10. Die verzauberten Goldschätze auf dem Untersberg.

[94] Viele Sagen gehen in dieser Gegend von solchen Glücklichen, welche die Schätze und Schachten mit reichem Bergsegen am Untersberg offen erblickt, auch wohl ein Weniges davon erlangt haben, aber zum andern Male die Stellen nimmer wiederfanden.

In Salzburg saß ein Bürger und Gastgeber, mit Namen Hans Gruber, der war auch Holzmeister auf dem Untersberg, lebte schlecht und recht, und schaute einst seinen Holzknechten zu auf einem besonders[94] hübschen, grünen Plätzchen im Walde, nahe der Stelle, wo man es die »steinerne Wand« nennt, allda er vorzüglich gern verweilte. Es war ein ganz heiterer Tag; der Holzmeister aß sein Nachmittagsbrod und trank von einem klaren Brünnlein, das an jener lieblichen Stelle ausquoll. Mit einem Male sah Gruber an der steinernen Wand eine zuvor nie bemerkte eiserne Thüre offen, und es stand ein Mann dort, gestaltet wie ein Mönch, der redete ihn an und sprach: »Hans, komm' herein!« Er aber erschrak und antwortete: »Nein! Ich gehe nicht hinein, Herr! Ich fürchte mich!« Da sprach der Mönch zum andern und zum dritten Male: »Gehe herein, Du darfst Dich nicht fürchten!«

Der Mönch hatte eine güldne Kette am Arme, und bot sie dem Hans Gruber mit den Worten dar: »Nimm diese Kette zu Dir, so hast Du mit allen den Deinigen Dein Lebelang genug!« Doch der Holzmeister weigerte fortwährend und rief: »Ich gehe nicht hinein! Schenke mir ein Glied Deiner Kette!« – Da riß der Mönch drei Glieder ab, warf sie ihm zu, und Gruber fing sie mit dem Hute; der Mönch aber rief: »Laß Niemand diese drei Kettenglieder sehen, bis Du sie drei Tage in Deinem Hause behalten! Hättest Du sie nicht aufgefangen, so wärest Du nicht mehr ledig geworden. Bete fleißig!«

Der Holzmeister warf einen scheuen Blick durch die Thür, da schien es, als erblicke er tief drinnen im Berge einen neuen Himmel und eine neue Welt. Noch sprach der Mönch: »Behüt' Dich Gott und sey[95] fein demüthig Dein Lebelang!« damit schlug er die eiserne Thür zu, daß es im Berge einen mächtigen Hall gab. Die Gabe schob Gruber in seine Rocktasche und behielt sie drei Tage, dann wog er's, da waren es drei und drei Viertel Pfund Gold. Als er nachmals seinen Knechten erzählt hatte, was ihm begegnet, und was er gesehen, ohne doch der Ringe zu erwähnen, suchten sie zum Oeftern mit ihm die eiserne Thüre, fanden sie aber niemals, sondern sahen nur die steinerne Wand.

Demselben Holzmeister soll es auch zu einer andern Zeit begegnet seyn, als er sich einstmals auf dem Untersberge in seinen Verrichtungen verspätete, daß er droben in einer Höhle seine Nachtruhe suchen mußte. Des andern Tages kam er an eine Steinklippe, aus der ein glänzender, schwerer Goldsand herabrieselte. Er setzte ein Krüglein unter; und als es angefüllt war und er damit hinwegging, sah er unweit des Orts eine Thüre sich aufthun, und es kam ihm natürlich vor, als sähe er in den Berg hineinein und darin eine besondere Welt mit ihrem eigenen Tage.

Das Krüglein behielt der Holzmeister, und es glückte ihm noch oft, es gefüllt nach Hause zu tragen, und der Sand warf so viel Geld ab, daß Gruber nie Mangel litt. Aber jene Thüre hat er nur einen Augenblick offen gesehen und niemals wieder, und als sie zugethan ward, that es in dem Berge einen Hall, wie in einem großen Weinfaß.

Nach seinem Tode war kein Segen mehr bei dem von ihm hinterlassenen Golde.[96]

Im Jahre 1553 ging eine Kräutersammlerin von Salzburg auf den Untersberg. Als sie auf demselben herumging, kam sie auch an eine Steinwand. Da lagen Brocken, grau und schwarz, wie Kohlen. Sie hob etliche davon auf, steckte sie zu sich, und fand, als sie nach Hause gekommen war, zu ihrer großen Freude, daß klares Gold in den Brocken enthalten war. Alsobald machte sie sich wieder hinauf auf den Berg, um ein Mehreres von solchen Brocken zu holen; allein sie konnte alles Suchens ohngeachtet den Ort nicht mehr finden.

Weiter, so ging im Jahr 1753 Paul Meyer, beim Hofwirth zu St. Zeno in Dienst stehend, auf den nahen Untersberg, und als er unweit des Brunnenthals fast die halbe Höhe des Berges erreicht hatte, kam er zu einer Steinklippe, worunter ein Häuflein Goldsand lag. Aus Fürwitz nahm er diesen mit sich und füllte alle seine Taschen damit an. Mit Freuden wollte er nach Hause gehen, als plötzlich ein fremder Mann vor seinem Angesichte stand und zu ihm sprach: »Was trägst Du da?« Furcht und Schrecken überfielen Paul Meyer, so daß er nicht zu reden vermochte und stumm vor dem Fremden stehen blieb. Dieser ergriff ihn und leerte ihm alle Taschen aus, wobei er ihm diese Worte zu vernehmen gab: »Jetzt gehe nimmer den alten Weg zurück, sondern einen andern, und sofern Du Dich hier wieder wirst sehen lassen, wirst Du nicht mehr ledig davon kommen!«

Den guten Dienstknecht reizte aber das Gold, und er beschloß, der drohenden Warnung ungeachtet, den Goldsand[97] noch einmal zu suchen. Er nahm daher zu anderer Zeit eine tüchtige Wehr und auch noch einen gut bewaffneten Kameraden mit, aber wie sie auch auf dem Berge umherirrten und den Ort wieder suchten, es war Alles vergebens, und sie konnten ihn nimmermehr wiederfinden.

Quelle:
Bechstein, Ludwig: Die Volkssagen, Mährchen und Legenden des Kaiserstaates Oesterreich. 1. Band, Leipzig: B. Polet, 1840, S. 94-98.
Lizenz:
Kategorien: