|
[58] Ein Garten. Seitwärts im Vordergrunde eine Rosenlaube mit einer Rasenbank.
Andreas Gritti, Doge von Venedig, und Dandolo, im Lustwandeln.
DOGE.
Den Gesandten Frankreichs, sagt Ihr,
Hat mein Wort verdrossen, das ihm
In der Signoria ward?
War's unwürdig, war's zu hart?
Warum nennet sich sein Herr
Allerchristlichster der Fürsten,
Er, der Türken Busenfreund,
Die nach blut'gem Untergang
Jedes Christenreiches dürsten?
Darf ich, darf die Republik
Je vergessen unsrer Schmach?
Je vergessen Corfu's Jammer?
Fünfzehntausend arme Christen
Schleppten sie in Sklaverei,
Und die Insel liegt verwüstet!
Das geschah durch Frankreichs Ränke;
Und der tückische Doria
Sah die Landung der Barbaren,
Floh mit seiner ganzen Flotte,
Feig und schadenfroh, davon.
DANDOLO.
Euer Zorn, durchlauchter Herzog,
Allerdings grollt er gerecht.
Aber ...
Die Achseln zuckend.
[59]
DOGE.
Ich versteh' Euch, Freund.
Frankreich und der deutsche Kaiser
Stehn uns allzuüberlegen.
Doch, fürwahr! noch ist Venedig
Nicht der fremden Fürsten Magd.
Hundert unserer Galeeren
Furchen noch den Ocean.
Und aus tausend Feuerschlünden
Brüllt der Löwe des St. Marcus
Noch den stolzen Gegner an.
DANDOLO.
Ach, der Löw' ist alt geworden,
Seine Kräfte sind gebrochen;
Und die Zeit, die aus der Fülle
Ihres Schatzes Alles reichet,
Gibt die Jugend nie zurück.
Mit gewohnter Ehrfurcht schauet
Noch Italien zu Euch auf.
Noch hat Kaiser Karl des Schreckens
Nicht vergessen, als er vor Euch
In die Berge von Vicenza
Zitternd und verlassen floh;
Als Ihr Padua erstürmtet,
Und den Paß von Serravalle.
Aber wenn einst ... gnädiger Herr ...
Andre Stunden, andre Sterne!
DOGE.
Fort den Trübsinn, Dandolo!
Laßt den Sterblichen verschwinden,
Blüht die Menschheit doch unsterblich[60]
Wie Natur, in ew'ger Jugend.
Andre werden nach uns kommen,
Ihres Vaterlandes Zier,
Groß und größer wohl, denn wir.
DANDOLO bitter lächelnd.
Andre? Meint Ihr unsre Helden,
Die, alltäglich und allnächtlich,
Hinter Flaschen Wein verschanzt,
Frech die alte Tugend höhnen?
Denen keiner Jungfrau Ehre,
Keine Tugend heilig gilt?
Die nach Ehrenstellen geizen,
Um Provinzen auszuplündern,
Und, mit dem erstohlnen Golde,
Ungebundner Lust zu pflegen?
Die in Pracht und Weichlichkeit
Cyperns Wollust und Verderben
Dem Lagunenstaat vererben?
Buchempfehlung
Der in einen Esel verwandelte Lucius erzählt von seinen Irrfahrten, die ihn in absonderliche erotische Abenteuer mit einfachen Zofen und vornehmen Mädchen stürzen. Er trifft auf grobe Sadisten und homoerotische Priester, auf Transvestiten und Flagellanten. Verfällt einer adeligen Sodomitin und landet schließlich aus Scham über die öffentliche Kopulation allein am Strand von Korinth wo ihm die Göttin Isis erscheint und seine Rückverwandlung betreibt. Der vielschichtige Roman parodiert die Homer'sche Odyssee in burlesk-komischer Art und Weise.
196 Seiten, 9.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro