Zweihundertzwanzigste Geschichte

[275] geschah in den Tagen des Königs Salomo. Da wandern drei Sauchrim jehudim (jüdische Kaufleute) nach Ware. Un sie kamen an einem Freitag spat in einen Wald, daß sie voneinander kamen un einer den andern verliert. So zug einer fort un kam in fremdes Land un wollt Sechaure (Ware) kaufen. Da gedacht der Kaufmann, wie soll ich tan, ich bin ein fremder Mann im fremden Land, un kenn gar[275] niemand, wem ich soll mein Geld aufzuheben geben, dem zu getrauen is. Da ging er auf das Feld, un sah sich gar wol um, daß ihn niemand sah. Un vergrub das Geld in ein Loch, da man pflegt das Korn aufzuheben von einem Jahr zum andern. So war eben der Mann da, dem das Loch war, un sah von Weitem, wie der das Geld verbergt in dem Loch. Wie nun der Kaufmann hinweg ging, so nahm der Mann das Geld. Da nun der Kaufmann über ein Tag drei oder vier wieder kam, un wollt sein Geld wieder nehmen, da fand er nix mehr, da schrie er gar sehr un sprach: »Ich armer Mann, was soll ich nun anheben? Denn ich hab mich so wol umgesehen, un is niemand da gewesen, noch gleichwol is mir mein Geld hinweg gekommen.« So ging er zum König Salomo un klagt ihm die Sach. Da sprach Salomo: »Sieh vor wol zu, wem das Loch is, un geh zu demselbigen Mann un sag zu ihm, du bist ein fremder Mann, un hast gar viel Geld mitgenommen un sag, ein Teil hab ich vergraben, un ich hab noch viel Geld bei mir, so weiß ich nit, wie ich es machen soll, ob ich das Geld, das ich noch bei mir hab, derbei legen soll, oder ob ich es sollt einen wahrhaftigem Mann aufzuheben geben, oder sollt es besonders vergraben.« So wird er sprechen: Folg meinem Rat, is es ein heimlicher Ort, wo das andere Geld liegt, so verbirg das auch dahin. So wird er das andere auch wieder hinlegen, denn er wird gedenken, wenn du es wirst sehen, daß kein Geld da liegt, so wirst du das Geld nit dahin bringen. So wird er es wieder da hin legen, so geh hin un nimm dein Geld wieder. »Da ging der Kaufmann un ward gewahr wem das Loch zukam.« Un ging zu demselbigen un begehrt von ihm eine Ezeh (Rat). Da gab er ihm die Ezeh, daß er das Geld auch zu dem andern legen sollt. Da sagt der Kaufmann, er wollt seinen Rat befolgen. Da ging der Kaufmann in die Stadt hinein un ging eine Weil spazieren. Da gedacht der Mann, der das Geld genommen hat, wenn der Kaufmann sehen wird, daß kein Geld mehr da liegt, so wird er das Geld nit da hin begraben. Ich will das Geld, das ich genommen hab, wieder da hin legen. Dernach will ich es miteinander nehmen. Er wußt aber nit, daß es so angelegt war. So legt er das Geld wieder da hin in seine erste Stelle. Da kam der Kaufmann un sah wie sein Geld wieder da is. Da nahm er sein Geld un ging seiner Straß. Da kam der Ganew (Dieb) wieder un wollt das Geld miteinander nehmen. So lag nix mehr da. So bekam der Kaufmann das Geld durch den König Salomo.

Quelle:
Allerlei Geschichten. Maasse-Buch, Buch der Sagen und Legenden aus Talmud und Midrasch nebst Volkserzählungen in jüdisch-deutscher Sprache, Nach der Ausgabe des Maasse-Buches, Amsterdam 1723, bearbeitet von Bertha Pappenheim, Frankfurt am Main: J. Kauffmann Verlag, 1929, S. 275-276.
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