|
[230] Glänzende Versammlung von Senatoren und Edeln, unter ihnen da Doge, Contarino, Parozzi, Memmo, Falieri, Abbate, Tolomeo, – und von Edelfrauen, unter denen auch Rosamunde und Iduella. Sie bewegen sich in geselliger Unterhaltung durcheinander; einige stehen in einzelnen Gruppen vertheilt.
MEMMO der zu Parozzi und Contarino in den Vorgrund kömmt, halblaut.
Sagt doch, Leutchen, ist's hier richtig?
Oder habt Ihr's recht gehört?
Warum mußte Mann für Mann
Von den Gästen Dolch und Degen,
Vor dem Eintritt in den Saal,
In die Hand der Diener legen?
PAROZZI verdrießlich.
Ei, es sei ein Rathsbeschluß,
Der verwirrten Zeiten wegen.
MEMMO.
He, nun stehn wir da, wie Laffen,
Plötzlich ohne Wehr und Waffen.[230]
Was beginnen, wenn wir nun
Schaffen sollen, was uns obliegt?
PAROZZI.
Hm, im Nothfall wird von uns
Jeder doch ein Dutzend Weiber,
Oder einen von den dürren
Federputzern auf sich nehmen?
Er schlägt sich auf die Hüfte.
Uebrigens, ich bin versehn!
CONTARINO.
Sorget nicht. Sobald es dunkelt,
Werd' ich mich von hinnen schleichen,
Werd' ich frische Waffen reichen.
Sie gehen gegen den Hintergrund, da sie den Dogen und Rosamunden nahe sehen.
DOGE.
Richte dich empor und leuchte,
Als die Königin des Festes,
Allen in der Freude vor.
ROSAMUNDE.
Oheim! – Oheim! meine Seele
Will in Bangigkeit verschmachten.
Längst schon hat die achte Stunde
Im St. Marcusthurm geschlagen, ...
Längst ... und Er ist noch nicht hier.
DOGE.
Nur vor wenigen Minuten ...
ROSAMUNDE.
Schlug das erste Viertel schon,
Und die neunte Stunde naht.[231]
Oheim, Unglück ist gekommen!
Zieht das schwarze Siegel vor.
DOGE.
Nichte des Andreas Gritti,
Will dein stolzer Muth verzweifeln?
Nimmermehr! Und welches Loos
Immerhin das Schicksal werfe
Rosamunde, Wir sind Wir!
Festen, unerschrocknen Sinnes,
Unveränderten Gesichts,
Laß uns beide dem Verhängniß,
Laß dem Tode, wenn es sein muß,
In das starre Antlitz schau'n.
EIN SENATOR naht sich.
Eure Durchlaucht ...
DOGE zum Senator.
Sind die Gäste
Allzumal im Saal beisammen?
Habt Ihr einzeln durchgezählt?
SENATOR.
Allesammt, und keiner fehlt.
DOGE.
Ruft nun aus der Vorderhalle
Die Dalmatier heraus;
Laßt sie mit den Hellebarden
Wachen an des Saales Pforten.
SENATOR entfernt sich. Der Doge und Rosamunde folgen ihm.
FALIERI tritt im Gespräch mit Parozzi vor.
Glaubt mir doch! Geht selbst zum Fenster.[232]
PAROZZI ärgerlich.
Still, und scheint nicht so verlegen.
Eure Furcht malt Euch Gespenster
Ohne Zweifel Abtheilungen
Der dalmatischen Besatzung
Um die Wachten abzulösen.
FALIERI.
Nein, es sind bei tausend Mann,
Die den Marcusplatz besetzen;
Während tausend andre schon,
In vierfache Reih'n gegliedert,
Den Palast und uns umzingeln.
PAROZZI kopfschüttelnd.
Seltsam! Laßt mich selber sehn.
Ohne Contarino's Willen
Reget sich kein Kriegesvolk.
Sollt' er wirklich eigenmächtig
Den Beschluß geändert haben?
Sein verdammter Ungestüm
Kann uns in Verderben werfen.
Verliert sich unter den Gästen.
MEMMO naht sich.
Falieri, was gibt's draußen?
Alles wimmelt von Soldaten.
FALIERI finster murmelnd.
Wenn's nicht Vogelsteller sind.
MEMMO ängstlich seufzend.
O, daß ich doch Flügel hätte,
Auch nur einer Fledermaus![233]
Ich, wahrhaftig muß hinaus,
Frische, freie Luft zu schöpfen.
Buchempfehlung
Grabbe zeigt Hannibal nicht als großen Helden, der im sinnhaften Verlauf der Geschichte eine höhere Bestimmung erfüllt, sondern als einfachen Menschen, der Gegenstand der Geschehnisse ist und ihnen schließlich zum Opfer fällt. »Der Dichter ist vorzugsweise verpflichtet, den wahren Geist der Geschichte zu enträtseln. Solange er diesen nicht verletzt, kommt es bei ihm auf eine wörtliche historische Treue nicht an.« C.D.G.
68 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.
428 Seiten, 16.80 Euro