9. Libussens Bette.

[59] Unter dem Felsen der alten Königsburg Wischerad, tief auf dem untersten Grunde der dort vorüberrauschenden Moldau ist das goldne Bette der Zauberkönigin Libussa, die zur Stromfeie geworden und sich selbst gebannt hat an ihr geliebtes Haus.

Mancher schöne Jüngling ist dort in den Fluthen verschwunden, hinabgelockt durch ein überholdseliges Frauenantlitz, das sich ihm lächelnd im Bade zeigte, und das Volk spricht, so oft der Strom solch' Opfer fordert: Libussa hat ihn behalten; in Jahr und Tag erkürt sie einen Andern.

Es ist wohl zu Zeiten geschehen, daß kühne Schwimmer und Taucher sich frevelhaft vermaßen, selbstwillig hinabzusteigen, Libussa's goldnes Bette zu suchen, oder[59] daß sie der Sage Hohn sprachen. Die sah man wohl niedertauchen, aber nimmer wieder zu Tage kommen. Einst aber, so hat sich eine dunkle Prophezeihung Libussens von Mund zu Munde erhalten, einst wird das goldne Bette auftauchen aus der Stromtiefe und herrlich leuchtend über den Wassern schwimmen, wie eine Barke; das wird dann geschehen, wenn über Böhmen ein Herrscher aus dem Stamme der Libussiden herrscht. Diesem wird sich das goldne Bette darbieten, und seine Gemahlin wird darin ihren ersten Sohn zur Welt bringen.

Quelle:
Bechstein, Ludwig: Die Volkssagen, Mährchen und Legenden des Kaiserstaates Oesterreich. 1. Band, Leipzig: B. Polet, 1840, S. 59-60.
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