Anmärkungen des fünften Buches.

Zur 11 Einteilung.


Als ein Lehrling in des Pitagoras Schuhle.] Dieser Pitagoras / des Demaratus Sohn / der aus Samos bürtig / zu Metopont gestorben / wie Frantz Petrarcha bezeuget / hat nach vielem hin und wiederreisen und untersuchen heilsamer Gesetze / die Wälschen zu Kroton zur Mäßigkeit gebracht / die Frauen zur Schaamhaftigkeit / und die Jünglinge zur Zucht ermahnet. Ja er bewog die Weibsbilder / durch die Heiligkeit und Eingezogenheit seines Lebens / so weit / daß sie ihre mit Golde gezierte Kleider / und allen ihren übermäßigen Schmuk der Alsgöttin Juno weiheten / und in ihrem Götzenhause aufhingen. Daher kahm er auch überal in ein solches Ansehen / daß man aus seiner Wohnung ein Götzenhaus machte / ja ihn selbst als einen Gott ehrete; wie Trogus / in seinem 20 Buche /Laertz / und Suidas / die seinen Lebenslauf beschrieben / und andere / die ihn zum höchsten rühmen / in ihren Schriften / aufgezeichnet. Niemand aber hat ihn mehr gerühmet / als Ovidius / der im 15 seiner Verwandlungsbücher ihm / unter andern / dieses herliche Zeugnis giebet:


MENTE DEOS ADIIT, & QUÆ NATURA NEGAVIT

VISIBUS HUMANIS, OCULIS EA PECTORIS HAUSIT.


Er lehrete zu Kroton / zu eben der Zeit / da Servius Tullius im Wälschlande herschete; wie Livius / und Dionisius bezeugen. Wan er einen Lehrling / nachdem er seine Geburtsahrt untersuchet / in seine Schuhlgeselschaft aufnahm / da war das erste Schuhlgesetz / das er ihm gab: er solte zween Jahre schweigen / und unterdessen nichts tuhn / als hören; wie Gellius / im 9 Hauptst. seines 1 Buches der Attischen Nächte[589] meldet. Wan er ihn aber wieder von sich lies / da muste er zuvor diese Wort hersagen:


Πῇ παρέβην, τι δ᾽ ἔρεξα, τί μοι δέον ουκ ἐτελέσϑη.


QUO TRANSGRESSUS SUM? QUID VERO EFFECI? QUID MIHI DECENS NON PERFECTUMEST? Wohin bin ich gegangen? Was aber hab' ich begangen? Wie weit bin ich von dem / das mich geziemete / abgegangen? Und also achtete Pitagoras die Verschwiegenheit für die gröste Tugend / darzu ein Jüngling sich gewöhnen solte. Ja ihm folgete hierinnen sein Lehrling Agato / den der König Archelaus /wie Elian meldet / so gern üm sich hatte / dermaßen eifrig nach / daß er einen Stein / damit er das Stilschweigen lernete / drei Jahre lang im Munde zu halten pflegete. Eben also schwieg auch der berühmte Tohmas / der Akwiner / schier allezeit / und hörete nur allein / was man sagte: daher ihn auch seine Mitlehrlinge nicht anders / als einen stummen Ochsen nenten. Also schwieg / auf Befehl seines Lehrmeisters / des Einsiedlers Paulus des ersten / drei gantzer Jahre lang Paulus Simplex so hartnäkkig / daß er auch nicht ein Wort redete. Also enthielt sich der Rede Zeno /welchen Tullius / in seinem Redner / für den Urhöber der Ernstsittigen ausgiebet / als er des Königs Antigonus Gesanten / die er nach Atehn geschikt / neben etlichen Weisemeistern / mit einem Gastmahle bewürtete / so gar / daß er anders nichts redete / als da er von seinen Gästen / die ihre Gelehrtheit mit überflüßigen Worten sehen liessen / was die Uhrsache seines Stilschweigens sei gefragt ward / nur allein zur Antwort gab: den Mund halten sei unter allen Dingen das schweereste. Ja also schwieg ewig stil der Weisemeister Sekundus / nachdem er Bluhtschande mit seiner eigenen Mutter getrieben / und sie sich deswegen / als sie aus der Stimme des Beischläfers vernommen / daß es ihr Sohn sei / für großem Hertzleide selbsten ermordet: damit er seine Stimme / die ihn der Mutter verrahten / strafen möchte; wie Diogenes Laertz aufgezeichnet.

Den Nahmen Etam.] Etam heisset in der Ebräischen Sprache so viel / als Vogelreich.

Wie irgend ein Melampus.] Dieser war ein berühmter Artzt /[590] und Wahrsager aus dem Vogelgeschrei / und ein Sohn des Amitaons; wie Homerus /im 15 Buche seines Heldengedichtes vom Ulisses /anzeiget. Nach seinem Nahmen scheinet die Schwartze Niesewurtzel / darvon Plinius im 5 Hauptst. seines 25 B. handelt / μελαμπόδιον, MELAMPODIUM genennet zu sein: weil er mit diesem Kraude des Prötus / Königes der Argiver / vier Töchter / welche Juno /mit Unsinnigkeit geschlagen / wieder / zu recht gebracht; daher eben dasselbe Kraut auch προίτιον, PRÆTIUM heisset. Virgiel scheinet / im 3 Buche seines Feldgedichtes / da er von den Artzneien wider die Sterbeseuche handelt / auch eben hierher gezielet zu haben. Des Melampus selbsten gedenket / unter andern / Propertz / im 2 Buche seiner Gedichte. Daß aber des Königs Prötus Töchter / von der Göttin oder vielmehr Königin Juno / weil sie schöner sein wollen / als dieselbe Juno / so rasend und unsinnig gemacht worden / daß sie sich Kühe zu sein eingebildet / und aus Furcht / sie möchten etwan vor den Pflug gespannet werden / in den Wald geflohen; dieses alles bezeuget Ferezides. Auch zielet eben hierher Virgiel / wan er / in seinem Gedichte vom Silenus / also schreibet.


PRŒTIDES IMPLERUNT FALSIS MUGITIBUS AGROS.


Zur 26 Einteilung.


Man rükte gantz unvermuhtlich auf das Jüdische Land zu.] Hiervon lautet die Geschicht im 15 Hauptstükke des Buchs der Richter also: da zogen die Filister hinauf / und belägerten Juda / und liessen sich nieder zu Lehi.


Zur 27 Einteilung.


Die Uhrsachen eines so unversehenen Uberfals zu erfahren.] Dieses zeiget der itztangezogene Ort mit folgenden Worten an: aber die von Juda sprachen: Warüm seid ihr wider uns herauf gezogen? Sie antworteten: wir seind herauf kommen / den Simson zu binden / daß wir ihm tuhn / wie er uns getahn hat.[591]


Zur 34, 37, und 38 Einteilung.


Sie selbst wolten hinziehen ihn zu greiffen.] Die Worte hiervon lauten / am schon itztangeführtem Orte des Buchs der Richter / also: da zogen drei tausend Männer von Juda hinab in die Steinkluft zu Etam /und sprachen zum Simson / weissestdu nicht / daß die Filister über uns herschen? Warum hastdu dan das an uns getahn?


Zur 38 und 40 Einteilung.


Der ihnen anders nicht getahn / als wie sie erstlich tähten.] So lauten die Worte der Geschicht im oftgemeldtem Buche der Richter: Er sprach zu ihnen: wie sie mir getahn haben / so habe ich ihnen wieder getahn. Sie sprachen zu ihm: Wir seind herab gekommen dich zu binden / und in der Filister Hände zu geben.


Zur 45, 46, und 47 Einteilung.


Weil nun Simson / aus Eingebung des Geistes GOttes / wohl wuste.] Das Buch der Richter schleust dieses alles in folgende kurtze Worte zusammen: Simson sprach zu ihnen: so schwöhret mir / daß ihr mir nicht wehren wollet. Sie antworteten ihm: wir wollen dir nicht wehren; sondern wollen dich nur binden / und in ihre Hände geben / und wollen dich nicht töhten.


Zur 51 Einteilung.


Also ward dan ein zweifacher Strük.] Hiervon spricht das vielgemeldete Buch der Richter abermahl kurtzbündig: und sie banden ihn mit zween neuen Strükken / und führeten ihn herauf vom Felsen.


Zur 54, 55, 57, und 60 Einteilung.


Sobald die Filister von ferne den Simson erblikten.] Die heilige Schrift fasset dieses alles / an oftangeführtem Orte / wieder gantz kurtz zusammen / wan sie also spricht: und da er kahm bis gen Lehi / jauchzeten die Filister zu ihm zu. Aber der[592] Geist des HErrn geriet über ihn / und die Strükke an seinen Armen warden wie Faden / die das Feuer versänget hat / daß die Bande an seinen Händen zerschmaltzen.


Zur 64, 65, und 85 Einteilung.


Simson erblikte von ohngefähr alda einen faulen Eselskinbakken.] Hiervon redet das 15 Hauptstükke des Buchs der Richter folgender Gestalt / ebenmäßig mit gantz kurtzen Worten: und er fand einen faulen Eselskinbakken. Da rekte er seine Hand aus / und schlug damit tausend Männer.


Zur 87 und folgenden Einteilungen.


Da er zu denen vom Stamme des Juda sagte.] Alle diese Reden deutet das Buch der Richter wiederüm mit gantz kurtzen Worten an / wann es also spricht: und Simson sprach: da liegen sie bei Hauffen. Ich habe / durch einen Eselskinbakken / tausend Männer erschlagen.


Zur 106 und 107 Einteilung.


Kaum hatte Simson seine Rede zu denen aus dem Stamme des Juda volendet.] Hiervon führet der Schreiber des Buches der Richter / nur allein diese wenige Worte: und da er das ausgeredet hatte / warf er den Kinbakken aus seiner Hand / und hies die Stätte Ramat Lehi. Da ihn aber sehr dürstete / rief er den HErrn an / und sprach / u.s.f.


Zur 116 Einteilung.


Eben also verschmachtete für Durste der Große Rohland.]

Von diesem / wie auch von den Glogauischen Rahtsherren / die auf Befehl Hertzog Johans von Sagan / im 1488 Jahre gefänglich gehalten warden /und in einem Schreiben / mit Dinte von Lichtputzenschwärtze gemacht / geschrieben / ihren unerleidlichen Durst selbst zu verstehen gaben / meldet Valerius Herberger im 60 Hauptst. des 11 Teils seiner Großen Tahten GOttes.[593]

Wie dort des Reichen Wanstes.] Diese Geschicht vom Reichen Manne findet man am Ende des 16 Hauptstükkes bei dem Heilverkündiger Lukas.


Zur 117 Einteilung.


Die Geschicht vom Einzuge des Heilandes zu Jerusalem auf einem Esel.] Diese beschreibet Matteus im 21, und Markus / im 11 seiner Heilverkündigung.


Zur 122 und 123 Einteilung.


Ach! HErr / rief er mit wehmühtigem Hertzen.] Dieses des Simsons Gebähtes erwähnet der Schreiber des Buches der Richter nur mit kurtzen Worten / wan er also schreibet: und Simson sprach: Du hast ein solches großes Heil gegeben / durch deinen Knecht. Nun aber mus ich Durstes sterben / und in der Unbeschnittenen Hände fallen.


Zur 128 Einteilung.


So bohrte dan seine Almacht in eben den Eselskinbaken.] Hiervon redet das Buch der Richter / am Ende des 15 Hauptstükkes / also: da spaltete GOtt einen Bakkenzahn im Kinbakken / daß Wasser heraus flos. Und als er trank / kahm sein Geist wieder / und ward erkwikt. Darüm heist er noch heutiges Tages des Anrufers Brun / der im Kinbakken ward.


Zur 129 Einteilung.


Eben einen solchen Wunderbrun.] Von diesem schreibet Moses selbsten / im 17 Hauptstükke seines 2 Buches.


Zur 131 Einteilung.


Ein solcher Brun / darnach Davids Hertz dürstete.] Hiervon lauten die Worte des 2 Buchs Samuels / im 23 Hauptstükke / wie folget: und David ward lüstern /und sprach: wer wil mir zu trinken hohlen des Wassers aus dem Brunnen zu Betlehem unter dem Tohre?

Quelle:
Philipp von Zesen: Sämtliche Werke, 17 Bände, Band 8, Berlin/ New York 1970 ff., S. 587-594.
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