Neunundvierzigste Geschichte

[44] geschah: Er fragt, der Kaiser, zu Rabbi Tanchum: »Komm, wir wollen auch sein zu einem Volk.« Da sprach Rabbi Tanchum: »Ja, es is mir lieb. Aber wir Juden sind beschnitten, die können nit gleich euerem Volk werden. Aber ihr Umaus (Völker) seid nit beschnitten, ihr könnt wol gleich unser Volk werden.« Da sprach der Kaiser: »Du hast mir ja wol geantwortet mit deinem Reden, aber wer den Kaiser überwindet mit seinem Reden, den werft man in eine Grub, da viel böse Chajes (Tiere) drinnen sind, daß ihn die Chajes aufessen.« Gleich nun die Melochim (Könige) pflegen solche Gruben zu haben, daß sie die Leut drein werfen, die das Leben verschuldet haben. Un man nahm den Rabbi Tanchum un warf ihn gleich in die Grub herein. Un wie er nun herunter zu die Chajes kam, so täten ihm die Chajes niks. Da war eben ein Min (Ungläubiger) da, das is teutsch ein Ungläubiger, der hat gar keinen Glauben, er is kein Jud noch kein Christ. Der sprach: »Es is kein Wunder, daß ihm die Chajes niks tan, denn die Chajes sind nit hungrig.« Da tät man ihn heraus un man werft den Min in die Grub, daß ihn die Chajes aufessen so bald er unten war, un gar niks über ließen bleiben.

Quelle:
Allerlei Geschichten. Maasse-Buch, Buch der Sagen und Legenden aus Talmud und Midrasch nebst Volkserzählungen in jüdisch-deutscher Sprache, Nach der Ausgabe des Maasse-Buches, Amsterdam 1723, bearbeitet von Bertha Pappenheim, Frankfurt am Main: J. Kauffmann Verlag, 1929, S. 44.
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