[467] Cissoide. Durch einen beliebigen Punkt o eines Kreises ziehe man irgend einen Strahl, der den Kreis zum zweitenmal im Punkt a, diejenige Tangente des Kreises, deren Berührungspunkt o gegenüberliegt, im Punkt b schneiden möge. Trägt man in dem Strahl das Stück o p = a b ab, so ist p ein Punkt der durch den gegebenen Kreis (und den Punkt o auf ihm) bestimmten Cissoide. Man kann auch, wenn jener Strahl die durch den Kreismittelpunkt m zur Tangente T gezogene Parallele U in c schneidet, c p = a c machen.
Mechanische Erzeugung (nach Newton): Sei m o um sich selbst verlängert bis q. Man lasse einen Schenkel eines rechten Winkels um q sich drehen und zugleich denjenigen Punkt des andern Schenkels, der vom Scheitel um ein Stück gleich dem Durchmesser D des Kreises absteht, auf der Geraden U gleiten, dann wird der Mittelpunkt zwischen dem Scheitel des rechten Winkels und dem fraglichen Punkt des zweiten Schenkels die Cissoide beschreiben. Die Cissoide ist eine rationale Kurve dritter Ordnung und Klasse, die durch die unendlich fernen imaginären Kreispunkte geht; sie ist symmetrisch zu dem von o ausgehenden Durchmesser des gegebenen Kreises, hat T zur Asymptote und in o einen Rückkehrpunkt erster Art. Nimmt man o zum Ursprung, die Symmetrieachse zur x-Achse eines rechtwinkligen Koordinatensystems, so wird die Gleichung der Cissoide
x (x2 + y2) Dy2 = 0,
oder in Polarkoordinaten r, φ
r = D · sinφ tgφ.
Darstellung in Parameterform:
x = D sin2φ, y = D sin2φ tgφ,
oder für x/y = ctgφ = t:
x = D/(1+t2), y = D/t(1+t2).
Literatur: Angaben über Tangente, Normale, Krümmung, Bogenlänge, Inhalt u.s.w. findet man in L.A. Sohncke, Sammlung von Aufgaben aus der Differential- und Integralrechnung,[467] 4. Aufl., Halle a. S. 1875/77, Teil 1, S. 177; Teil 2, S. 109; Schlömilch, O., Uebungsbuch zum Studium der höheren Analysis, 4. Aufl., Leipzig 1887 (an verschiedenen Stellen zerstreut); Loria, G., Spezielle algebraische und transzendente ebene Kurven, deutsche Ausgabe von Fr. Schütte, Leipzig 1902, S. 36, u.a. (s. Sachregister); dort auch weitere Literatur.
Mehmke.