25. Auf Heinrich des Andern Promotion zur Ruhe in die Hand Gottes

[71] 1722.


Was höre ich von dir? Reuß Plauisches Geschlechte!

Es ist ein Riß geschehn durch Stamm, durch Stadt und Land:

Der Graf zu Ober-Greitz wird selig ausgespannt.

Dir ist vollkommen wohl, vollendeter Gerechte.

Allein, was dringet nicht für ein gebrochner Ton

Der Klage über dich, bis zu des Lammes Thron?


Ihr Seelen, die ihr jüngst den jungen Held empfangen,

Indem er, von der Last des Irdischen befreyt,

Zum seligen Genuß der stillen Ewigkeit,

Nach wohl vollbrachtem Lauf, im Segen eingegangen;

Bewundert, neben mir, den unerforschten Rath,

Der diesen Cederbaum so bald versetzet hat.


Was, treue Gärtners Hand! was hat Dich wol bewogen,

Daß Du dem edelsten, dem Hoffnungs-vollen Reis,

Gewurzelt und gepflanzt zu Deiner Liebe Preis,

Bald nach der ersten Frucht, den Saft der Erd entzogen?

Die Pflanze Libanons ist allzu hoch beglükt,

Die itzt Dein Tempel-Haus gleich einem Pfeifer schmükt.


Ach, aber Herr, die Zahl beginnet abzunehmen

Der Heiligen, die Du in dieser argen Welt,

Zum Zeichen jedermann, zum Preise Dir bestellt.

Wann wirds sichs dann einmal zur bessern Zeit bequemen?

Wann, Menschen-Freund, wann steht Dein Philadelphia

In seiner Bruder-Lieb und Kinder-Einfalt da?


Und ach! was ist es nicht für ein gewisses Zeichen,

Daß du erzürnet seyst, gerechter Jehova:[72]

Wenn so ein Riß geschicht, so ist der Fall gar nah,

Der Fall, wo Stadt und Land aus ihrer Veste weichen,

Ein löblicher Regent von seiner Hut entrükt,

Bezeuget, daß es sich zum Untergange schikt.


Und wie so herzlich weh, wie weh ist ihr geschehen,

Frau Baase, da der Herr den lieben Ehemann

Von ihren Häupten nimt: Ich seh es also an,

Hier sey der schwere Rath des Herrn nicht abzusehen.

Hier gilt es, hier bedarfs nicht Ueberwindens: Nein,

Die Klag ist ihr vergönnt: Es soll gefühlet seyn.


Mit Rechte kan sie sich im Staube niederlegen,

Um den Entschlafenen mit Thränen übergehn,

Es sey an ihrer Stirn das tiefste Leid zu sehn,

Mit ihres Jammers Last den Unfall abzuwägen:

Bricht uns, Gebeugete, das Brüderliche Herz

Und ihr entsinkt das Haupt; wie tiefer dringt ihr Schmerz?


Ihr, die ihr ehemals das angenehme Wesen,

Das Heinrich, unser Freund, nur von Natur besaß,

Besonders hochgeschätzt, und nur sein Gnaden-Maaß,

Die neue Creatur, zu euerm Spott erlesen,

Was gilts? Sein schneller Tod setzt euch in Furcht und Graus,

Ihr wisset nicht wo ein, ihr wisset nicht wo aus?


Der Leib, den ihr geliebt, liegt itzo in dem Staube,

Ein unbequemes Haus verschliesset ihm das Licht,

Die Schönheit blitzt nicht mehr in seinem Angesicht,

Und was euch eh ergötzt, gedeyht dem Wurm zum Raube;

Nur das, was ihr verhöhnt, der aufgeschwungne Geist

Ist das alleine nun, was unverwelklich heißt.


So lernt an seiner Gruft euch GOTT in Zeiten weyhen.

Dringt dieser junge Held so bald zu Gottes Sitz;[73]

Erzittert! euer Tod bricht ein als wie der Blitz,

Der Falschgeliebte kan euch einst zur Quaal gedeyhen.

Ihn suchete die Welt, er wolte ihrer nicht;

Euch ließ sie gerne gehn, so seyd ihr drauf erpicht.


Die ihr dem Seligen als Hof- und Land-Beamte,

Nach Gottes Providenz, bedient gewesen seyd,

Erinnert euch fein oft der abgewichnen Zeit:

Wie euers Grafens Trieb aus Selbst-Verleugnung stammte.

In seinem Regiment hat er den Herrn gesucht,

Ihr sehts, erhaltet nun die draus erwachsne Frucht.


Ihr von dem schweren Fall erschrekte Unterthanen!

Geht euer Landes-Herr, geht euer Vater fort,

Gelangt er aus dem Sturm zum stillen Lebens-Port,

Wie solte euch dabey nicht mancher Unfall schwahnen?

Ihr, die ihr Gottes seyd, vereinigt Ernst und Kraft,

Und ringt, und fleht anitzt für eure Vormundschaft.


Von mir und meinem Sinn ist wol nicht Noth zu sagen.

Ich denke, was mir jüngst ein Freund des Bräutgams schreibt,

Daß unsers Bruders Geist noch immer bey uns bleibt;

Ob unser Bau-Herr gleich die Hütte abgetragen:

Die Stadt, die droben ist, steht mit der untren Stadt

In einem Geist verknüpft zu Rath, Gebet und That.


Wohlan! Erlaubet mir von unsers Mitknechts wegen,

Ihr Brüder, und auch ihr von Zions Schwesterschaft,

Nur eine Wahrheit noch, in meiner schwachen Kraft,

Dem Bräutigam zum Preis, euch an das Herz zu legen:

Ists nicht? Er winket uns, der holde Bräutigam,

Auf Kinder! Folgt der Spur, dem Schafe nach, zum Lamm!


Hohel. 1, 8.

Der Bruder folgete der ganzen Wolke Zeugen,

Ebr. 12, 1.

Die einem Felsen nach, zur Tieff' und Höhe dringt,[74]

Und dem erwürgten Lamm Preis, Lob und Würde singt.

Beliebts der Sonne nun sich da herab zu neigen;

So zeitigt sie bald itzt bald dann ein Tröpfelein,

Und nimt es sanftiglich in ihre Klarheit ein.


Wer weiß, wem unter uns, die wir den Heiland lieben,

Und unsern Stand daselbst zu suchen willig seynd,

Wo Jesu Christi Schmach und Demuth sich vereint:

Von uns, die noch allhier am Arbeits-Karren schieben,

Wer weiß, wem unter uns, du Gloriöser Fürst,

Den Sieges Palmen-Zweig vor andren reichen wirst?


O Lamm! Ich bitte Dich, um Deiner Treue willen,

Schau mit Barmherzigkeit die kleine Heerde an,

Wie sie in dieser Welt sich gar nicht häuffen kan,

Vielweniger dein Land, Immanuel, erfüllen!

Kaum ist ein Lamm bey uns im Stalle angelangt,

So hört man, daß es schon auf Deinem Berge prangt.


O Liebe! Dir sey Dank, daß Du den theuren Zweyten

In diesem Jammerthal ein wenig aufgespart,

Und vor dem süssen Gift der Heucheley verwahrt,

Nun aber auch die Stadt ihm wollen zubereiten.

O König! sey gelobt für alle diese Treu,

Mach jeden Augenblik sie seinem Hause neu.


Nur eins, du gutes Lamm! nur diß, begehrt der Haufe,

Der sich so nach und nach, zu Philadelphia

In Liebe samlen läßt, der Deinem Herzen nah,

Und Dir vermählet ist, durch Geist- und Feuer-Taufe,

Diß Eine bitten wir: O Lamm! verlaß uns nicht,

Entzünde unter uns noch manches Glaubens-Licht.


Dein Herze neige sich in Väterlicher Liebe,

Auf die, so Deinen Knecht zur Welt geboren hat,1[75]

Gib ihr, du Gottes-Lamm, Erkentnis, Rath und That,

Verdoppele in ihr des guten Geistes Triebe,

Zum Siege führe aus den innern Zweifel-Streit,

Und richte ihren Sinn straks auf die Ewigkeit.


Laß diese, um der Welt ihr Harren zu beschämen,

Die mit dem Seligen genau verbunden war,2

Und die du dazumal entrissest der Gefahr,

Nun zur Beständigkeit den vesten Vorsatz nehmen,

Sey Du, an jenes statt, der Bräutigam und Mann,

Der ihren ganzen Geist nach Willen lenken kan.


Laß, Vater-Herz, das Paar der hinterlaßnen Söhne

Dir zu besondrer Treu und Zucht empfohlen seyn.

Nim, Vater, ihren Geist, das zarte Wesen ein,

Damit er sich so bald Dein Wesen angewöhne:

Und endlich gönne auch die Krone diesem Paar,

Die ihres Vaters Zwek, und selge Hoffnung war.


HERR, hast Du Ober-Greitz und Ebersdorf erwehlet,

Im Reussen-Lande Dir ein Feur und Heerd zu seyn,

Und führst den Aelteren bereits zur Ruhe ein;

So werde destomehr der Jüngre eingepfählet,

Ja Herr bevestige den Neun und Zwanzigsten,

Schreib ihn, als Deinen Knecht, ins Buch der Redlichen!


Die Schmach, den Ehren-Kranz der lieben Gottes-Kinder,

Womit so mancher Knecht der Sünde jenen Mann,

Der nun gesieget hat, ganz durstig angethan,

Entziehe diesem nicht. Er werd ein Ueberwinder,

Zum Zeichen in der Welt, zum Widerspruch gesetzt,

Und mit Propheten-Lohn dereinst von Dir ergötzt.


Wird nun der Grafen-Stand, die eitele Chimere,

Die an sich selber nichts, als Koth und Schaden ist:[76]

Woferne man dabey der Kindschaft Siegel mißt,

Ein nützlich Boten-Schild zu unsers Königs Ehre;

So schäm ich mich so dann auch dieses Namens nicht,

Und trag ein Fünklein bey zum schönen Abend-Licht.


Auf, Brüder, lasset uns der Trägheit alle schämen,

Die Zeit ist kurz, die Pflicht ist groß, des Thuns ist viel,

Kämpft, fechtet, lauft getrost und unverrükt zum Ziel:

So muß sich Welt und Fleisch, und Satanas bequemen.

Die Grösse dieser Welt ist nur ein Narren-Tand;

Ein Priester Gottes seyn: Das ist ein hoher Stand.

Fußnoten

1 Henriette, geborne Gräfin von Friesen, als damalige Gemahlin Herrn Heinrich des VIten, Königlich Pohlnischen General-Feld-Marschalls.


2 Seine damalige Wittib, nunmehrige Gräfin zu Erbach.


Quelle:
Nikolaus Ludwig von Zinzendorf: Ergänzungsbände zu den Hauptschriften, Band 2, Hildesheim 1964, S. 71-77.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Jean Paul

Des Luftschiffers Giannozzo Seebuch

Des Luftschiffers Giannozzo Seebuch

Als »Komischer Anhang« 1801 seinem Roman »Titan« beigegeben, beschreibt Jean Paul die vierzehn Fahrten seines Luftschiffers Giannozzos, die er mit folgenden Worten einleitet: »Trefft ihr einen Schwarzkopf in grünem Mantel einmal auf der Erde, und zwar so, daß er den Hals gebrochen: so tragt ihn in eure Kirchenbücher unter dem Namen Giannozzo ein; und gebt dieses Luft-Schiffs-Journal von ihm unter dem Titel ›Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten‹ heraus.«

72 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Spätromantik

Große Erzählungen der Spätromantik

Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.

430 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon