[166] An einen guten Freund, als sie entfernet war.
Mein Herr Orontes denk er doch,
Der Kukuck plagt mich immer noch
Von Leipzig weg zubleiben,
Was aber ist wohl Schuld daran?
Dies, daß ich jeden Tag mir kann
So gut, als dort vertreiben.
[166]
Ich find auch gute Freunde hier,
Daneben Caffe, Wein und Bier,
Und was man nur will haben.
Die Lomberkarte neu und frisch
Liegt täglich richtig auf dem Tisch,
Uns Aug und Herz zu laben.
Wir sitzen recht im Paradies;
Wie Eva vor dem Apfelbiß
In Unschuld konnte leben,
So blüht auch manche schöne Frucht,
Die unserm Gaum und Zähnen sucht
Was schmackbares zu geben.
Verkürzte Stunden, Zeit und Tag,
Und was man sich nur wünschen mag,
Ist sicher hier zu finden.
Ein Scherz und Reim gilt hier auch viel,
Und endiget sich dieses Spiel,
Spatziert man um die Linden.
Da denk ich an die Lindenstadt;
Und regt sich nur das schwächste Blat,
Das Zephyr sucht zu küssen,
So spricht die Wirthin Lobesan,
Da kömmt gewiß ein Landsmann an,
Der euch nicht kann vermissen.
Allein sie fehlt; doch bringt dies mich
Auf andere gute Freund und dich,
Die mich entfernet grüssen.
Hat gleich der Raub, so mich betrifft
Viel Schmerz und Sehnsucht hier gestift,
Will ich nicht länger büssen.
[167]
Man mag hier bitten, flehn und schreyn,
So pack ich doch schon heimlich ein,
Die Heymath zu begrüssen,
Nunmehr hält mich nichts weiter auf,
Sollt man zu hemmen meinen Lauf,
Mich auch in Ketten schliessen.
Wie würd es um die Schule stehn,
Wollt ich noch länger müssig gehn?
Was spräch der Musenorden?
Der Herr Schulmeister Phoebus rief:
Ich wär, wenn ich die Zeit verschlief,
Zur Mammeluckin worden.
Nein, diese stehen oben an,
Wie man gar leichte denken kann,
In meiner Freunde Rollen.
Mit dieser Schaar verderb ichs nicht,
Weil sie durch ihren Unterricht
Aus mir was schnitzen sollen.
Drum zehl ich alle Stunden schon,
Bis daß ich euren Helicon
Kann wiederum erblicken.
Wie wird das Posthorn mich erfreun,
Das mich nach langem Aussenseyn
Zurück soll wieder schicken.
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