88. Auf den Superintendenten Josephi in Sorau

[242] 1730.


Joseph! mein verborgner Bruder, länger halt ich mich nun nicht,

Dich vor allen öffentlich einen Knecht des Herrn zu nennen,

Deine Liebe gegen Den, der die Lieb ist, zu bekennen,

Joseph, du geschmükter Priester mit dem Recht und mit dem Licht!

Muß ich dann der Seligkeit, mich mit Brüdern zu erquikken,

Und mit ihnen aus dem Glauben zu verstärken, müßig gehn;

Will ich endlich meine Flügel bis zu Gottes Stuhl erhöhn,

Wo sie allerseits im Geist nach der Streiter Lägern blikken.

Joseph! diesen letzten Ausdruk meiner Liebe gegen dich,

Die du lange schon gefühlt, laß ich alle sehn und hören,

Deren Ueberlegungs-Kraft nicht die Vorurtheile stören.

Joseph! deine stille Führung reitzte mich oft inniglich.

Ich vergesse nimmermehr, was du an des Herren Tage

Ganz geheim mit mir gesprochen, wie du deinen Wandel führt'st,

Wie du deiner Brüder Herz gerne in einander rührt'st:

Wo du aber inne hielt'st: Merke, hieß es, was ich sage,

Joseph! deinen Hirten-Stekken kanst du mit getrostem Sinn

Jesu, deinem Ober-Herrn, der dich einhohlt, überreichen.

Sorau! unser Erz-Bischof gebe dir bald einen gleichen,

Daß es hier nicht heissen möge, Josephs Geist ist mit dahin.
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Werther Graf! ich bitte dich, von der Wunden Christi wegen,

Liebe Seine rauhen Dornen, laß dem Fleische keine Ruh;

Will Gott Seinen Sohn verklären, fahre augenbliklich zu.

Wer den Harnisch nimt, muß ihn ohne Sieg nicht von sich legen.

Hast du viel Verhindernisse, lieget dir die Perle tief,

Weil du hochgeboren bist, neige dich zu Christo nieder,

Der stieg eine Höh herab, und fand doch die Höhe wieder.

O wie wohl ist mir geworden, da Er mich ans Creutze rief.

Fürstin! deren guten Sinn unser Joseph stets gepriesen,

Und gewiß von ihr geglaubt, Jesus Christus würd ihr doch:

Dieser ist nicht mehr vorhanden, aber sonst ein Joseph noch,

Der des Landes Vater ist, und zu dem er sie gewiesen.

Töchter! die ihr unserm Heiland nicht mehr fremd und unbekant,

Und nur Fürsten-Kinder wart, eh ihr Kinder Gottes worden,

Denkt an Joseph, weil ihr lebt, und verbleibt beym Creutzes-Orden.

Alle Schafe seiner Pflege nehm' der Hirt in Seine Hand.


Quelle:
Nikolaus Ludwig von Zinzendorf: Ergänzungsbände zu den Hauptschriften, Band 2, Hildesheim 1964, S. 242-244.
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