Als auf höchstem Befehl des Allerdurchlauchlauchtigsten, Großmächtigsten Fürsten und Herrn, Herrn Georgs 2. Königs von Groß-Brittannien, Frankreich und Irrland, Beschützers des Glaubens, Herzogs zu Braunschweig und Lüneburg, des Heil. Römischen Reichs Erz-Schatzmeisters und Churfürstens etc. die von Höchst-Denenselben neu-aufgerichtete Academie Georg-Augusta

[453] in Göttingen den 17. Sept. 1737.


prächtig eingeweyht worden. Besang diesen neuen Parnaß mit unterthänigsten Lippen


Athen, das sonst in Flor gegrünt;

Liegt längstens unter Asch und Steinen.

Ihr Musen klagt! es hat verdient,

Daß wir sein Grab noch jetzt mit heiser Fluth beweine.

Wo ist sein Glanz? wo ist sein Ruhm?[453]

Getrost! GEORG, das Haupt der Britten,

Will euch mit Freude überschütten;

Er baut und schenket euch ein ander Heiligthum,

Ihr dürft nur an die Leine gehen,

Daselbsten sehet ihr ein neues auferstehen.


Der Phönix, dessen seltne Frucht

Den Ruhm Arabiens vermehret,

Nimmt zwar durch Rauch und Dampf die Flucht,

Bis ihn die Gluth verschlingt u. seinen Leib verzehret;

Allein aus seinem Aschen-Berg

Wird oft ein schönerer gebohren;

Gieng Griechenlands Athen verlohren;

So ist dieß neue jetzt Germanens Augenmerk.

GEORG, der Englands Scepter träget,

Hat aus erleuchtem Geist ein größres angeleget.


Ihr Musen jauchzt! es ist geschehn!

Der neue Sitz, der euch erfreuet;

Dieß neu-erbaute Lein-Athen

Ist nun mit größter Pracht zur Wohnung eingeweyhet.

In eurem Tempel seht ihr nun

Die Priester an Altären dienen;

Nun werden eure Lorbern grünen;

Ihr schauet euer Volk auf seinen Knien ruhn:

Ihr seht, wie treu sie sich verbinden,

Auf diesem Opfer-Heerd den Weyhrauch anzuzünden.


Der Tempel raucht, die heilge Gluth

Steigt voller Flammen nach den Sternen.

Nun wird man mit vergnügtem Muth

Den Weg zur Wissenschaft und Weisheit finden lernen.[454]

Hier ist der Delphos, wo man Rath

In zweifelhaften Sprüchen findet.

Hier wird der Pharus angezündet,

Davon Europa stets den Glanz zu hoffen hat.

In dieser Werkstatt guter Künste,

Erlanget jedermann die herrlichsten Gewinste.


Wie mächtig wird hier der Verstand

Verklärt, erleucht und ausgeheitert!

Des Willens toller Widerstand

Findt seine Besserung; die Weisheit wird erweitert;

Man übt die forschende Vernunft

In mancherley verborgnen Dingen,

Die grossen Nutz und Vortheil bringen;

Dadurch vermehret sich der Weisen edle Zunft.

Hier giebt man sich mit viel Vergnügen

In eine Dienstbarkeit, um desto mehr zu siegen.


Was man dem Orpheus angedicht,

Als hab er Thiere zähmen können:

Das wird hier in der That verricht;

So manches wildes Herz muß man jetzt sittsam nennen.

Die Weisheit ist von solcher Macht,

Daß sie die Seelen weiß zu binden,

Und solche Triebe anzuzünden,

Die man aus Unverstand vorhero nicht geacht.

Ein Volk, so wild es sonst gewesen,

Läßt, wenn die Weisheit herrscht, die schönsten Früchte lesen.


Aus jenem Pferde stieg ein Heer,

Das Trojens Bürger überwande,

Ein Musensitz giebt noch weit mehr

Beherzte Streiter her; sie dienen jedem Lande.[455]

Sie kämpfen mit der Barbarey,

Mit Aberglauben und Gebrechen;

Die Federn, so die Feinde schwächen,

Die melden auch zugleich, wie groß ihr Vortheil sey.

So siegt Minerva durch die Waffen,

Und kan auch durch den Kiel sich selbst den Ruhm verschaffen.


Das herrlichste Paladium

Sind in der That Academien.

So lange man auf ihren Ruhm

Flor und Verdienste acht, sieht man die Länder blühen;

So lange steht und lebt ein Staat,

Daß seine Bürger bis zun Axen

Des Firmaments am Glücke wachsen.

Seht: was die Republick durch sie zu hoffen hat!

Des Crösus Reichthum kan auf Erden

Georgens Musensitz nie gleich geschätzet werden.


So sehr die Zeit der alten Welt

Auf ihre Pyramiden pochte,

Die sie zum Wunder aufgestellt;

So war sie doch zu schwach, daß sie sie schützen mochte.

Sie sind verheert, sie sind zu Staub,

Ihr prächtig Ansehn ist vergangen;

Doch was GEORG jetzt angefangen,

Trotzt Moder, Schwerdt und Gluth und der Tyrannen Raub.

Denn jene füllten nur die Augen;

Aus diesem aber kan der Geist der Nahrung saugen.


Dies heilge Haus der Wissenschaft,

Wohin der Pöbel nicht gelanget,[456]

Schenkt denen seine edle Kraft,

Die sich befleißigen, daß einst ihr Lorber pranget.

Hier sieht, hier schaut, hier hohlt man ihn;

Hier finden nach vergoßnem Schweiße

Die Kämpfer ihre Ehren-Preiße;

Allhier belohnet man der Weisheit ihr Bemühn.

Hier ist der Musterplatz der Sitten;

Hier wird aufs eifrigste um Kranz und Ruhm gestritten.


Allhier bereit man Männer zu,

Die vor der Kirche Wahrheit kämpfen,

Und vor ihr Wachsthum, Ehr und Ruh

In stetem Eifer sind, und ihre Feinde dämpfen.

Hier rüst man solche Geister aus,

Die Ländern, Völkern und den Staaten

Mit Weisheit und mit Klugheit rathen,

Und auf ihr bestes sehn; ja die der Themis Haus

Und Kron und Scepter unterstützen,

Und auch der Policey durch ihr Bemühen nützen.


Hier treten solche Helden auf,

Die sich dem Tod entgegen stellen;

Ja, derer ganzer Lebens-Lauf

Die größte Großmuth zeigt bey allen Unglücks-Wellen.

Hier werden Lichter angezündt

Den Nebel völlig zu verjagen,

Mit welchem sich die Thoren plagen,

Auf daß die Weisheit glänzt, und stets Verehrer findt.

Seht, mit so schön und klugen Waffen

Will dieses Lein-Athen den Völkern Nutzen schaffen.
[457]

Ihr Musen singt und ruft mit mir;

GEORG und CAROLINE lebe!

Daß ihrer Krone Macht und Zier

Euch Wachsthum, Sicherheit, Schmuck, Kraft und Ehre gebe.

Es lebe dieser Musen-Hayn!

Und seine Priester die hier lehren,

Und täglich seinen Glanz vermehren.

Es leben alle die, so feine Glieder seyn!

So lange muß sein Flor bestehen,

Bis einst durch Knall und Gluth dieß Ganze wird vergehen.


Quelle:
Sidonia Hedwig Zäunemann: Poetische Rosen in Knospen, Erfurt 1738, S. 453-458.
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