Zweihundertfünfzigste Geschichte

[340] geschah an einem gewaltigen König, der war ein großer Rosche (Bösewicht) un sein Name war Frandik. Der war gewaltig über viel Länder. Einmal beruft er all seine Jauezim (Räte) un seine Ältesten un klugen Leut. Un ließ auch rufen elf Chachomim (Weise), die allerklugsten[340] unter Israel, daß sie sollten zu ihm kommen. Wie nun die elf Chachomim zu dem König kamen, allsoweit, daß man sie konnt sehen, da stund der König mit all seinen Räten auf un ging ihnen entgegen mit großem Kowed (Ehren). Wie das die Chachomim sahen, da nahmen sie sich groß Wunder, daß sie der König so ehrte. Da sagt der König zu den elf Chachomim: »Ich hab euch so lieb als den schwarzen Apfel in meinem Aug. Nun hab ich drei Bekasches (Fragen), welche ich von euch begehr. Un da sollt ihr eins von den drei tan. Un das sind sie: Ihr sollt mit mir Chaser (Schweinefleisch) essen oder ihr sollt mit mir Jajin nesech (nicht rein gehaltenen Wein) trinken oder ein jeder soll bei einer Goje (Christin) schlafen. Derhalben derwählt euch eins von den dreien aus. Un dermit tätet ihr mir einen großen Kowed (Ehre) an. Un wenn ihr das tut, so gefindet ihr Leutseligkeit in meinen Augen.« Un wie die Chachomim das hören, da derschracken sie gar sehr, un besinnten sich ein klein wenig. Also stund einer auf un neigt sich gegen den König mit weinedigen Augen un sprach: »Gib uns drei Tage Zeit, so wollen wir in unseren Büchern suchen, welches zum Besten is.« Da sagt der König: »Die drei Tage sollen euch zugesagt sein.« Da gingen die elf Chachomim miteinander weg, un lernten, was sie tun sollten. So ward unter ihnen beschlossen, daß sie wollten Wein trinken, denn wir haben den Minhag (Gebrauch) her von unseren Eltern, daß wir keinen Jajin nesech trinken. Aber sie lernten nit, daß von Jajin nesech kein Gutes kommt. Also kamen sie wieder zu dem König un sagten: »Herr König, wir haben uns besonnen, wir wollen einen ganzen Tag an deinem Tisch Wein trinken.« Da das der Rosche hört, da war er gar erfreut. Da gedacht er, ich will sie auch wol machen Chaser essen, un dernach auch in Unzucht liegen. Da sprach der König zu den elf Chachomim: »Geht hin un laßt euch eppes gutes kochen, das ihr essen dürft, daß ihr nit braucht unser Speis zu essen.« Was tät der König? Er ließ einweil einen runden Tisch machen, den man linsum herum drehen konnt. Unterdessen war die Mahlzeit angestellt. So kamen die Chachomim un ihnen ward gebracht eitel koscher Essen un ward auf dem König seinen Tisch gestellt. Nun, der König mit allen Fürsten saßen beieinander un die elf Chachomim saßen auch beieinander. Un stunden vor ihnen alle Arten Essenspeisen un von dem König seinem besten Wein un Malvazier. Un sie essen un trinken miteinander un der König redet viel Schmues (Geschichten) un Saudes (Geheimnisse) mit ihnen. Da nun der König sah, daß sie anfangten voll zu werden, so dreht er den Tisch linsum herum, daß sie es nit merkten, damit daß das Trefe (verbotene Essen) vor die Chachomim kam. Also freßten sie ihre Bäucher voll von Schweinefleisch. Was tät der König? Er ließ ihr koscher Fleisch aufheben bis den andern Morgen um es ihnen zu weisen.[341] Un wie es Nacht war, so ließ der Rosche schöne Betten zurichten von Silber un Gold. Un jeglichem besonders ließ der König eine Hur zu ihm legen. Denn sie meinten in ihrer Trunkenschaft, daß ihre Weiber bei ihnen lägen. Wie es nun Tag war, da stund der König früh auf un ging vor ihr Bett un sprach: »Ihr lieben Freunde, steht auf un tut Tefille (betet), denn ihr habt große Sünden getan, denn ihr habt gestern Chaser gegessen mit gutem Willen un ihr habt euer koscher Fleisch stehn gelassen. Und seid auch bei Huren gelegen.« Wie sie nun das sahen, daß sie Huren bei sich liegen hatten, da wußten sie nit wie ihnen war. Da gedachten sie wol, daß der König drauf aus war gewesen. Da hatten sie große Reue auf die Sünden, die sie getan hatten, un wünschten sich alle miteinander den Tod. Un sie sturben miteinander dasselbige Jahr eine Misso meschune (ein elendes Ende). Un das geschah ihnen alles von wegen, daß sie Nesech (unreinen Wein) haben getrunken. Darum hat die Thauroh zwei Parsches (Abschnitte) nahe beieinander geschrieben. Die Parsche von der Saute (Ehebrecherin) un die Parsche vom Nasir (Enthaltsamer). Darum ihr lieben Leut, tut an der Maasse ein Exempel nehmen, un seht wie der Jajin nesech (unreine Wein) den Menschen zu allem Bösen tut bringen. Darum is das beste, daß man sich von viel Wein trinken abscheid, so kommt man nit in solche große Leid!

Quelle:
Allerlei Geschichten. Maasse-Buch, Buch der Sagen und Legenden aus Talmud und Midrasch nebst Volkserzählungen in jüdisch-deutscher Sprache, Nach der Ausgabe des Maasse-Buches, Amsterdam 1723, bearbeitet von Bertha Pappenheim, Frankfurt am Main: J. Kauffmann Verlag, 1929, S. 340-342.
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