Dem vernünftigen Läser.

[6] Weil bis anhähr der verschmähete Lihb-reiz fast keinen Deutschen hat ermundtern können, daß er seinem mund fohr der wält, von Libe zu räden, und der fäder, von ihrer kraft zu schreiben, verhingen hätte; so hat sich der arme knabe meisten-teils in Spanien, Wälschland und Frankreich aufhalten müssen. Nuhnmehr aber befündet er sich auch mit dem krige bei uns so eingenistelt, daß ich aus unserem Trauer-schau-spihle wohl sagen mahg:


Ja selbsten di kalten Hohch-deutschen

darf keiner zur lust

mehr schlagen und peutschen;

das liben ist ihnen von selbsten bewust.

Der hizzige, spizzige, wüzzige knabe,

das ippige, fiprige, kliprige kind,

so gihrig gesünnt,

bringt ändlich di tapfersten Helden zum grabe,

zum grabe, da könige,

da grohsse, da wenige

fohr töhdlichen schmärzen mit röhtlichen härzen,

in libe,

in brännender Libe

stähn traurig und trübe, u.a.m.


Jah der Hohch-deutschen ohren begünnen nuhn-mehr auch hurtig zu wärden, und hören gärn von der Libe, weil ihnen selbige durch übersäzzung der spanischen und wälschen Libes-geschichte so gänge gemacht sein, daß si von ihrer gebuhrts-ahrt und wohl-anständigen ernst-haftigkeit schihr abweichen dürften, wan man also fortfahren solte. Drüm, weil allen dingen ein rüchtiges zihl sol gesäzt sein, und unsere sprache durch solche lihbliche, und den ohren und augen an-nähmliche sachchen bäster mahssen kan erhoben und ausgearbeitet wärden; so halt' ich [*6b] daführ, daß es wohl das bäste wäre, wan man was eignes schribe, und der fremden sprachen bücher nicht so gahr häuffig verdeutschte, sonderlich, weil in den meisten weder kraft noch saft ist, und nuhr ein weit-schweiffiges, unabgemässenes geplauder in sich halten. Solches aber müst' auch nicht alzu geil und alzu weichlich sein, sondern bisweilen, wo es sich leiden wolte, mit einer lihblichen ernsthaftigkeit vermischet, damit wihr nicht so gahr aus der ahrt schlügen, und den ernsthaften wohlstand verlihssen.

Es ist weder einem Deutschen nahchteilig, noch einem Kristen zur sünde zu rächnen, wan er sich mit einer keuschen libes-beschreibung belustiget; aber solches alles zu gewüsser zeit. Das Feuer der blühenden Jugend erräget ofter-mahls sehr ahrtige[6] gedanken, di zwahr ihr, aber keinem Greisen, dessen feuer schohn verbloschen ist, wohl-anständig sein. wohrnahch einem Jünglinge verlanget, daführ träget ein alter grau-bahrt schäu und ekel. es wül ihm auch nicht gebühren, seine gedanken so weit von den gräbern ab zu länken. Di Lib' erfortert ein frisch- und lustiges gemühte; drüm kan si in keinem alt- und erkalteten, in keinem trähg- und verdrossenen härzen haften.

Wer wül uns dan nuhn verdänken, wan wihr auch (weil wihr noch jung sein, und das libes-feuer unter der linken brust in follem süden entsünden) ein und das andere keusche libesgetichte schreiben; sonderlich wan es von uns begähret würd, und wihr der kluhg-sünnigen Adelmund, welche dise gegenwärtige von uns erheischet hat, zu wüllen läben. Di Jugend flühet mit der zeit hin; also flühen auch di gedanken nahch ihrem alter zu, und begünnen sich auf ernsthaftere dinge zu länken. Wihr wärden auch ohne zweifäl hihrmit beschlühssen, und unsern pfahd-trätern disen hulprich-sanften Lust-wandel eröfnet hinterlahssen.


Gehabe dich wohl!

[*7a][7]

Quelle:
Philipp von Zesen: Adriatische Rosenmund. Halle a.d.S. 1899, S. 6-8.
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