Zweiter Auftritt.

[234] Die Vorigen. Wachten mit Hellebarden besetzen den Hintergrund. Zwei Dalmatier treten hinter des Dogen Sitz. Unter den Anwesenden Bewegung und Erstaunen.


FALIERI winkt Parozzi heran.

He, Parozzi, seht Ihr dort?

PAROZZI halblaut.

Nichts! ein halbes Dutzend alter

Schnurrbärt' aus Dalmatien.

Lustig! Immer unbefangen!

Steht nicht, wie die thörichten

Jungfrau'n da, mit leeren Lampen.

MEMMO.

Ja, ... wenn das Gewissen ... das ...

PAROZZI verdrießlich und schnell.

Man muß kein Gewissen haben,

Dann beißt auch das böse nicht.

FALIERI.

Still! Der Doge, scheint's, will reden.

DOGE in der Mitte des Saals.

Laßt Euch, Edle von Venedig,

Dieses krieg'rische Geräusch

Nicht befremden, und noch minder

Eure frohe Laune stören.

Freilich, seltsam muß es scheinen,

Hier zu Lust vereinte Gäste[234]

Mitten im Geklirr der Waffen,

Gleich Gefangenen, zu sehn.

Und vielleicht noch wunderbarer,

Als das Räthsel, ist die Lösung.

MEMMO halblaut zu Falieri.

Wenn uns nicht ein Wunder hilft,

Kann mich wahrlich nichts mehr wundern.

DOGE.

Alle wißt Ihr, welch Entsetzen

Abellino, jener Mörder

Des ehrwürdigen Canari,

Des gerechten Dandolo,

Durch die Stadt verbreitet hat.

Ja, sein Dolch scheint nur das Werkzeug

Einer mächtigen Verschwörung.

Alle ausgebotne Summen,

Alle Schlauheit, alle Kunst

Ihn zu fangen, war umsonst.

Stets verschwand er, wie der Schatten,

Vor der Fackel der Verfolger.

Flodoardo Mocenigho,

Der durch kühne Waffenthaten

Das Vertrau'n Venedigs ward,

Flodoardo Mocenigho

Hat sich nun erboten, jenen

Ungeheuern Meuchelmörder

Uns lebendig einzuliefern.

Nur auf sein Begehren ward

Der Palast umringt mit Kriegern,

Und das Innere mit Wachten

Angefüllt, wie bei Belagrung.[235]

Nur auf sein Begehren darf

Niemand, bis zur neunten Stunde,

Diesen unsern Saal verlassen.

Jeder aber darf herein.

Die Großstaatsinquisitoren,

Die erlauchte Signoria,

Der gesammte Zehner-Rath,

Haben seinem Wunsch gewillfahrt,

Denn ich selber stellte ihnen

Bürgschaft für des Ritters Treue.

Um die neunte Stunde will er

Heut die Siegesbotschaft bringen. –

Bringt er sie, dann wollen wir

Uns der ungebundnen Lust

Ohne Fessel überlassen,

Und die Königin des Festes

Soll des Siegers Haupt bekränzen;

Schöner, als die Republik

Ihn belohnen kann, vergelten.

ALLE gehen mit Zeichen der Verwunderung und des Beifalls, in Unterhaltung durcheinander.


FALIERI lachend zu Parozzi.

Fehlgeschossen allerseits! – –

Ihn bekränzen, in des blauen

Meeres Grund, die Nereiden.

PAROLI.

Garstig könnt' ich doch den Honig

Ihrer Hoffnungen versalzen, –

Seht – hier – Flodoardo's Ring!

MEMMO.

Nun, man darf schon wieder athmen.[236]

Gritti hat die Goldforelle

Ausgeschickt, den Hecht zu fressen.


Geht mit den Andern in den Hintergrund.


TOLOMEO im Gespräch mit dem Dogen vortretend.

Daß der gnadenreiche Himmel,

Für des edeln Ritters Heil,

Mein inbrünstig Flehn und Seufzen

Hören würde! – Ach, in diesem

Schattenspiel des nicht'gen Lebens

Ist ja Alles – Alles eitel,

Und das Eitelste die Hoffnung!

Traut nicht allzufest! – der Hoffnung

Schönstes Morgenroth ist oft nur

Wetterleuchten aus der Ferne.

DOGE.

Nichts erwart' ich, nichts befürcht' ich.

Was Gott fügt, das ist mein Hoffen.

Doch mich dünkt, hochwürd'ger Abt,

Euer Ton verkündet Unheil ...

TOLOMEO.

Nichts ... o gar nichts ... Nur, im Fall

Irgend eine Trauerbotschaft,

Statt des Siegers ...

DOGE forschend.

Trauerbotschaft?

Wollet Ihr mich auf das Schwerste

Vorbereiten? Ist vielleicht ...

TOLOMEO.

Nicht doch! nicht doch! Leere Sagen,

Farbenwechselnde Gerüchte, ...[237]

Eitel luft'ge Wechselbälge,

Deren Mutter Niemand kennt ...

DOGE ungeduldig.

Flodoardo sei ...

TOLOMEO.

Ja, leider

Durch des Meuchelmörders Hand ...

EIN SENATOR aus dem Hintergrund kommend.

Eure Durchlaucht ...

DOGE verhüllt das Gesicht, dann nach einer Pause mit männlicher Ruhe.

Was begehrt Ihr?

SENATOR.

Ritter Mocenigho bittet

Um Erlaubniß, einzutreten.

DOGE erschüttert.

Flodoardo Mocenigho?

War es so? Noch einmal sagt es.

SENATOR.

Flodoardo Mocenigho ...

DOGE.

Flodoardo? – Hoch willkommen

Tret' er ein!

TOLOMEO mit Schrecken.

O heil'ger Gott!

SENATOR entfernt sich.


DOGE zum Tolomeo, mit Besorgniß.

Euch ist unwohl! – Ihr seid blaß.[238]

TOLOMEO matt.

O, das zieht vorüber ... Schwindel ...


Er wankt seitwärts zu einem Stuhl in den Vordergrund, wo Parozzi, Memmo, Contarino und Falieri im Gespräch stehen. Er setzt sich kraftlos nieder.


DOGE mit starker Stimme zur Versammlung.

Fried' und Segen auf Venedig!

Flodoardo Mocenigho's

Ankunft soll ich Euch verkünden.

Er ist hier schon im Palaste.

Nehmet, edle Herrn und Frau'n,

Nehmet Eure Plätze ein,

Daß wir still und ohne Stören,

Seine wicht'ge Meldung hören.


Die Anwesenden entwirren sich; die Frauen lassen sich längs dem Saal in Sesseln nieder; die Herren stehen dahinter. Im Vorgrund seitwärts sitzt der Doge, zwei Dalmatier mit Hellebarden hinter seinem Stuhl wachend; neben ihm Rosamunde mit Iduellen. Ihnen gegenüber sitzt der Abbate Tolomeo. Contarino, Parozzi, Falieri und Memmo stehen zunächst hinter demselben in heimlichem Gespräch.


CONTARINO halblaut.

Wetter! hört Ihr's nicht? Er lebt!

Hat der Bravo uns belogen?

PAROZZI düster.

Ihn vielleicht, wie uns, der Ring.

FALIERI.

Ich will meine Seele wetten,

Der gewissenlose Gauner[239]

Nahm von Freund' und Feinden Geld,

Und der Schelm betrog sie beide.

MEMMO.

Sagt' ich's – sagt' ich's Euch nicht immer?

Teufelsmehl wird oft zu Kleien!

PAROZZI.

Ruhig! Laßt mit fester Haltung

Uns der Dinge Ausgang sehn.


Quelle:
Heinrich Zschokke: Gesammelte Schriften. Band 15, Aarau 1865, S. 234-240.
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