6. Scherzgedichte

[168] In einer Antwort.


O! macht mich nicht zum Kinderspott,

Vor alt zu thun bewahr mich Gott,

Das kommt mir niemals in den Sinn,

So wahr ich ehr- und redlich bin.


Die losen Mäuler in der Stadt,

Und was sonst ein gut Herze hat,

Die alle machen ein Geschrey

Als ob ich nicht wie vormals sey.


Ich liebe noch den Lautenschlag,

Ich sing, und spiele Tag vor Tag.

An Zuspruch fällt kein Mangel ein,

Wir müssen oft beysammen seyn.


Die Schäfer scherzen wie zuvor,

Die Nymphen schliessen mit den Chor;

Und Atalantens muntrer Kopf

Gleicht keinem Grill und Sauertopf.


Ach Damon denke nicht darauf,

Als hieng ich meine Leyer auf;

Mein Kiel ist noch nicht aus gespritzt,

Ob Momus gleich die Feder spitzt.


Was willst du mit dem Psaltergsang?

Dergleichen armer Sünder Klang

Gehört vor Näscher insgemein,

Die schwach und satt von Sünden seyn.
[169]

Du rühmst an mir ein hohes Herz,

Und das vergeht sich nicht im Scherz:

So wacht in später Jahre Lauf

Nicht erst ein bös Gewissen auf.


Gesetzt, ich nähm auch einen Mann,

Den man zum Nestor stellen kann,

So folgt doch lange noch nicht draus,

Als wär mit mir gleich alles aus.


Kurz, meine Feder braucht gar nicht,

Daß sie hierinn ein Urtheil spricht.

Der Vorwurf gehet mich nichts an,

Weil ich kein Theil dran nehmen kann.


Mein Wittwenstand bleibt noch bestehn,

Ich sehne mich nicht draus zugehn:

Die Freyheit ist ein edles Ding,

Wie schwer ist der Vermählungsring.


Der Umgang, den man täglich hat,

Und ein vom Freund beschriebnes Blat

Vergnügen mich, und noch weit mehr,

Als wenn ich in dem Keficht wär.

Quelle:
Christiane Mariane von Ziegler: Vermischte Schriften in gebundener und ungebundener Rede, Göttingen 1739, S. 168-170.
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