Bleichen

[67] Bleichen. Entziehen des Farbstoffes der Textilfasern zur Erreichung eines möglichst hohen Grades von Weiße. Das Bleichen der Textilfasern ist einzuteilen in Bleichen der vegetabilischen und animalischen Fasern; die Behandlung besteht in einem Entfetten der Faser und der eigentlichen Bleiche. Das Entfetten (bei der Wolle auch Entschließen, bei der Seide Entbasten, Entschälen oder Abziehen genannt) ist eine äußerst wichtige Operation und das erhaltene »Weiß« zum. größten Teil von dem Entfetten abhängig.

Baumwolle. Das Entfetten (s. Bäuchen) geschieht durch Behandeln des Materials in kochenden alkalischen Flüssigkeiten. Die Operation hat den Zweck, die der Baumwolle anhaftenden Fette zu verseifen, anderseits den Naturfarbstoff der Rohbaumwolle gewissermaßen zu lockern und seine Entfernung durch die darauffolgende Bleiche zu begünstigen. Die Fettsubstanzen, die der Baumwolle anhaften, sei es, daß dieselben von Anfang an vorhanden oder durch die Operationen des Verspinnens in dieselbe hineingekommen sind, spielen die Rolle einer Reserve den Bleichagentien gegenüber und verhindern, daß letztere den Farbstoff der Faser angreifen. – Durch Versuche hat Alb. Scheurer [1] gezeigt, daß die Naturfarbe der Baumwolle unter einem künstlich auf dieselbe gebrachten Fettfleck verharrt, während die Bleiche an den nicht infizierten Stellen glatt vor sich geht. Die Naturfarbe der Baumwolle wird durch das Bleichen um so energischer angegriffen, je vollkommener die Entfettung war. Diese Tatsache bezieht sich nicht nur auf die künstlichen oder chemischen Bleichmethoden mittels unterchlorigsaurer Salze, sondern auch auf die Naturbleiche. Ein gut mit Aetzkalk ausgekochter Baumwollstoff, der abgesäuert und mit Soda behandelt wurde, ist nicht weiß; wird er aber gleichzeitig mit einem Rohbaumwollstoff den Sonnenstrahlen ausgesetzt, so entfärbt er sich vollkommen, während das andre Material sich nicht verändert. Die entfettete, abgekochte oder gebauchte Baumwolle wird nun der eigentlichen Bleiche unterworfen; letztere hat den Zweck, den Naturfarbstoff der pflanzlichen Faser zu zerstören. Man erreicht dieses entweder durch die alte Rasenbleiche (Naturbleiche, Sonnenbleiche), die heute noch für die Leinenbleicherei ausgedehnte Verwendung findet und wobei der Farbstoff der Pflanzenfaser durch die Wirkung von Licht, Luft und Wasser zerstört wird, oder durch die chemische Bleiche, wobei der Farbstoff der Baumwolle durch die Wirkung chemischer Agentien, in erster Linie der unterchlorigsauren Salze, zersetzt wird. Das gebauchte oder entfettete Baumwollmaterial wird, je nachdem es sich um lose Baumwolle, Strangware oder Stücke handelt, in klaren Chlorkalklösungen von verschiedenes Konzentration (1/3-11/2° Bé) während 1–8 Stunden behandelt. Es ist nötig, besonders bei Anwendung starker Chlorkalkbäder, daß die Ware mit der Luft nicht in Berührung komme, da, sich sonst an jenen Stellen leicht Oxycellulose bilden kann, die ein Morschwerden der Baumwolle bedingt. – Um festzustellen, ob sich keine Oxycellulose gebildet hat, empfiehlt J. Persoz [2], die Ware durch Methylenblau zu nehmen. Das Methylenblau besitzt zur Oxycellulose eine viel größere Affinität als zur Cellulose. Zum Lösen des Chlorkalks bedient man sich vorteilhafterweise eines viereckigen gußeisernen Gefäßes, in dem sich eine drehbare Trommel aus Schmiedeeisen befindet; beide sind mit Blei ausgekleidet. Chlorkalk und Wasser werden durch eine verschließbare Oeffnung in die Trommel gefüllt und diese darauf durch einen Antrieb in Umdrehung versetzt. Die fertige klare Lösung wird durch einen Hahn abgezapft, der so hoch angebracht ist, daß kein Bodensatz mit abfließt; letzterer wird durch eine besondere Oeffnung entfernt [3]. – Kommt die Ware aus dem Chlorkalkbade, so wird dieselbe mit Schwefelsäure abgesäuert. Ueber die Wirkung der Schwefelsäure nach dem Chlorkalkbade spricht sich Camille Köchlin [4] folgendermaßen aus: Die Operation des Absäuerns (mittels Schwefelsäure) hat den Zweck, zu verhindern, daß die Baumwolle mit der Zeit wieder einen gelben Stich annimmt. Diese Wirkung wird dadurch hervorgerufen, daß die harzigen Bestandteile der Baumwollfaser, die durch die Wirkung des Chlors nur momentan entfärbt werden, mit der Zeit an der Luft[67] ihre ursprüngliche Farbe wieder annehmen. Diese harzigen Stoffe, die in Alkalien unlöslich sind, lösen sich hingegen in warmer Schwefelsäure. – Nach dem Absäuern folgt gründliches Auswaschen, eventuell noch Seifen oder eine Passage in Antichlor (unterschwefligsaures Natron), um sicher zu sein, daß das Material völlig chlorfrei ist, besonders bei Spitzen- und Stickereiwaren sehr wichtig. Das Bleichen der losen Baumwolle schließt sich eng der Garnbleiche an; es ist hierbei nur die Apparatur eine andre. Es finden in jüngster Zeit die Färbeapparate nach Jagenburgs und Obermayers System hierbei Anwendung [3]. – Sansone [5] empfiehlt folgendes Verfahren zum Bleichen der losen Baumwolle: Man arbeite die Baumwolle gründlich durch in einer Lösung von Natriumhypochlorit, zu der etwas Soda gesetzt wurde und die ein spez. Gew. von 1,01–1,02 (11/2-23/4° Bé entsprechend) zeigt, und lasse die Baumwolle, nachdem sie gut mit der Flüssigkeit getränkt ist, darin 3–4 Stunden oder über Nacht liegen; darauf nehme man sie heraus, lasse abtropfen und spüle; man bringe sie dann in ein Bad von Natriumbisulfit 1,01–1,015 spez. Gew. (11/2–2° Bé), arbeite sie eine Stunde darin um und spüle; falls die Baumwolle noch nicht weiß genug ist, wiederhole man die Behandlung.

Ein Schema für die Baumwollgarnbleiche ist folgendes: 1. Abkochen: 6–12 Stunden im Niederdruckkier mit Soda (4% vom Gewicht des Garns) kochen. (Vgl. Bäuchen.) 2. Spülen: in offenen Barken in Wasser umziehen. 3. Chloren: mit klarer Chlorkalklösung 1,01 spez. Gew. (11/2° Bé) in der Zisterne 6–8 Stunden behandeln. 4. Spülen: 10 Minuten in der Zisterne mit Wasser spülen. 5. Säuern: in andrer Zisterne 15 Minuten mit Schwefelsäure (1/3–2/3° Bé) übergießen. 6. Spülen: in der Zisterne dreimal mit frischem Wasser abspülen. 7. Blauen (für Weiß): Seifen – mit oder ohne Zusatz von Waschblau (Ultramarin) – schleudern und trocknen. – Das Bleichen der Stückwaren läßt sich schematisch darstellen wie folgt: 1. Sengen, 2. Vorwaschen, 3. Kalken mit darauffolgendem Spülen, 4. Säuern mit darauffolgendem Spülen, 5. Kochen mit Harzseife, 6. Kochen mit Soda und nachfolgendes Spülen. 7. Bleichen mit Chlorkalk 3/4° Bé, 8. Absäuern mit Schwefelsäure und Spülen. Während all dieser Operationen, mit Ausnahme des Sengens, befinden sich die Stücke in Strangform. In den letzten Jahren wurden verschiedene Systeme von Breitbleiche ausgearbeitet und zum Teil in die Praxis eingeführt, wobei die Stücke, an den Enden zusammengenäht, in voller Breite gekocht, gechlort, gesäuert und gewaschen werden. Für solche Warengattungen, die in Strangform leicht Brüche bekommen, bietet die Breitbleiche große Vorteile. (Näheres s. [8].) – Von den neueren Bleichmethoden und Verbesserungen in der Baumwollbleicherei seien die wichtigsten noch kurz erwähnt: Lunge (D.R.P. Nr. 31741) schlägt einen geringen Zusatz von Essigsäure oder Ameisensäure zum Chlorkalkbad vor. – Horace Köchlin (Bull, de la société industrielle de Mulhouse) ist für folgendes Verfahren: Die Ware wird zunächst wie gewöhnlich gebaucht und dann in das Bleichbad von Wasserstoffsuperoxyd gebracht, eventuell vorher nochmals abgesäuert. Das Bad besteht für 50 kg Baumwolle aus: 10 kg Aetznatron, 30 kg Seife, 8 kg Magnesia, 50 l Wasserstoffsuperoxyd (12 Volumprozent) und 100 l Wasser. In dieser Flotte kocht man die Ware 6 Stunden, spült und säuert. (Das Verfahren hat in Anbetracht seines hohen Preises gegenüber der Chlorkalkbleiche keine große Anwendung gefunden.) Kaßner [6] gibt auch ein Bleichverfahren an, die Chlorkalkbäder zu umgehen. Er ersetzt die oxydierende Wirkung der unterchlorigsauren Salze durch die Sauerstoffentwicklung, die mit Hilfe von Ferricyankalium in alkalischer Lösung erzeugt wird. (Theoretisch ist das Verfahren interessant, hat aber keine praktische Bedeutung.) Die elektrolytischen Bleichverfahren sind noch zu neu, als daß man ein definitives Urteil über dieselben aussprechen könnte. Die Bleichlösung wird durch Elektrolyse von Chlormagnesium und Chlornatrium hergestellt. Man rühmt derselben nach, daß sie besser in das Innere der Fasern einzudringen vermag, da sie keine Kalksalze enthält. (Näheres s. [7] und [8].)

Das Bleichen mit Kaliumpermanganat findet in jüngster Zeit etwas mehr Aufnahme. Hierbei wird das wie üblich entfettete Bleichgut mit einer verdünnten, schwach angesäuerten Lösung von übermangansaurem Kali in der Kälte oder schwach lauwarm behandelt; nach einiger Zeit erscheinen die Stoffe infolge Bildung von Mangandioxyd dunkelbraun gefärbt. Die Ware gelangt nun in eine Lösung von schwefliger Säure oder Natriumbisulfit, wodurch die braune Färbung des Bleichgutes zerstört und reines Weiß erzielt wird. Dieses Verfahrer soll sich sowohl für Wolle als auch für Baumwolle eignen und ziemliche Anwendung zum Bleichen von Jute finden. – Sehr gute Resultate sollen auf Baumwolle nach V. Thomas [9] erhalten werden, wenn man die Ware in einem Kaliumpermanganatbade 1 : 1000 beläßt, bis sie sich dunkelbraun gefärbt hat, hierauf in reinem Wasser wäscht und dann in einem verdünnten Bade mit Wasserstoffsuperoxyd behandelt; nun folgt das Einlegen in ein schwachsaures Bad, um das gebildete Mangandioxyd zu zerstören, und zum Schlusse gründliches Waschen in reinem Wasser.

Flachs wird nach ähnlichen Methoden wie Baumwolle gebleicht, doch werden im allgemeinen schwächere Lösungen gebraucht, da diese Faser empfindlicher ist. Um reines Weiß zu erzielen, müssen daher die Operationen des Kochens, Säuerns und Chlorens wiederholt werden. In manchen Gegenden, speziell für kleinere Betriebe, ist immer noch die Rasenbleiche in Ausübung.

Wolle muß auch zuerst gründlich entfettet werden, ehe sie gebleicht werden kann; die für die pflanzlichen Fasern gebräuchlichen Verfahren sind jedoch nicht verwendbar, da die Wollfaser alkalische Flüssigkeiten nicht verträgt und durch Chlorkalk gelblich gefärbt wird. Das weitaus gebräuchlichste Verfahren besteht im Schwefeln, wobei Schwefeldioxyd als Gas oder in wässeriger Lösung als bleichendes Agens wirkt. Der natürliche Farbstoff der Wollfaser wird hierbei jedoch nicht dauernd zerstört, weshalb die Ware nach längerem Aufbewahren wieder gelblich wird. Das Schwefeln wird in der sogenannten Schwefelkammer vorgenommen; die feuchte Ware wird darin einer 6–8 stündigen Einwirkung von Schwefeldioxyd[68] (erzeugt durch Verbrennen von Schwefel) ausgesetzt, dann wird in reinem Wasser gut gewaschen und zum Schlusse gebläut. Zum Bläuen verwendet man meist Wasserblau, Kristallviolett oder Indigokarmin. Ein immer mehr in Aufnahme kommendes Bleichmittel für Wolle ist Wasserstoffsuperoxyd, da es ein reines Weiß erzeugt, das nicht mehr nachgilbt. Das Verfahren stellt sich jedoch noch ziemlich teuer. Zum Bleichen von Wollstücken, die nachher bedruckt werden sollen, wird zuerst wie üblich geschwefelt und dann in einem mit Salzsäure angesäuerten Bade von Chlorkalk behandelt. Hierdurch wird nicht nur das in der Faser zurückgebliebene Schwefeldioxyd entfernt, sondern auch eine wesentlich größere Affinität zu Farbstoffen erreicht.

Seide wird ähnlich wie Wolle gebleicht.

Vgl. a. den Art. Spinnfasern. – Ueber das Bleichen von Elfenbein, Fetten, Holz, Oelen, Papier, Wachs u.s.w. s.d. – Ueber die Behandlung der Abwässer s. Flußverunreinigung.


Literatur: [1] Blanchiment des tissus de coton, Bulletin de la société industr., Mulhouse 1888. – [2] Rapport sur l'exposition de 1889. – [3] Knecht, Rawson und Löwenthal, Handbuch der Färberei der Spinnfasern, Berlin 1895. – [4] Bulletin de la société industr., Mulhouse 1888, S. 543. – [5] Sansone Dyeing, London 1893, S. 45. – [6] Oesterr. Wollen- und Leinenindustrie, Reichenberg i. B., 1893, S. 5. – [7] Herzfeld, J., Moderne Baumwollstückbleicherei, Frankfurt a.M., 1895. – [8] Theiß, F., Die Breitbleiche baumwollener Gewebe, Berlin 1902. – [9] Revue générale des matières Colorantes, Paris 1900.

Singer.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 2 Stuttgart, Leipzig 1905., S. 67-69.
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