Auf den Geburts-Tag eines vornehmen Mannes, J.A.P.

[409] Den 30. Winterm. 1736.


In andern Namen.


[409] Ode.


Du möchtest, Liebster Vaters-Mund!

Mich wohl mit Recht anjetzo fragen:

Warum ich dann zu dieser Stund

Begehr ein Feyer-Kleid zu tragen?

Warum ich mich so schön geschmückt,

Und was wohl meinen Geist erquickt?

Dieweil mein Herz ganz frölich scheinet.

Du meinst, wer schmückt sich wohl zur Zeit,

Wenns duft und friert, und reift und schneyt,

Und wenn der Himmel traurig weinet?


Ja! ja! Herr Vater! du hast recht,

Der Frühling muß wohl freylich allen,

Dem Manns- und weiblichen Geschlecht

Mehr als die Winters-Zeit gefallen.

Da doch die jetzge rauhe Zeit,

Mich mehr als sonst der May erfreut;

Du kanst an meinen Mienen spühren.

Der heutge Festtag macht den Grund

Von meinem Schmuck und Lust nicht kund,

Mein Herze will was anders rühren.


Herr Vater! nur dein Wiegen-Fest,

An welchem du zur Welt gekommen,

Das dich der Herr heut feyren läßt,

Das hat mein Herz so eingenommen.

Dieß Fest erreget meine Brust,

Und setzet mich in tausend Lust,

Die ich mehr fühlen kan als sagen.

Dieß Wiegen-Fest macht mich erfreut,

Und reichet mir ein Feyer-Kleid,

Dasselbe dir zur Lust zu tragen.
[410]

Hochwerthes Vater-Herz! wenn ich

Mit dir ein Reich-vertauschen solte,

Ich ließ es, und behielte dich,

Wenn man mir noch mehr schenken wolte.

Dein zart und treues Vater-Herz,

Dein angenehm- und süsser Scherz,

Und deine Sorgfalt macht mich munter.

Du wirfst mir nichts als Liebe zu,

Die Sonne gehet oft zur Ruh,

Doch deine Treue geht nicht unter.


Wie könt es anders möglich seyn,

Als mich aufs höchste zu ergötzen;

Ich kan mich jetzt nach Wunsch erfreun,

Und mich in viel Vergnügen setzen.

Der Eltern Glück und Wohlergehn;

Die Freuden-Strahlen, so sie sehn,

Kan auch den Kindern Seegen zeigen.

Da dir nun Gott dein Wiegen-Fest

Bey Glück und Wohlstand schauen läßt;

Wie solte meine Freude schweigen?


Herr Vater! nun was schenk ich dir?

Was wünsch ich dir zu deinem Feste?

Mein Unvermögen kömmt mir für;

Doch bring ich dir das allerbeste.

Das ist mein Herz, das Ehrfurcht liebt,

Und sich nur in Gehorsam übt;

Das dich nicht zu erzörnen denket.

Ich folge dir, so treu ich kan.

Sieh, Theurer Vater! dieses an,

Wormit dich jetzt dein Kind beschenket.
[411]

Nun füg ich meinem Wunsch auch bey;

Ich wünsche dir gesunde Glieder;

Daß Gott stets dein Beschützer sey;

Er bringe diesen Tag oft wieder.

Was Mühe, Noth und Schwachheit heist,

Das fühl und merke nie dein Geist,

Die Allmacht trag dich auf den Händen.

Ja, bist du endlich müd und matt,

Und dieses Welt-Getümmels satt;

So müßt du sanft dein Leben enden.


Quelle:
Sidonia Hedwig Zäunemann: Poetische Rosen in Knospen, Erfurt 1738, S. 409-412.
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