Hundertsiebente Geschichte

[101] geschah in einer Stadt, da war eine Surof (feurige Schlange) in der Schul, die war die Leut masik (bedrohte sie), daß sie nit konnten in die Schul gehn. Un das Surof war ein Art von einer Schlang, das eitel Gift is. Da kamen die Leut un sagten es zu Rabbi Chanine ben Dume, daß er doch sollt Tefille tan (beten). Da sagt Rabbi Chanine zu ihnen: »Kommt mir mir un weist mir das Loch, da der Surof innen is.« Da gingen die Leut un weisten ihm das Loch. Da ging der Rabbi Chanine un stellt sein Fuß mit[101] der Fersen auf das Loch. Da kam das Surof heraus, un beißt Rabbi Chanine in die Fers, daß es gleich peger (tot) war. Da nahm er das Surof auf die Achsel un tragt es in das Bethhamidrasch (Lehrhaus) un sagt: »Seht, meine lieben Kinder, das Surof hat die Leut nit getötet, neiert die Aweres (Sünden), die töten.« Da sagt Rabbi Chanine: »Weh dem Menschen, dem der Surof begegnet, un weh zu dem Surof, daß ihm Rabbi Chanine hat begegnet.« Dazu sagt Raschi: das Surof hat ein Gift. Wenn es einen möcht gebissen haben, un welcher der dernach eher zum Wasser kam, so mußt der andere sterben. Kommt das Surof eher zum Wasser eh der Mensch kommt, so sterbt der Mensch. Kommt aber der Mensch eher zum Wasser, so muß der Surof sterben. Un bei Rabbi Chanine geschah ein Ness (Wunder), daß ihm ein Quellbrunnen aus seiner Fersen sprang. Da war Rabbi Chanine erst bei dem Wasser als der Surof. Da mußt das Surof fegern (sterben).

Quelle:
Allerlei Geschichten. Maasse-Buch, Buch der Sagen und Legenden aus Talmud und Midrasch nebst Volkserzählungen in jüdisch-deutscher Sprache, Nach der Ausgabe des Maasse-Buches, Amsterdam 1723, bearbeitet von Bertha Pappenheim, Frankfurt am Main: J. Kauffmann Verlag, 1929, S. 101-102.
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