Hundertsechsunddreißigste Geschichte

[126] geschah: Rabb Jauchenen, der pflegt sich allzeit zu setzen auf die Tür von dem Ort, wo die Weiber pflegten tauweln (ins Tauchbad) zu gehen, denn er sagt, wenn die Weiber werden kommen und werden Twile (Tauchbad) gehn, so sollen sie mich ansehen, derwartend, wenn sie die Nacht bei ihren Mannen werden liegen, daß sie ihr Gedanken auf mich haben un sie sollen auch hübsche Kinder gewinnen gleich als ich bin. Un sollen auch so wol lernen als ich. Denn es hängt viel an den Machschowes (Gedanken), wenn Mann und Weib beieinander liegen. Denn wenn sie, Gott bewahre, eppes böse Gedanken haben, so geraten die Kinder nit wol dernach. Aber wiederum wenn die Gedanken von Mann un Weib gut sind, so geraten die Kinder auch wol dernach. Gleich wir gefunden bei Elische dem Kohen godel (Hohepriester) sein Weib, die hatte einen Sohn gewonnen, der heißt Rabbi Jischmoel der Hohepriester. Der war einer von den zehn Leuten, die man getötet hat. So ging es zu. Der Elische, der war gar ein frommer Mann, aber seine Kinder sterbten ihm gleich als sie geboren waren. Einmal sprach sie zu ihm: »Warum haben all die Welt Kinder un wir haben keine Kinder?« Das prach Elische zu ihr: »Ich will dir sagen. Das macht, wenn die Weiber von der Twile gehn, so sind sie gar züchtig, un haben gute Gedanken wenn sie bei ihren Mannen liegen. Also muß sie hübsch Gedanken auf einen Talmidchochom (Schriftgelehrten) haben, dann geraten die Kinder dernach.« Da das Weib das[126] von ihrem Mann hört, da sprach sie: »So will ich auch nun von weiters an, noch mehr gute Gedachte haben.« Un da die Zeit kam, daß die gute Frau wieder baden ging, un wollt dernach wieder heim zu gehn, da begegnet ihr ein Chaser (Schwein). Da ging sie wieder tauweln denn sie fercht sich, sie wird eine ganze Nacht an das Chaser gedenken. Da sie nun wieder wollt heimgehn, da begegnet ihr ein Esel. Da ging sie wieder baden. Das drittemal begegnet ihr eine Mesaure (Aussätzige). Da ging die gute Frau wieder tauweln. Un da das der Heilige, gelobt sei er, sah, wie die Frau so züchtig war, da sagt der Heilige, gelobt sei er, zu dem Engel Metatron: »Geh hin, un stell dich gegen sie, wenn sie aus der Mikwe (Frauenbad) geht, un daß ihr nix geschieht, denn sie soll die Nacht tragen werden einen köstlichen Mann. Der soll ein Kohen godel (Hohepriester) vor mir sein.« Da niedert der Engel Metatron un stellt sich vor sie, denn sie war dieselbige Nacht wol vierzigmal tauweln gegangen. Un wie sie nun den Engel sah, daß er so hübsch war, gleich als ein König, da derschrak sie, un sie meint es wär ihr Mann, un wollt wieder zu dem Mikwe gehn. Da sprach der Engel: »Du brauchst nit wieder gehn, denn ich bin der Engel Metatron, der Heilige, gelobt sei er, hat mich zu dir geschickt, ich soll dir sagen, er hat gesehen deine guten Gedanken, die du hast gehabt. So soll ich dir sagen, daß du heute einen Sohn tragen wirst werden, der dich derfreuen wird.« Die gute Frau war gar sehr derschrocken, un ging als mit guten Freuden heim. Un war die Nacht tragen. Un sie hat alle Gedanken dieselbige Nacht auf den Engel. So gewann sie einen Sohn, der war geheißen Rabbi Jischmoel der Hohepriester. Un wie er geboren ward, da kam der Engel Metatron un hebt das Kind, un war der Gevatter. Un der Engel, der lernt das Kind alles was er konnt, daß er konnt wissen, was unten un oben sollt geschehen. Un er konnt in den Himmel gehn wenn er wollt. Un das beschert ihr der Heilige, gelobt sei er, derweil sie solche gute Gedanken hat gehabt. Denn es hängt als an den Gedanken, wenn Mann und Weib beieinander liegen. Denn an was sie gedenkt, so geratet das Kind dernach.

Quelle:
Allerlei Geschichten. Maasse-Buch, Buch der Sagen und Legenden aus Talmud und Midrasch nebst Volkserzählungen in jüdisch-deutscher Sprache, Nach der Ausgabe des Maasse-Buches, Amsterdam 1723, bearbeitet von Bertha Pappenheim, Frankfurt am Main: J. Kauffmann Verlag, 1929, S. 126-127.
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