51. Auf Herrn Graf Henkels Jahrs-Tag

[148] 1726.


Du ewiger Abgrund der seligen Liebe

In Jesu Christo aufgethan,

Wie brennen, wie flammen die freudigen Triebe,

Die kein Verstand begreiffen kan;

Was liebest Du? Sünder, die schnöde Zucht;

Wen segnest Du? Kinder, die Dir geflucht.

O grosses, ja gutes, ja freundliches Wesen!

Du hast Dir was schlechtes zum Lust-Spiel erlesen.


Chor.


Ist doch, Herr Jesu, Deine Braut ganz arm und voller Schanden: noch hast Du sie Dir selbst vertraut am Creutz, mit Todes-Banden! Ist sie doch nichts, als Ueberdrüß, Fluch, Unflat, Tod und Finsternis: noch darfst Du ihrentwegen den Scepter niederlegen.


Weils aber Dein Liebes-Rath also beschlossen,

Der gerne freye Wirkung hat;

So werde mit ewigem Danke genossen

Ein' jede Frucht von Deiner Gnad.

Wir geben die Seelen im Leibe hin,

In irdischen Höhlen den Himmels-Sinn,

Der ewigen, herrlichen, seligen Liebe,

Zur Werkstatt der geistlich- und göttlichen Triebe.


Chor.


Lebe dann, und lieb und labe in der neuen Creatur, Lebens-Fürst, durch Deine Gabe,[148] die erstattete Natur, erwekke Dein Paradies wieder im Grunde der Seelen, und bringe noch näher die Stunde, da Du Dich in allen den Gliedern verklärst, sie hier noch des ewigen Lebens gewährst.


Dagegen verspricht uns das prächtige Wesen,

So sich als Vater kund gethan,

In himmlischen Schätzen uns auszuerlesen,

Was unsre Seelen zieren kan;

Und über die Hütte, die bricht wie Glas,

Auch Segen zu schütten mit vollem Maaß:

Wir sollen von unzuerschöpfenden Schätzen

Uns selber, und neben uns andre, ergötzen.


Chor.


Seht aber, wie selig wir haben erwehlet, die wir sind zum Segen der Brüder gezehlet! wir sind die erkauffete seligste Schaar. Ach! lobet den Vater; denn kurz: Er ists gar. Singt Ihm mit vereinigtem Herzen und Munde: ohn Loben und Lieben vergeh keine Stunde. Wir stehn vor dem Herren, als einer im Bunde.


Du König der Herrlichkeit, unser Verlangen

Geht nie so weit, als Deine Huld;

Wir haben mehr Wohlthat und Segen empfangen,

Als Strafe wir bey Dir verschuld't.

Drum lehr uns vertrauen dem Vater-Sinn,

Und sehnende schauen zum Sohne hin,

Dein Geist unterricht' uns bey frölichen Tagen

Dir etwas erhörlichs vom Bruder zu sagen.


Chor.


Was mich Dein Geist selbst bitten lehret, das ist nach Deinem Willen eingericht't, und wird gewiß von Dir erhöret, weil es im Namen Deines Sohns geschicht, durch welchen ich Dein Kind und Erbe bin, und nehme von Dir Gnad um Gnade hin.
[149]

Es werden doch alle die mächtigen Segen,

Die sich den Deinigen zum Heil

Von Christo, dem Haupte, zun Gliedern bewegen,

Dem lieben Bruder auch zu Theil;

Er heisse mit Namen, und sey dann auch,

(Bey Jesu, dem Amen, ist Wahrheit Brauch,)

Ein Christ und ein Jünger des ewigen Gottes,

Dort theilhaft der Ehre, hier theilhaft des Spottes.


Chor.


Unserm Inwendigen ist es sehr gut: sauer ansehen, schelten und schmähen, pflegt nur die Spreu von dem Waitzen zu wehen, treibet zu Jesu, und mehret den Muth. Unserm Inwendigen ist es sehr gut.


Es bitten, es flehen, es schütten ihr Sehnen

Vor Deinem treuen Herzen aus

Zwey, die Du gewußt hast an Dich zu gewöhnen;

Zween kleine Stein an Deinem Haus,

Zusammen gesunken in Christus Sinn,

Die schlagen die Funken zum Herzen hin.

So laß dann denselben zu Liebe geschehen,

Was Du von Dir selber so gerne magst sehen.


Chor.


Das Schreyen der Kinder wird wahrlich erhöret, durch völlige Eintracht wird Babel zerstöret, wer ist, der verbundenen Geistern was wehret:


Du hast Dich am Bruder sehr kräftig bewiesen,

Seitdem Du ihn der Welt gezeigt.

So werde dann täglich mehr von ihm gepriesen,

Und Dir sein Herze zugeneigt;

Dein feuriges Leben errege sich,

Ihm Kräfte zu geben, um ritterlich

Den Satan, und Welt, und die Trägheit im Kämpfen

Im göttlichen Ernste mit Nachdruk zu dämpfen!


[150] Chor.


Er ist ein Durchbrecher, der vor uns auffähret, wenn wir sind ermüdet, und ganz ohne Saft, so machet Er leichte, was heftig beschweret, sprengt Klüfte und Berge in Göttlicher Kraft. Wer läßt sich nun grauen den Durchbruch zu schauen: Der, welcher die Felsen zuschmetteren können, geht vornan im Gliede beym Kampfe und Rennen.


Du freudiges Wesen, Du liebliche Wonne,

Erwekk' itzt unser aller Geist,

Damit wir in Deinem Licht, ewige Sonne

Erblikken, wie Dein Name heißt;

Von welchem Vermögen Dein sanft Joch sey,

Wies, wenn wir dran zögen, uns recht befrey,

Diß alles belieb uns inwendig zu weisen,

Damit dann die Werke den Meister auch preisen.


Chor.


O was sind wir in Dir, Jesu! Selig, mächtig, schön und reich, voller Gnade, Kraft und Leben, Deinem heilgen Bilde gleich. Wir gefallen Deinem Herzen, nichts verdammlichs kan uns schwärzen.


Ach! segne die, welche den Bruder geboren,

Die er noch hier als Mutter ehrt.

Sie bleibe zum ewigen Frieden erkoren,

Der Kinder Wünschen werd erhört;

Die Tochter, die Seinen auch ausser Land,

Behalt, als die Deinen, in Deiner Hand,

Und ihme selbst falle, nach redlichem Fechten,

Und herrlichem Siege, das Loos der Gerechten.


Chor.


Da Gott Seinen treuen Knechten geben wird den Gnaden-Lohn, und die Hütten der Gerechten stimmen an den Sieges-Ton; Da fürwahr Gottes Schaar Ihn wird loben immerdar.
[151]

Quelle:
Nikolaus Ludwig von Zinzendorf: Ergänzungsbände zu den Hauptschriften, Band 2, Hildesheim 1964, S. 148-152.
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