|
[187] Flodoardo. Parozzi.
PAROZZI sehr freundlich.
Ha, mein edler Mocenigho!
FLODOARDO ihm entgegen.
Mir gegrüßet, Don Parozzi.
Lange ward mir nicht die Ehre,
Eure Herrlichkeit zu sehn.[187]
PAROZZI ihm die Hand drückend.
Ach, mein Bester, Niemand mehr,
Als ich selbst, verlor dabei.
Man ist Meister wohl des Herzens,
Aber Meister nicht der Stunden.
Tausendfache Kleinigkeiten,
Kränklichkeiten, Lustparthien,
Ehstandssachen, Staatsgeschäfte,
Hielten mich im Garn verstrickt;
Nicht der Traum bloß, auch das Wachen,
Quält uns mit dem Mißgeschick,
Daß man fort und immer fort will,
Und im sehnsuchtsvollen Streben
Keinen Zoll breit weiter rückt.
FLODOARDO.
Ihr scheint wohlgemuth und heiter.
PAROZZI.
Könnt' ich anders bei Euch sein?
Glaubt mir, wenn der Knochenmann
Hipp' und Sanduhr vor mir schüttelt, –
Wäret Ihr bei mir, ich lachte
Ihm ins grinsende Gesicht.
FLODOARDO.
Spötter, Spötter! warum wichet
Ihr mir aus, wenn oft ich gern
Näher Euch gekommen wäre?
PAROZZI.
Ausgewichen? Ihr seid grausam.
Aber wer, zum Beispiel, lehnte[188]
Rund und kalt, vor drei, vier Wochen,
Meine Einladung zum Ball ab?
FLODOARDO.
Wer vermied geflissentlich
Lustbarkeiten und Bankette,
Wenn er wußte, daß ich Gast war?
PAROZZI laut auflachend.
Allerliebst, der Streit gefällt mir!
Wer uns hörte, würde schwören,
Daß wir Liebesleutchen wären,
Die sich zanken, um die Wollust
Der Versöhnung zu erhöhn.
Er umarmt ihn.
Hier die Hand! – und hier den Mund!
Nun denn ... ewige Versöhnung!
FLODOARDO.
Eure Herrlichkeit beschämt mich.
PAROZZI.
Also bin ich guter Christ;
Sammle helle Feuerkohlen
Auf dem Haupte meines Feindes.
Weg den Groll, und ew'ge Freundschaft!
FLODOARDO lächelnd.
Ew'ge Freundschaft! O ich sah
Manche, schön, wie Aphroditen,
Aus dem Schaum des Weins gestiegen,
Wieder mit dem Rausch entfliegen.
PAROZZI.
Falsches Gleichniß! Wir ja sind
Nüchtern, wie zwei Diplomaten,[189]
FLODOARDO.
O, die schließen ew'gen Frieden,
Dauerhaft, wie Märzenschnee.
PAROZZI etwas betreten.
Ich begreif' Euch nicht. Ihr scheint
Zweifel oder Widerwillen ...
FLODOARDO.
Nein, ich bitte sehr, verzeiht!
Kindischbange Aengstlichkeit
Läßt mich zittern, Eure Freundschaft
Könnte mir verloren gehn.
Eben meine Furcht verbürgt,
Was mir dieses Kleinod gilt.
Doch wozu Versicherungen?
Worte, sagen, was man sein kann;
Thaten lehren, was man ist.
Darf ich einen Dienst Euch leisten,
So gebietet über mich.
PAROZZI.
Allzugütig, lieber Ritter.
Im Palast hier, sagt man, seid Ihr
Wie im eignen Haus daheim.
Könnt Ihr eine Unterredung
Mit dem Herzog mir verschaffen?
Aber ganz allein mit ihm.
Es sind dringende Geschäfte.
FLODOARDO.
Mit Vergnügen. Wollt Ihr Euch
Einen Augenblick gedulden?
Ab in das Gemach des Dogen.
[190]
PAROZZI allein, mustert den Saal mit Wohlgefallen, und durchschreitet ihn mit einer Art Hochgefühls.
Ja, noch ein paar rauhe Wochen,
Ein paar Stürme durchgekämpft,
Und es dürfte dann wohl dieser
Alterthümliche Palast
Don Parozzi's Wohnsitz werden ....
Uebel scheint sich's nicht zu leben
In den königlichen Sälen,
Von der Ehrfurcht einer Welt,
Und der alten Pracht umgeben.
Wenn einst vor der Marcuskirche,
Mitten auf der Riesentreppe,
Die durchlauchte Signoria
Mir begegnet, – mir das Haupt deckt
Mit herzoglichem Barete:
Ha, in andrer Majestät
Will ich mich dem Volke zeigen,
Als der altersschwache Gritti.
Buchempfehlung
Nachdem Christian Reuter 1694 von seiner Vermieterin auf die Straße gesetzt wird weil er die Miete nicht bezahlt hat, schreibt er eine Karikatur über den kleinbürgerlichen Lebensstil der Wirtin vom »Göldenen Maulaffen«, die einen Studenten vor die Tür setzt, der seine Miete nicht bezahlt.
40 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro