[232] Bonitierung. Bei dem Vollzug der Güterverlegung (Kommassation, Konsolidation, Feldbereinigung, Güterzusammenlegung, Gemeinheitsteilung) werden, die landwirtschaftlichen Grundstücke zur Erzielung besserer Lage und Formgrößerer Komplexe, Durchführung eines geordneten Wegnetzes u.s.w. von ihrem bisherigen Platz verschoben: es tritt ein Umtausch ein. Für diesen ist nicht nur die Größe, sondern auch der Wert der Stücke maßgebend. Das besondere Verfahren der Wertsermittlung bei der Verlegung nennt man die Bonitierung.
Es sollen z.B., um von dem einfachsten Fall auszugehen, die verworren durcheinander liegenden Grundstücke (Fig. 1) des nebenskizzierten Gewanns durch eine Verlegung besser eingeteilt und durch einen Weg zugänglich gemacht werden, so daß der neue Stand sich etwa durch Fig. 2 darstellen würde. Dabei kann man meist nicht jedem Besitzer einfach für sein altes Stück ein gleich großes neues zuweisen. Denn wenn längs ab und längs cd der Boden tiefgründig und sehr gut, in der Mitte, in Richtung des neuprojektierten Weges, leicht ist, also z.B. in den durch die gestrichelten Linien abgegrenzten Bezirken I, II und III in einem solchen Verhältnis steht, daß in I das Ar 50, in II 40 und in III 25 Mk. wert ist, so wäre eine Vertauschung von x gegen x1 oder y gegen y1 unter Beibehaltung gleicher Größe eine schwere Benachteiligung. Der Besitzer von x muß, wenn er ein Stück in der Lage von x1 übernehmen soll, ein dem geringeren Bodenwert entsprechendes Mehrmaß erhalten.
Einer Grundstücksverlegung muß also eine ohne Rücksicht auf die Eigentumsgrenzen vorgenommene Einschätzung des Bodens in verschiedene Klassen mit Festsetzung scharfer Klassengrenzen vorangehen. Hat man dann noch den Bodenwert der verschiedenen Klassen für die[232] Flächeneinheit ermittelt, so kann man für jedes Grundstück berechnen, wie viel Ar es in jeder Klasse hat und wie groß sein Gesamtwert ist. Das neu zugeteilte Stück muß denselben Bodenwert darstellen, wird also bei Zuweisung von besserem Boden kleiner, bei Zuweisung von geringerem größer werden. Man lieht schon hieraus, daß eine solche Bonitierung ein sehr schwieriges Geschäft ist, wenn es sich um große Flächen, um ganze Gemarkungen handelt. Darum sind auch in den Gesetzen und Verordnungen für die im Eingang genannten Geschäfte jeweils sehr umfassende Vorschriften für die Bonitierung gegeben. Bezüglich der Klassenbildung sind diese ziemlich alle gleich. Die zu dem Geschäft bestellten Sachverständigen haben die Flur zu begehen, den Boden durch Probelöcher zu untersuchen und hiernach festzulegen, wo der beste, wo der geringste zu finden ist und wie viele Abstufungen anzunehmen sind. Dabei sind in erster Reihe in Betracht zu ziehen die Beschaffenheit der Ackerkrume sowie des Untergrundes, ob lehmig, lettig, sandig, kalkig oder kalkfrei, sein oder steinig, tiefgründig oder flach, naß oder trocken, und ferner die Lage des Bodens, eben oder steil, winterlich oder sommerlich. Die Feststellung der Werte der einzelnen Klassen erfolgt meist nach dem Reinertrag; es wird der Rohertrag jedes Klassenmusters ermittelt und die Produktionskosten davon abgezogen. Dies geschieht immer in Norddeutschland, weil dort wegen der häufig vorkommenden Ablösungen ohnehin Reinertragsberechnungen notwendig sind. In Süddeutschland wird oft neben dem Ertragswert auch der Verkehrswert, der Kaufpreis in Rechnung gezogen, indem man ermittelt, wie hoch sich der Kaufpreis für die Flächeneinheit jedes Klassenmusters stellen würde. Die Beteiligten, die gewohnt sind, den Wert ihrer Grundstücke nur nach der letzteren Art zu schätzen, werden hierbei weniger leicht irre an den Berechnungen der Sachverständigen. Besondere Umstände, Gefahr örtlicher Ueberschwemmungen und Hagelschläge, Beschädigung durch Hausgeflügel bei der Nähe von Oekonomiegebäuden u.s.w. können den Wert gleich guter Böden verschieden machen. Dagegen ist die Entfernung vom Wohnsitz eines Güterbesitzers ohne Einfluß auf die Schätzung, denn ein Stück, das aus diesem Grund etwa für die Ortseinwohner minderwertig erscheint, kann für entfernt liegende Höfe oder für Ausmärker um so wertvoller sein. Ebensowenig begründen vorübergehende Dinge, Obstbäume, augenblickliche Bepflanzung oder der Düngungszustand die Einreihung in eine höhere Bodenklasse, als solche der natürlichen Bodenbeschaffenheit entspricht. Diese müssen besonders bewertet und durch Geldentschädigungen ausgeglichen werden. Literatur s. unter Feldbereinigung.
Lubberger.