Art. 20.

[1926] 1.

Nachdem das evangelium regiert, sagt man nicht mehr so dumm, daß die werke genug allein vor Gott gerecht zu werden, seyn.

2.

Man spricht, der glaub und werk zugleich macht uns gerecht zum himmelreich, welche rede mehr trostes bring, als wenn man blos auf werke dring.[1926]

3.

Dieweil aber die glaubens-lehr, die das hauptstük beym Christen-heer, lange nicht recht getrieben war, so war das unsrer väter lahr:

4.

Zuerst, daß unsrer werke keins uns mit Gott wieder machet eins, gnad erwerbe oder ablaß; sondern der glaube thue das.

5.

Wenn man glaubt, daß um Christus willn Gottes zorn alleine zu stilln, der allein mittler zwischen Gott und uns ist in der sünden-noth.

6.

Ob iemand meinen möcht, er künn' das durch werk thun, und gnad verdien'n; sucht wieders evangelium ein'n weg zu Gott, veracht Christum.

7.

Die lehr vom glauben offennbar treibt Paulus an viel orten klar, Epheser zwey vers achte steht: Denn aus gnaden seyd ihr errett,

8.

Nur durch den glauben, und das noch nicht aus euch selbst, Gotts gab ists doch, nicht aus den werken, daß sich ja nicht iemand rühmen möchte da.

9.

Und daß hierin kein neuer sinn wird eingeführt, zeigt Augustin, der die sache gar oft tractirt und da's auch so befunden wird.

10.

Nicht werk, der glaub an Christum schlecht bringt gnad und macht vor Gott gerecht; so stehts in seinem buche da de Spiritu & Littera.

11.

Wiewol die lehr verachtung leidt, wenn sie hörn unversuchte leut, so find't sich, das sie denen blöd-erschroknen herzen gern eingeht.

12.

Das gewissen sucht fried und ruh; durch werke kömt es nicht dazu, wenns aber glaubt, was Gott verheißt, und bey sich selbst gewißlich schleußt:

13.

Es hab um Jesu Christi willn einen gnädgen Gott, so kan sichs stilln; sind wir im glaub'n gerecht geacht, so han wir fried mit Gott gemacht.

14.

Sanct Paul sagt seinen Römern das. Diesen trost trieb man in dem maß vorzeiten in der predig nicht; man hats die gewissen so bericht,

15.

Es komm auf eigne werke an; drum hat man deren viel gethan, den hat die angst ins closter jagt, den andern mit sonst was geplagt.

16.

Ein ieder suchte gnad und ruh, und wie er für die sünd gnug thu; allein es haben dieser viel erfahrn, daß das nicht helfen will.

17.

Darum es noth geworden ist zu lehrn den glaub'n an Jesum Christ, damit man weiß, daß der allein Gotts gnade ohn verdienst nimt ein.

18.

Zu merken, daß auch unterricht desselben glaubens halb geschicht, der beym teuffel aus wissenschaft, und beyn bösen aus leichtsinn haft't,

19.

Daß man die Passions-geschicht schon so glaubt, und nicht wiedersicht, und daß Christus aus todes-band etwan auch wieder auferstand.[1927]

20.

Sondern das ist ein gläubger Christ, dem es wahrheit und Amen ist, daß er vergebung seiner sünd und die gnade bey Christo find.

21.

Und welcher nun Christo zum preis, so viel vom lieben Gotte weiß, daß er sey sein gnädiger Gott, den er anrufft in aller noth;

22.

Der nicht mehr wie die Heiden-schaar lebt ohne Gott, dieweil fürwahr weder Satan noch Atheist an Den articul gläubig ist,

23.

Erlaß der sünd ist ihnen spott, drum hassen sie den lieben Gott, hoffen nichts gutes von dem Mann, ruffen ihn darum auch nicht an.

24.

Und wie itzt angezeiget war, redet die Schrift vom glauben gar, sie heißt ihn kein solch wissen nicht der teuffel und der bösewicht.

25.

Die epistel an die Ebrä'r spricht so: Der rechte glaube wär eine hoffnung und zuversicht auf Gottes zusage gericht't.

26.

Und Augustinus merkt auch an, das durchs wort Glauben zu verstahn die zuversicht zu Gottes gnad, daß man ein'n gnädigen Herrn hat;

27.

Nicht wie der teuffel und Satanas, der sich tod und hölle dran fraß, als es ihm in die hände kam, zu glauben die historiam.

28.

Man lehret ferner überein, gute werk solln und müssen seyn, nicht aber, daß man drauf vertrau, und Gottes gnade darauf bau,

29.

Sondern was man thut und thun kan, wird Gott zu lieb und lob gethan, die vergebung der sünde dann nimt doch der glaub aus gnaden an.

30.

Wenn durch den glaub'n an Jesum Christ der Heilge Geist gegeben ist; so wird auch das herze bequem, zu thun was dem Herrn angenehm.

31.

Denn zuvor ohne Heilgen Geist ist es zu schwach, daß es das leist, weils in des teuffels gewalt bleibt, der die natur zum sündgen treibt.

32.

Dahero sah man ie und ie, daß die alten Philosophi, wenn sie sich unterstanden han, zu leben als ehrliche mann,

33.

Das doch nicht haben ausgericht't, sondern an statt der tugend-pflicht in grobe sünden fielen nein, die nicht verborgen blieben seyn.

34.

So muß es allen menschen gehn, die, ausser im glauben zu stehn, und ohn des Heilgen Geists regiern, sich durch eigne kraft wollen führn.

35.

Sagt nicht vom glauben, lieben leut, daß er die guten werk verbeut; rühmt ihn vielmehr, daß er sie nun erst recht lehrt, und sie auch hilft thun.

36.

Er zeigt auch, wie man dazu kömt; und daß ihrs desto baß vernehmt, merkts noch einmal, wo Jesus Christ, und wo der glaube noch nicht ist:

37.

Da ist die menschliche natur gar eine arme creatur, zu guten werken viel zu schlecht; sie kan weder nicht beten recht;[1928]

38.

Im beruff häufft sie schuld auf schuld, im leiden fehlt es an gedult, am gehorsam, ans nächsten lieb, an sieg wieder der lust betrieb.

39.

Solche hohe und rechte werk geschehen allein in JESU stärk; wie er Johannis funfzehn spricht: »Ohn mich was thun das könt ihr nicht.«


Gebet.


Aber mit dir, herzlieber GOTT! thaten thun ist gleichwol kein spott. Ich halts mit dem, ders mit dir hält, wieder teufel und sünd und welt.

Quelle:
Nikolaus Ludwig von Zinzendorf: Ergänzungsbände zu den Hauptschriften, Band 2, Hildesheim 1964, S. 1926-1929.
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