nie,

Als sie dort war und hie,

Um die Hüften, an den Brüsten.

Minnegehrendes Gelüsten

Konnt ihr Liebreiz wohl erregen.

Ihr wißt wie Ameisen pflegen

Um die Mitte schmal zu sein:

Noch schlanker war das Mägdelein.

Das gab ihrem Kampfgesellen[547]

Muth, der Feinde viel zu fällen:

Sie bestand mit ihm die Noth.

Sein sichres Looß war der Tod,

Und anders kein Entkommen.

Ihm war die Furcht benommen

Vor Feindeshaß, wenn er sie sah:

Das büßten viel der Feinde da.


Da kam der König Vergulacht

Und sah die streitbare Macht

Wider Gawanen kriegen.

Ich will euch nicht betriegen,

Und beschönen kann ichs nicht,

Daß er der wirthlichen Pflicht

An seinem werthen Gast vergaß.

Der wehrte sich ohn Unterlaß.

Da mischte so der Wirth sich drein,

Daß es mir leid ist um Gandein,

Den König von Anschau,

Daß eine doch so werthe Frau,

Seine Tochter, je den Sohn gebar,

Der seines Volks untreue Schar

Nicht zurückrief aus dem Streit.

Gawanen ließen sie nur Zeit,

Bis der König sich gerüstet,

Den selbst zu kämpfen jetzt gelüstet.
[548]

Gawan muste wohl entweichen,

Es kann ihm nicht zur Schmach gereichen:

Die Thurmthür gab ihm Schutz fortan.

Nun seht, da kam derselbe Mann,

Der ihn kampflich angesprochen

Bei Artus vor einer Wochen,

Kingrimursel der Landgraf.

Gwanens Noth ihn schwer betraf,

Daß er die Hände rang und wand,

Denn seine Ehre stund zu Pfand,

Daß er Frieden und Geleit

Finden sollte, bis im Streit

Ihn ein Einzelner bezwungen.

Die Alten wie die Jungen

Trieb er im Zorne von dem Thurm;

Doch befahl der König neuen Sturm.


Kingrimursel hub da an,

Indem er aufsah zu Gawan:

»Held, laß mich friedlich zu dir ein,

Daß ich geselliglich die Pein

Mit dir trage dieser Noth.

Schlage mich der König todt,

Ich erhalte dir das Leben.«

Da ihm der Friede ward gegeben,

Der Landgraf sprang in den Thurm.[549]

Das äußre Heer ließ ab vom Sturm:

Er war auch Burggraf alldort,

Drum hatte Jung und Alt sofort

Sich des Kämpfens abgethan.

Ins Freie wieder sprang Gawan;

So that auch Kingrimursel:

Sie waren beide kühn und schnell.


Die Seinen mahnte Vergulacht:

»Wie lange stehn wir hier auf Wacht

Vor zweien Männern, die uns drohn?

Unterfängt sich meines Oheims Sohn

Zu beschirmen diesen Mann!

Der mir Schaden hat gethan,

Den er selber rächen sollte,

Wenn er Kühnheit zeigen wollte.«


Da schickten sie aus treuem Sinn

Einen zu dem König hin:

»Herr,« so ließen sie ihm sagen,

»Der Landgraf bleibt unerschlagen

Hier von unsern Händen.

Mög euch Gott auf Dinge wenden,

Die der Ehre beßer frommen.

Aller Preis wird euch benommen,

So ihr erschlagt euern Gast:[550]

Das belädt euch mit der Schande Last.

Der Andre ist euch nah verwandt,

Mit dessen Hülf er kam ins Land:

Darum stehet ab davon;

Es bringt euch nichts als Fluch und Hohn.

Geht einen Waffenstillstand ein

So lange währt des Tages Schein,

Und dazu die nächste Nacht.

Was ihr alsdann euch habt bedacht,

Das steht euch immer noch frei

Ob es euch Ehr ob Schande sei.«


Unsre Frau Antikonie,

Die von Falschheit wuste nie,

Seht ihr dort weinend bei ihm stehn.

Kann euch das nicht zu Herzen gehn,

Da Euch doch Eine Mutter trug,

So bedenkt, Herr, seid ihr anders klug:

Ihr selber sandtet ihn der Maid.

Gäb auch sonst ihm nichts Geleit,

So sollt er Ihrethalb gedeihn.

Der König gieng den Frieden ein

Bis er beßer sich besprochen,

Wie sein Vater würd gerochen.

Unschuldig war Herr Gawan;

Ein andrer Mann hatt es gethan,[551]

Denn der stolze Eckunat

Gab einer Lanze durch ihn Pfad,

Da er gegen Barbigöl

Führte Jofreit Fils Idöl,

Den er fieng von Gawans Seite:

So kam Der zu diesem Streite.


Kaum war der Friede kundgethan,

Aus dem Felde sah man Jedermann

Zu den Herbergen ziehn.

Antikonie die Königin

Herzte ihres Oheims Sohn:

Sie gab ihm manchen Kuss zum Lohn,

Daß er Gawanen Schutz gewährt

Und selbst der Unthat sich erwehrt.

Sie sprach: »Du meines Oheims Kind

Bist gegen Niemand falsch gesinnt.«


Hört nur zu, so thu ich kund,

Wovon gesprochen hat mein Mund,

Daß lauter Gemüthe trübe ward.

Unselig heiße diese Fahrt

Vergulachts auf Schamfanzon.

Es stammte solches Thun dem Sohn

Nicht von Vater noch von Mutter an.

Gefoltert ward dem jungen Mann[552]

Von Schamgefühl der beßre Sinn,

Da seine Schwester jetzt, die Königin,

Ihn zu schelten begann;

Um Erbarmen fleht' er oft sie an.


Also sprach die Jungfrau werth:

»Herr Vergulacht, trüg ich ein Schwert,

Und wär ein Mann nach Gottes Willen

Das Amt des Schildes zu erfüllen,

Ihr wärt am Kampf mit mir verzagt;

Nun bin ich wehrlos, eine Magd;

Jedennoch führ ich einen Schild

Mit ehrenvollem Wappenbild.

Ich will das Wappen nennen,

Daß ihr es lernet kennen:

Reinheit und gerecht Betragen,

Die treuen Beistand nie versagen.

Den hielt ich Euch, zum Schirm dem Degen,

Den ihr mir sendetet, entgegen:

Kein andrer Schild war mir verliehn.

Büßt ihr die Schuld auch gegen Ihn,

Ihr habt euch doch an mir vergangen,

Soll Frauenpreis sein Recht erlangen.

Ich hörte stäts: wo es geschieht,

Daß in den Schutz der Frauen flieht

Ein Mann, so sollen Die ihn jagen[553]

Der Verfolgung entsagen:

So ziem es männlicher Zucht.

Herr Vergulacht, des Gastes Flucht

Zu mir, daß er dem Tode wehre,

Belädt mit Schmach eure Ehre.«


Der Landgraf sprach ihm ins Gewißen:

»Herr, es geschah mit Euerm Wißen,

Daß ich dem Herren Gawan

Auf des Plimizöls Plan

Frieden gab in euer Land.

Hatt ich doch euer Wort zu Pfand:

Trüg ihn her sein kühner Muth,

So stünden wir dafür ihm gut,

Nur Einer sollt ihn hier bestehn.

Herr, das ließt ihr nicht geschehn.

Meine Genoßen mögen das bedenken,

Ob ihr so uns dürfet kränken.

Wißt Ihr der Fürsten nicht zu schonen,

So achten wir nicht mehr der Kronen.

Soll man euch ehrlich nennen,

Ehrlich müßt ihr bekennen,

Daß ich euer Vetter sei.

Wär ein Kebsschlich dabei

Meinerseits, wär das erwiesen,

Ihr hättet mich schon längst verwiesen.[554]

Ich bin ein Ritter, hoff ich doch,

An dem man niemals Tadel noch

Fand, und wills erwerben,

Des ledig auch zu sterben.

Zu Gott hab ich die Zuversicht,

Er verhängt mir Solches nicht.

Doch von Wem die Märe wird vernommen,

Artusens Neffe sei gekommen

In meinem Schutz gen Schamfanzon –

Sei's Franzose, sei's Breton,

Provenzale, Burgondois,

Galizier oder Punturtois,

Hören Die von Gawans Noth,

Hab ich Preis, der ist dann todt.

Mir macht sein ängstlicher Streit

Schmal das Lob, den Tadel breit.

Es nimmt mir alle Freude hin

Und giebt mir Schande zum Gewinn.«


Als diese Rede geschah,

Stand ein Mann des Königs da,

Der Liddamus den Namen trug;

So nennt ihn Kiot oft genug.

Kiot le Chanteur, dem war

Wohl die Kunst offenbar,

So zu singen und zu sprechen,[555]

Daß nie der Dank ihm darf gebrechen.

Kiot ist ein Provenzal,

Der die Mär von Parzival

Fand in arabischem Buch.

Wie ers französisch übertrug,

So wirds, wenn mir der Sinn nicht fehlt,

Von mir im Deutschen nacherzählt.


Fürst Liddamus brach zornig aus:

»Was soll in meines Herren Haus

Der seinen Vater erschlug,

Und ihm so nah die Schande trug?

Hält mein Herr auf seinen Werth,

Er muß es richten mit dem Schwert.

So vergilt Ein Tod den andern Tod:

Gleich sei hier wie dort die Noth.«


Nun seht wie dort Herr Gawan stand:

Da ward ihm Sorge erst bekannt.


Da sprach Kingrimursel:

»Wer sich im Drohen zeigt so schnell,

Der sollt auch eilen in den Streit.

Der Raum sei eng oder weit,

Man erwehrt sich Euer leicht.

Herr Liddamus, vor Euch vielleicht[556]

Wär noch zu retten dieser Mann:

Hätt er euch noch so viel gethan,

Ihr ließets ungerochen.

Ihr habt hier zu viel gesprochen;

Man würd euch eher glauben,

Daß euch Niemands Augen

Noch zuvorderst sahn im Streit.

Stäts war euch Kampf ein Herzeleid;

Ihr bliebt gern weit davon entfernt.

Ihr habt auch wohl noch mehr gelernt,

Wo ihr Kampf saht beginnen,

Floht ihr wie ein Weib von hinnen.

Ein Fürst, der Euerm Rathe glaubt,

Dem steht die Krone schief zu Haupt.


Wohl hätt ich ohne Schanden

Im Kreiße bestanden

Gawan den Degen unverzagt:

Das hatten wir uns zugesagt.

Auch hätten wir den Kampf gefochten,

Wenn wir vor dem Könge mochten.

Dem zürn ich nun, ich sag es laut;

Ich hätt ihm Beßres zugetraut.

Gelobt, Herr Gawan, mir fürwahr,

Daß Ihr von heut nach einem Jahr

Mir im Kampf wollt Rede stehn,[557]

Falls es nämlich kann geschehn

Daß mein Herr euch läßt das Leben:

So wird euch Kampf von mir gegeben.

Ich sprach euch an am Plimizöl;

Nun sei der Kampf zu Barbigöl

Vor Meljanz dem König hehr.

Der Sorgen ein ganzes Heer

Trag ich bis zu jenem Tag,

Da ich mit euch fechten mag:

Da wird mir Angst und Noth bekannt

Durch eure wehrliche Hand.«


Da gab Gawan der Degen werth,

Wie der Landgraf begehrt,

Sein Wort und seine Sicherheit.

Zu neuer Red indes bereit

War der Herzog Liddamus.

Er hatt in seiner Rede Fluß

Die Worte wohl verflochten,

Wie Alle hören mochten.


Er sprach, es war ihm Sprechens Zeit:

»Komm ich je zu einem Streit,

Ob ich Fechtens mich befleiße,

Oder schmählich ausreiße,

Ob ich verzagt da zage,[558]

Ob Preis und Ruhm erjage,

Herr Landgraf, ohne Schonen

Laßt nach Verdienst mich lohnen.

Versagt Ihr mir dann euern Sold,

So bin ich mir doch selber hold.«


So sprach der reiche Liddamus:

»Wollt Ihr sein Herr Turnus,

Wohlan, so will ich Tranzes werden:

Straft mich, habt ihr erst Beschwerden,

Und überhebt euch nicht dergleichen.

Wenn Ihr der Fürsten meinesgleichen

Der Höchste wärt, was nicht sein wird –

Ich bin auch Fürst und Landeswirth.

Ich hab in Galizia

Manche Burg fern und nah

Bis hinaus nach Vedron.

Was Ihr und jeder Breton

Mir da zu Schaden möchtet thun,

Da flöh doch nie vor Euch ein Huhn.


Von den Britten ist hieher gekommen

Gegen Den ihr Kampf habt übernommen:

So rächt den Blutsfreund und den Herrn;

Mir aber bleibt mit Kämpfen fern.

Euerm Ohm (Ihr wart sein Mann),[559]

Der dem das Leben abgewann,

Rächt es an Dem; ich that ihm nichts,

Und wenn mir recht ist, Niemand sprichts.

Euern Oheim brauch Ich nicht zu klagen:

Sein Sohn soll jetzt die Krone tragen,

Der ist zum Herrn mir hoch genug.

Die Köngin Fleurdamur ihn trug;

Sein Vater war Kingrisein,

Sein Ahne König Gandein.

Auch kam es hier nicht in Vergeß,

Daß Gahmuret und Galoes

Ihm Oheime waren.

Vor Lug will ich mich wahren:

Ich darf mit Ehren wohl mein Land

Zu Lehn empfahn von Seiner Hand.


Wen zu fechten lüstet, thu er das.

Bin ich selbst zum Streite laß,

Doch ist mir unverhohlen:

Wer im Kampfe Preis kann holen,

Dem dankt es manches stolze Weib.

Ich will um Niemand meinen Leib

Verleiten in zu scharfe Pein.

Was sollt ich solch ein Wolfhart sein?

Mir ist zum Kampf der Weg versperrt,

Die Kampfgier hat mich nie genärrt.[560]

Würdet Ihr mir nimmer hold,

Ich folgte eher Rumold,

Der dem König Gunther rieth,

Da er von Worms gen Heunland schied:

Lange Schnitten bat er ihn zu bähn,

Im Keßel fleißig umzudrehn.«


Da sprach der Landgraf muthesreich:

»Euer alten Sitte thut ihr gleich,

Die wir Alle fürwahr

An euch gewohnt sind manches Jahr.

Ihr rathet mir zum Streit, und doch

Thut ihr wie da rieth ein Koch

Den kühnen Nibelungen,

Da sie zogen unbezwungen

Hin, wo an ihnen ward gerochen,

Was sie an Siegfried einst verbrochen.

Herr Gawan gebe mir den Tod

Oder fühle meiner Rache Noth.«


»Da thut ihr recht,« sprach Liddamus.

»Doch was sein Oheim Artus

Besitzt, und Die von India,

Was man da je von Schätzen sah –

Wer mir das all zu eigen brächte,

Ich laß es ihm, eh daß ich fechte.[561]

Nun behaltet euern Ruhm und Preis:

Segramors bin ich nicht, Gott weiß,

Den man um Fechtgier binden muß;

Ich erwerbe doch der Könge Gruß.

Sibich hat nie ein Schwert gezogen:

Er war stäts bei Denen, die da flohen;

Dennoch muste man ihn flehn:

Großer Gab und starker Lehn

Schenkt' ihm Ermenrich genug,

Ob er nie ein Schwert durch Helme schlug.

Für Euch, Herr Kingrimursel, schaut

Ihr keine Schramm auf meiner Haut:

So bin ich gegen Euch gesinnt.«

König Vergulacht beginnt:


»Schweiget eurer Wechselreden.

Unbescheiden find ich euch Jedweden,

Daß Ihr mit Worten seid so frei.

Allzunah bin ich dabei

Zu sothanem Wortgefecht:

Es steht so Euch als Mir nicht recht.«


Das geschah auf dem Saal

Wo seine Schwester war zumal;

Neben ihr stand Herr Gawan

Und manch andrer werthe Mann.[562]

Der König sprach zur Schwester sein:

»Nun nimm den Gesellen dein

Und den Landgrafen auch mit dir.

Die mir Gutes gönnen, folgen mir,

Daß sie mir rathen, was ich thu.«

»Deine Treue,« sprach sie, »nimm dazu.«


Da gieng der König Raths zu pflegen.

Die Königstochter nahm dagegen

Ihres Oheims Sohn und ihren Gast;

Das dritte war der Sorgen Last.

Wie es ihr gar trefflich stand,

Nahm sie Gawanen bei der Hand

Und führt' ihn in ein nah Gemach.

»Wärt Ihr nicht heil,« die Schöne sprach,

»Alle Lande hätten Ungewinn.«

An der Hand der Königin

Gieng da König Lotens Sohn.

Ohne Schande durft ers schon.


Zu der Kemenaten ein

Trat die Köngin mit den Zwein;

Von den andern blieb sie leer:

Dafür sorgten Kämmerer;

Nur der klaren Mägdelein

Durften viel bei ihnen sein.[563]

Die Königin in Ehren pflag

Gawans, der ihr am Herzen lag.

Zugegen war der Landgraf auch;

Der schied sie nicht von solchem Brauch.

Viel Sorge trug die werthe Magd

Für Gawan, wurde mir gesagt.


So mochten nun die Beiden

Bei der Königin verbleiben

Bis der Tag ließ seinen Streit;

Die Nacht kam: da war Eßenszeit.

Moraß, Wein, Lautertrank

Brachten Jungfraun um die Mitte schwank,

Und Speise zu dem Tische:

Fasan, Rebhühner, Fische

Und manchen Kuchen blank und hell.

Gawan und Kingrimursel

Waren ledig großer Noth.

Da es die Königin gebot

Aß Jeder was er sollte

Und was er eßen wollte.

Vergebens wehrten die Degen

Antikonien vorzulegen.

Soviel man kniender Schenken fand,

Keinem brach der Hosen Band:

Mägdlein warens, in den Jahren[564]

Wo sie die Reize frisch bewahren.

Darob bin ich unerschrocken,

Trugen sie gekraust die Locken

Wie der Falke sein Gefieder:

Ich streite nicht dawider.


Nun hört, bevor der Rath sich schied

Was man dem Herrn des Landes rieth.

Ihm war manch weiser Mann gekommen,

Den hatt er in den Rath genommen.

Ein Jeder sprach, wie ihn gedäuchte,

Daß ihn sein bester Sinn erleuchte.

Da erwogen sie es hin und her;

Ums Wort auch bat der König hehr.


Er sprach: »Jüngst ward mit mir gestritten.

Ich kam um Aventür geritten

In den Wald Lächtamreis.

Ein Ritter, der zu hohen Preis

Wohl an mir sah in dieser Wochen,

Flüglings hatt er mich gestochen

Hinters Ross ohn alle Wahl.

Da zwang er mich, daß ich den Gral

Ihm gelobte zu erwerben.

Wollt ich nicht ersterben,

So must ich leisten Sicherheit[565]

Wie er mich zwang im Ritterstreit.

Nun rathet, denn es ist mir Noth.

Mein bester Schild war für den Tod,

Daß ich zum Schwure hob die Hand,

Wie ichs frei euch eingestand.


Er ist durch Kraft und Mannheit hehr.

Noch gebot der Held mir mehr:

Daß ich sonder arge List

Innerhalb Jahresfrist,

Wenn ich den Gral nicht hätt erworben,

Zu Ihr käm, der angestorben

Die Krone sei zu Pelrapär

Von ihrem Vater Tampentär.

Wenn die mein Auge hätt ersehn,

Ich sollt ihr Sicherheit gestehn.

Er entbot ihr, dächte Sie an ihn,

Das gäb ihm freudigen Gewinn:

Er sei's, der sie befreit hab eh

Von dem König Klamide.«


Als diese Rede kam zum Schluß,

Wieder sprach da Liddamus:

»Erlauben mir die Herrn ein Wort;

Die Reihe kommt an sie sofort.

Was Ihr gelobt habt jenem Mann,[566]

Das mag erfüllen Herr Gawan,

Der's Gefieder schlägt auf euerm Kloben:

Vor uns allen mög er hier geloben,

Daß er euch den Gral gewinne.

So laßt mit guter Minne

Ihn denn von hinnen reiten,

Den Gral euch zu erstreiten.

Wir müsten All die Schmach beklagen,

Würd er in euerm Haus erschlagen.

Nun vergebt ihm seine Schuld

Und behaltet eurer Schwester Huld.

Er erlitt hier große Noth

Und muß nun reiten in den Tod.

So weit die Erd umwogt das Meer,

Stand nie ein Haus so wohl zur Wehr

Als Monsalväsch; nicht eben breit

Führt hin ein rauher Pfad durch Streit.

Laßt ihn schlafen diese Nacht;

Sagt ihm Morgen was wir hier erdacht.«

Beifall ward dem Rath gegeben.

So behielt Herr Gawan hier das Leben.


Man pflag des kühnen Helden

Die Nacht so, hört ich melden,

Daß er ruhte wohlgeborgen.

Als andern Tags, um mitten Morgen[567]

Aus der Messe kam die Menge,

War im Saale groß Gedränge

Von Pöbel und von werther Schar.

Der König, wies beschloßen war,

Ließ Gawanen vor sich bringen.

Er wollt ihn zu nichts Anderm zwingen

Als man schon vernommen hat.

Nun seht, wie dort sich mit ihm naht

Antikonie die schöne Maid;

Ihres Oheims Sohn gab ihr Geleit

Und Mancher aus des Königs Bann.

Die Köngin führte Gawan

Vor den König an der Hand;

Ein Blumenkranz ihr Haupt umwand.

Den Blumen nahm den Preis ihr Mund:

In dem Kränzlein keine stund,

Die so glühend war und roth.

Wem den Kuss sie gütlich bot,

Der mochte wohl den Wald verschwenden

Mit Lanzenbrechen sonder Enden.


Nun folgt mir, wenn ich grüße

Mit Lob die reine, süße

Antikonie,

Die von Falschheit wuste nie,

Denn sie lebt' in solcher Weise,[568]

Nie ward ihrem Preise

Ein zweifelnd Wort verwoben.

Die sie hörten loben,

Jeder Mund wünscht' ihr froh,

Daß ihren Preis immer so

Verschone Tadels trübe Lauge.

Weitreichend wie ein Falkenauge

War des Balsams Stätigkeit an ihr.

Dieß rieth ihr würdige Begier:

Die süße wonnigliche Maid

Sprach mit Wohlgezogenheit:


»Hier bring ich, Bruder, dir den Degen,

Den du mir selbst befahlst zu pflegen:

Laß ihms zu Gute kommen;

Gewiss, es wird dir frommen.

Treue steht dir beßer an

Als den Haß der Welt empfahn,

Und meinen, könnt ich haßen:

Den lehr mich, zu dir laßen.«


Da sprach der werthe junge Mann:

»Das thu ich, Schwester, wenn ich kann;

Dazu gieb selber deinen Rath.

Dich dünkt, ich habe Missethat

Meiner Würdigkeit verwoben,[569]

All mein Preis sei zerstoben:

Wie taugt' ich dann zum Bruder dir?

Und dienten alle Kronen mir,

Die gäb ich hin auf Dein Gebot:

Dein Haß wär meine höchste Noth.

Ich verschmähe Freud und Ehre,

Wird sie mir nicht nach Deiner Lehre.

Herr Gawan, laßt euch bitten:

Ihr kamt um Preis geritten:

So thut es um des Preises Huld

Und helft mir, daß um meine Schuld

Schwinde meiner Schwester Groll.

Eh ich sie verlieren soll,

Verzeih ich euch mein Herzeleid,

Wollt ihr mir geben Sicherheit,

Daß ihr mir treulich werbt sogleich

Um des Grales Königreich.«


So ward der Zwist geendet,

Gawan hinaus gesendet,

Daß er mit des Schwertes Blitz

Werbe nach des Grals Besitz.

Auch verzieh der Landgraf jetzt

Dem König, der ihn schwer verletzt,

Daß sein Geleit er nicht geehrt:

Das geschah vor all den Fürsten werth.
[570]

Die Waffen waren aufgehangen.

Da kamen auch daher gegangen

Gawans Knappen, ihm ein lieber Fund:

Im Streite ward ihm keiner wund.

Ein gewaltger Mann der Stadt,

Der ihnen Frieden erbat,

Fieng sie, um sie zu schonen:

Die Franzosen und Bretonen,

Oder aus welchem Land sie sind,

Ob starker Knapp, ob kleiner Kind,

Die wurden frei zurückgesandt

Gawan dem Degen auserkannt.

Als ihn die Kinde wiedersahn,

Geschah groß Küssen und Umfahn:

Wie sie sich weinend an ihn hiengen!

Doch mit Thränen, die der Freud entspringen.


Da war bei ihm von Kornewal

Komte Laiz Fils Tinal.

Dann war ein edel Kind dabei,

Dük Gandilus, Fils Gurzgrei,

Der um Schoi de la Kour erstarb,

Wo manche Frau noch Leid erwarb.

Liaße war des Kindes Base.

Ihm waren Augen, Mund und Nase

Recht aus der Minne Kern geschnitten;[571]

Bei aller Welt wars wohlgelitten.

Dazu sechs andre Kindelein.

Diese acht Jungherren fein

Waren von Geburt gesamt

Hoher edler Art entstammt.

Sie waren ihm als Neffen hold

Und dienten ihm um seinen Sold.

Was er zu Lohn gab? Würdigkeit

Und gute Pflege jederzeit.


Gawan sprach zu den Kindelein:

»Wohl euch, süße Neffen mein:

Mich dünkt, ihr würdet mich beklagen,

Hätten sie mich hier erschlagen.«

Zutrauen mocht ers ihnen wohl:

Sie waren so noch Jammers voll.

Er sprach: »Ich hatt um Euch viel Leid:

Wo wart ihr, da mir kam der Streit?«

Sie sagtens ihm und Keiner log.

»Ein junger Sperber entflog,

Da ihr saßet bei der Königin;

Da liefen wir und jagten ihn.«


»Die da stunden, saßen,

Und zu spähen nicht vergaßen,

Die sahen wohl, Herr Gawan[572]

War ein tapfrer, höfscher Mann.

Der König ihm gewährte,

Da er Urlaub begehrte,

Dazu das Volk allgemein,

Bis auf den Landgraf allein.

Die Beiden nahm die Königin

Und Gawans Junker mit sich hin.

Sie führten sie, wo von Jungfrauen

Sie gute Pflege sollten schauen:

Mit Zucht nahm ihrer dienend wahr

Manche Jungfrau schön und klar.«


Als sich vom Mal erhob Gawan,

(Wie Kiot mir bezeugen kann)

Aus herzlicher Treue

Erwuchs groß Leid aufs Neue.

Der Held begann zur Königin:

»Frau, behalt ich klugen Sinn,

Und schenkt mir Gott das Leben,

Muß ich dienstlich Bestreben

Und ritterlich Gemüthe

Eurer weiblichen Güte

Zu Diensten immer kehren.

Ihr hört des Heiles Lehren,

Aller Falschheit habt ihr obgesiegt,

Euer Preis all andre überwiegt:[573]

So muß das Glück euch Heil gewähren.

Urlaub laßt mich, Frau, begehren:

Den gebet mir und laßt mich fahren;

Eure Zucht mög euern Preis bewahren.«


Sein Scheiden schuf ihr Herzenspein.

In ihr Weinen stimmten ein

Viel schöner Jungfrauen klar.

Die Königin sprach offenbar:

»Hätt ich mehr euch mögen frommen,

So wär mir Freude nicht benommen;

Doch blüht' euch hier kein beßrer Frieden.

Glaubt mir, wird euch Pein beschieden,

Oder bringt euch Ritterschaft

In sorgenvollen Kummers Haft,

So wißet, mein Herr Gawan,

Mein Herz hat immer Theil daran,

Am Verlust wie am Gewinn.«

Die viel edle Königin

Küsste da Gawanens Mund.

Der ward an allen Freuden wund,

Daß er schon muste scheiden.

Leid war es sicher Beiden.


Die Knappen hattens wohl bedacht,

Seine Pferd' ihm vor den Saal gebracht,[574]

Daß er auf dem Hof sie finde,

Wo Schatten gab die Linde.

Auch war dem Landgraf gekommen

Sein Gefolge (so hab ich vernommen):

Da ritt er mit ihm vor die Stadt.

Gawan ihn draußen freundlich bat,

Daß er sich bemühe

Und mit seinen Leuten ziehe

Gen Beaurosch: »Scherules ist dort:

Sie bitten ihn, daß er sie fort

Geleite gen Didasdron.

Da wohnet mancher Breton:

Der bringt sie wohl dem König hehr

Oder der Köngin Ginover.«

Das versprach Kingrimursel:

Urlaub nahm der Degen schnell.

Gringuljet nach kurzer Zeit

Stand wie sein Herr im Eisenkleid.

Seine Neffen, die Kindelein,

Küsst' er, und die Knappen sein.

Nach dem Grale, wie sein Eid gebot,

Ritt er allein zu großer Noth.


Quelle:
Wolfram von Eschenbach: Parzival und Titurel. 2 Bände, Stuttgart 1862, Band 1, S. 532-575.
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