Abwasser

[50] Abwasser, das von landwirtschaftlichen Grundstücken (Be- und Entwässerungsanlagen), aus Städten und Dörfern, aus Fabrikanlagen u. dergl. abfließende Wasser. Für dessen weitere Ableitung und die hierzu bestimmten Anlagen ist die Menge und die Beschaffenheit der Abflüsse von Bedeutung.

Die Menge des Abwassers hängt ab von der besonderen Beschaffenheit des Abwässerungsgebietes und den ihm auf natürlichem Weg (als atmosphärischer Niederschlag) oder in künstlicher Weise (durch Wasserleitungen u. dergl.) zugeführten Wassermengen, bei Entwässerungsanlagen häufig auch von dem dem Entwässerungsgebiet entzogenen Grund-, Quell- und Druckwasser. Ueber die Bestimmung der Abwassermengen von landwirtschaftlichen Grundstücken (Entwässerungsanlagen) s. Drainage und Schöpfwerke. Beim Abfluß aus Bewässerungsanlagen sind die durch die Bewässerung des Bodens (s.d.) entstehenden Wasserverluste zu berücksichtigen. Für den Wasserabfluß aus Städten und aus mit neuzeitiger Wasserversorgung versehenen Ortschaften wird, soweit es sich nicht um Meteorwasser handelt, die durch die Wasserversorgungsanlage dem Verbrauchsgebiet zugeführte Wassermenge zugrunde gelegt. Aehnlich geschieht die Berechnung bei Fabrikationsabwässern.

Die Beschaffenheit der Abwasser richtet sich nach den infolge ihres Herkommens ihnen anhaftenden fremden Beimengungen. Je nach der Art dieser letzteren ist es häufig unmöglich, ein Abwasser zum gleichen oder zu anderm Zwecke nochmals zu gebrauchen, und es kann unstatthaft sein, es in die dem Gemeingebrauch (zum Waschen, Baden u. dergl.) dienenden Wasserläufe einzuleiten. Ob ein Abwasser schädlich ist, ebenso der Grad seiner Schädlichkeit, hängt übrigens davon ab, in welcher Weise das Wasser weiter benutzt werden soll, ob zum landwirtschaftlichen Zweck oder zum Gemeingebrauch oder zur Fabrikation. Ein Abwasser kann für den einen Zweck noch brauchbar, ja sogar hervorragend geeignet sein (z.B. das Abwasser von Städten zur Bodenberieselung), während es in andrer Richtung schädlich ist (z.B. das genannte Abwasser für den Gemeingebrauch der Menschen).

Für die landwirtschaftliche Benutzung unbrauchbar sind alle diejenigen Abwässer, die pflanzenschädliche Verbindungen enthalten. So sind zur Bewässerung untauglich die Abwässer aus Sümpfen, Mooren, Torfstichen infolge ihres Gehaltes an sauren, humosen Bildungen und Oxydulsalzen; derartige Wässer können übrigens, wenn sie eine genügende Zeit an der Luft fließen, durch Oxydation tauglich werden. Ferner wirken die Abflüsse aus Bergwerken und Erzaufbereitungsanstalten schädlich auf den Pflanzenwuchs; nach Dünkelberg [1] lassen sich derartige Abwässer durch Ausfällung mittels Kalkmilch unschädlich machen. Nach König [2] wird das Wachstum beeinträchtigt durch Salzlösungen mit mehr als 1 g Salzen auf 1 l Wasser; bei Chlornatrium genügt schon 0,5 g auf 1 l, um das Wasser zum Rieseln untauglich zu machen. Von Fabrikationsabwässern gereichen diejenigen, die vorwiegend mineralische oder metallische Stoffe gelöst enthalten (aus chemischen Fabriken aller Art, aus Gasanstalten, Salinen und Salzsiedereien, Sodafabriken, Färbereien und Bleichereien) den Pflanzen zum Schaden. Für die Bewässerung geeignet sind dagegen Abwässer mit vorwiegend organischen Beimengungen, so die gewöhnlichen Brauchwässer aus Städten und Dörfern (insbesondere solchen mit Schwemmkanalisation), aus Stärke-, Zucker- und ähnlichen Fabriken, die Abflüsse von gedüngten Feldern u. dergl.

Von andern Gesichtspunkten zu beurteilen ist die Einleitung von Abwässern in die offenen Wasserläufe – Bäche, Flüsse, Ströme, auch Seen. Schädigungen durch verunreinigte Abwässer können hierbei – von der landwirtschaftlichen Benutzung des Wassers abgesehen – für die Gesundheit der auf den Gemeingebrauch des Wassers angewiesenen Menschen, für die Fischzucht und für sonstige Benutzungsberechtigungen am fließenden Wasser entstehen.

Die Verunreinigung der Gewässer durch Einleitung von Abwässern ist infolge der neuzeitigen Entwicklung des Städtebauwesens und der Ausdehnung der Industrie in raschem Anwachsen begriffen. Die erhöhten Ansprüche der Bevölkerung an die Reinlichkeit und Gesundheit der Wohnstätten haben das Bestreben nach möglichst vollständiger Abschwemmung aller Unratstoffe – auch der Exkremente – aus dem Bereich der bewohnten Gebiete gezeitigt; desgleichen sucht die Industrie das fließende Wasser zur Abführung der Fabrikationsrückstände in immer zunehmendem Maße für sich auszunutzen. Die Fürsorge für die Abwendung gemeingefährlicher Zustände an den Gewässern läßt es deshalb als eine dringende Forderung des öffentlichen Wohles erscheinen, gegen die mißbräuchliche Benutzung der Gewässer Maßnahmen zu ergreisen. Mit solchen befassen sich zurzeit die Behörden des Reichs und verschiedener Bundesstaaten. Wenn auch eine einheitliche reichsgesetzliche Regelung dieses überaus schwierigen Rechtsgebietes wohl kaum erhofft werden darf, so sind doch von den einzelnen Bundesregierungen – soweit nicht schon geschehen – wirksame gesetzliche Vorschriften und Verwaltungsmaßnahmen gegen eine übermäßige Verunreinigung der Gewässer zu erwarten.

Abwasserreinigung, s. Flußverunreinigung, Berieselung mit städtischem Kanalwasser, Kläranlagen und die verschiedenen Industrien (Bleichen, Färben u.s.f.).


Literatur: [1] Dünkelberg, Encyklopädie und Methodologie der Kulturtechnik, Braunschweig 1883, Bd. 2. – [2] König, J., Die Verunreinigung der Gewässer, 2. Aufl., Berlin 1899. – [3] Ders., Maßnahmen gegen die Verunreinigung der Flüsse, Berlin 1903.

Drach.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1904., S. 50.
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