[547] Muster, zunächst ein wiederkehrendes Flächenornament auf Geweben, Teppichen, Tapeten, Fliesen, Parketten u.s.w.
Muster in diesem Sinne haben ein sehr hohes Alter und dürften zu den ältesten menschlichen Erzeugnissen gehören; sie bilden eine interessante Kette von Formen, die zahlreiche Umgestaltungen und Bereicherungen erfuhren, bis sie unsre Zeitperiode erreichten (vgl. Kunstgewerbe, Textilarbeiten). Die ältesten Elemente sind Linienornamente und Blumen, alle diese Formen streng stilisiert, die Blumen bei Teppichen z.B. so angeordnet, daß der Beschauer ihnen gleichsam auf den Kopf treten kann; dabei ist jedes Element für sich und nicht mit dem andern organisch verbunden. In diesem Sinne sehen wir. die Muster auf assyrischen und ägyptischen Werken der textilen Kunst gefertigt. Das griechische und das römische Muster charakterisieren sich neben dem Mäander durch hinzutretende Ranke, die Blatt- und Blütenelemente in schwungvoller Weise verbindet. Im Mittelalter gestalteten sich die Muster schon weit reicher und mannigfaltiger, und hier wären insbesondere die bedeutenden Erzeugnisse des Orients, namentlich jene aus Syrien und Byzanz, hervorzuheben. Später erzeugte man in Genua, Florenz, Venedig, den Niederlanden die besten Stoffe und war insbesondere eine Zeitlang das sogenannte Granatapfelmuster sehr beliebt. Hierauf kommt eine Periode, wo Orient (namentlich Persien) und Okzident (insbesondere Paris und Lyon) in regem Wettbewerb standen. Um diese Zeit hat man das streng stilisierte Muster, das noch auf den alten persischen und indischen Teppichen zu finden war, verlassen und verwendete die pflanzlichen Formen in einer Weise, daß Blätter, Blüten und Stengel in mehr oder weniger organischem Zusammenhang und entweder in Profil- oder en face-Stellung auftraten. In Indien kam dann namentlich das Palmettenmuster auf. Im 18. Jahrhundert wurden die Musterzeichnungen immer naturalistischer und vielseitiger, und es war namentlich Frankreich, das tonangebend auftrat. Beliebt waren insbesondere die Muster, welche die Pflanzenformen in Sträußchen oder im Geäste (romage) darstellten, oder jene, bei welchen die Formen leicht auf den Stoff hingestreut erscheinen (Streumuster). Während man dann zur Zeit des Empirestils sich der größten Einfachheit hingab und bloß einige wenige griechische Musterformen anwendete, begann sich später der Reichtum an Mustern namentlich dadurch zu vermehren, daß die alten Muster der Gotik und Renaissance nachgeahmt wurden; damals war es Mode, vertrocknete Blätter, Marmoraderungen, Eisblumen und sogar Landschaften auf Stoffen anzubringen. Vor dem Jahre 1870 hatte namentlich die Seidenindustrie in Lyon einen großen Einfluß auf die Musterbildungen, so zwar, daß diese auch auf andern Stoffen, namentlich auch auf Kattunen, nachgeahmt wurden. Nach dem Jahre 1870 ist eine Dezentralisation der technischen Kunstübung eingetreten, und namentlich Frankreich hat viel von seinem Einfluß verloren, während England und Deutschland durch Errichtung von kunstgewerblichen Schulen und Sammlungen mächtig fördernd eingriffen. Heute ist der Reichtum an Mustern noch größer; sie basieren zum großen Teil auf Nachahmung der alten guten Muster oder sind in der Tat Erfindungen der neuesten Zeit (s.a. Dessinieren, Bd. 2, S. 720). Eine andre Bedeutung hat Muster in dem Sinne von kleiner Probe einer größeren Warenpartie, nach der die betreffenden Waren beurteilt werden sollen; eine dritte im Sinne von Vorbild [1][8].
Literatur: [1] Fischbach, Fr., Ornamente der Gewebe, Hanau 187481. [2] Ders., Geschichte der Textilkunst, Hanau 1883; außerdem Fischbachs kleinere Vorlagewerke. [3] Bock, Geschichte der liturgischen Gewänder des Mittelalters, Bonn 1859/71. [4] Hoffmann und Kellerhoven, Recueil de dessins relatifs à l'art de la décoration, Paris 1859. [5] Bötticher, Dessinateurschule, Berlin 1839. [6] Gurlitt, Die deutsche Musterzeichnerkunst, Darmstadt 1890. [7] Dupont-Auberville, L'ornement des tissus, Paris 1875/77. [8] Lessing, Altorientalische Teppichmuster, Berlin 1877.
Weinbrenner.