11. Der Kaputzer.

[123] Im Gebirge der Gastein und um Rauris spukt ein Bergkobold, unter dem Namen der Kaputzer von den Bergknappen gekannt und gefürchtet, Andere nennen ihn den kleinen Buz. Ueberhaupt glaubt die Knappschaft an das Vorhandenseyn von mancherlei Berg- und Alpengeistern, an das Schranel, das Donanadel, an den bösen Erdgeist Gangerl, an den Dusel, der nächtlicher Weile die Häuser beschleicht und die kleinen Kinder stiehlt, an den Buz, der die Wanderer auf Abwege führt, und an die fürchterliche Wildfrau Perchtl. Nicht minder glauben die Bewohner an die sogenannte Wehklage, die mit dem Todtenvogel vergesellschaftet, nächtlich die Orte mit Gewimmer durchirrt. Die den Kaputzer nicht gesehen, glauben doch ihn gehört zu haben; sein Ton ist's, wenn die Gletscher krachen und die Steine mit Geräusch ausprellen, dann thun sich reiche Erzgänge in der Nähe auf. Immer wird es für ein Glück gehalten, das Huschen des Geistes zu hören, nur darf kein Knappe fluchen oder lästern, sonst rächt es der Geist sehr fühlbar. Außerdem ist der Kaputzer gutmüthig und frommen und gottesfürchtigen Knappen gar günstig, bisweilen neckt er sie auch, doch ohne Schaden.[124]

Einst ging ein Knappe über den Hügel nahe am Goldberg hin, der hatte einen Laib Brod an eine Schnur gehängt, und trug ihn über der Schulter, da kam der Kaputzer wie ein Windstoß und entführte ihm das Brod. Ein andermal ging derselbe Knappe wieder dort fürbaß und trug zwei Brodlaibe, und wieder entriß ihm der neckische Berggeist einen Laib und kollerte ihn bergabwärts. Da warf der Knappe den andern Laib hinterdrein und rief: »Hast Du den Einen, nimm auch den Andern!« Seitdem heißt jener Hügel der Brodschnagel. Der Knappe aber ward bald darauf ein glücklicher Fündner und gelangte zu großem Reichthum. Der Kaputzer blieb ihm hold.

Quelle:
Bechstein, Ludwig: Die Volkssagen, Mährchen und Legenden des Kaiserstaates Oesterreich. 1. Band, Leipzig: B. Polet, 1840, S. 123-125.
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