Zweiundsiebzigste Geschichte

[64] geschah: Von sechserlei is Rabbi Akiwe reich geworden. Un das sind sie. Ich will sie da nacheinander schreiben: Das erste is von seinem Schwäher Kalbe Sewue, daß er ihm hat seinen halben Mammon gegeben. Un das andere von einem hölzernen Reh oder von einem Hirschen. Die hat man vornen an ein Schiff gemacht zu einem Zeichen. Denn es war der Seder (Sitte) vor Zeiten so, daß man hat gemacht vornen am Schiff ein geschnitzten Reh oder ein Hirsch. Das beteut, daß das Schiff soll so geschwind laufen als ein Hirsch oder Reh. Un machten es innen ganz hohl, un täten Geld drein, alles was sie im ganzen Schiff hatten. Auf ein Zeit da hatten die Schiffleut viel Geld in dem Hirschen un Reh getan un hatten den Hirsch an Borten vom Jam (Meer) vergessen mit zu nehmen. Da hat ihn[64] Rabbi Akiwe gefunden. Das dritte is von einem großen Stück Holz. Denn eines Tags da gab er vier Schilling den Schiffleuten mit, sie sollten ihm eppes (etwas) Seltsames mitbringen, wenn sie wieder zu Land kommen. Un die Schiffleut konnten dasselbige Mal niks Seltsames bekommen, da gefanden sie unterwegen ein hübsch Stück Holz, das an Borten vom Meer lag. Da nahmen sie das Stück Holz un brachten es Rabbi Akiwe mit un sprachen zu ihm: »Nehm damit vorlieb, wir haben niks anderes können bekommen.« Da nahm Rabbi Akiwe das Stück Holz un wollt es von einander spalten um zu verbrennen. Da fand er eiltel Gold drinnen. Denn auf ein Zeit, da war ein Schiff untergegangen, un all das Mammon, das sie in dem Schiff haben gehabt, das haben sie als in den Segel-Baum getan, un jetzunder hat das Jam (Meer) es ausgeworfen. Das vierte von einer Fürstin von Rom. Denn es begab sich einmal daß Iisroel Geld bedurften. So schickten sie Rabbi Akiwe, daß er sollt bei die Fürstin entlehnen. Da ging Rabbi Akiwe zu ihr, un bat sie, daß sie ihm das Geld soll leihen. Da setzt sie ihm eine Zeit lang zu der Bezahlung, un sie sagt wider Rabbi Akiwe: »Wer soll mein Orew (Bürge) sein?« Da sprach Rabbi Akiwe: »Wen du haben willst.« Da sprach sie wider zu Rabbi Akiwe: »Du sollst wol der Entlehner sein, aber Gott un das Jam, die sollen meine Arewim sein für dich.« Da sagt Rabbi Akiwe ja derzu un nahm das Geld un ging darmit weg. Un wie nun die Zeit kam, daß Rabbi Akiwe sollt bezahlen, gleich wie sie miteinander gemacht haben, da war der gute Rabbi Akiwe krank, daß er das Geld nit bringen konnt. Da ging die Fürstin an Borten vom Jam un sagt: »Herr, all der Welt, es is wissiglich vor deinem heiligen Namen, daß Rabbi Akiwe krank is. Un er hat nit zu bezahlen. Nun, du un das Jam sind meine Arewim geworden. Derhalben sprech ich meine Arewim an.« Alsobald macht der Heilige, gesegnet sei er, daß des Kaisers Tochter meschugge (verwirrt) war, un nahm einen Kasten voll mit Avonim tauwaus (Edelsteinen) un Gold un warft es in das Jam (Meer.). Da weht es der Wind, daß es eben kam vor der Fürstin ihr Haus am Jam. Alsobald nahm es die Fürstin un ging damit in ihr Haus un sie war damit wol bezahlt. Da nun Rabbi Akiwe wieder gesund war, da nahm er das Geld was er der Fürstin schuldig war gewesen un ging zu ihr un sagt zu ihr: »Laß dich nit verdrießen, daß ich den Sman (die Zeit) nit gehalten hab, denn ich bin krank gewesen, sonst wär ich gleich zum Sman gekommen.« Da sagt die Fürstin wider: »Mein lieber Rabbi Akiwe, ich will dir sagen, da ich hab gesehen, daß du nit gekommen bist zu deinem Sman, wie ich dir gesetzt hab, so hab ich meine Arewim angesprochen. Da haben mich die Arewim bezahlt, un haben mir mehr gegeben als du mir schuldig warst, un weiters halt du das Übrige.« Un von dem übrigen Mammon da is Rabbi Akiwe auch reich darvon geworden. So gar viel hat[65] ihr Gott übrig gegeben. Das fünfte, daß Rabbi Akiwe is reich darvon geworden, das is von Turnus Rufus seinem Weib. Denn der Turnus Rufus, der war ein gewaltiger Hegmon (Statthalter) un er war scheni l'Kaiser (zweiter zum Kaiser). Un er war alle Zeit mit Rabbi Akiwe mewakeach (disputierend vor dem Kaiser, un Rabbi Akiwe lag ihm allewegen oben vor dem Kaiser.) Un das tät dem Turnus Rufus gar weh, daß er alle Zeit becharpe (beschämt) war vor dem Kaiser. Einmal kam er heim, da sah er gar traurig aus. Da fragt ihn sein Weib: »Lieber Mann, warum siehst du heut so gar traurig, mehr wie denn ein andermal?« Da sagt er ihr, wie ihm Rabbi Akiwe etliche Täg hätt becharpe gemacht vor dem Kaiser, wenn er hat mit ihm mewakeach gewesen, so is er nit alle Zeit oben gelegen. Da sagt sein Weib zu ihm: »Der Gott von die Juden, der hat gar feind den Snuß (Unzucht). Gib mir Reschuss (Erlaubnis) ich will ihn wol machen straucheln mit einer Aweroh (Sünde).« Da gab er ihr Reschuss (Erlaubnis). Da ging sie hin un ziert sich gar schön mit schönen Kleidern un sie war vor(her) auch die Allerschönste, die man finden konnt. Un sie ging vor Rabbi Akiwe un deckt ein Schenkel auf. Da sie Rabbi Akiwe sah, da lacht er un speiet aus un weint. Da sagt sie wider Rabbi Akiwe: »Was beteut die dreierlei, das du getan hast: Du hast gelacht un du hast geweint un du hast ausgespien?« Da sagt Rabbi Akiwe: »Zweierlei will ich dir sagen, aber das dritte will ich dir nit sagen: daß ich hab ausgespien, derweil du bist von einem stinkedigen Tropfen beschaffen. Un hab geweint, daß dein Hübschkeit soll unter die Erd faulen.« Un daß er gelacht hat, denn er hat beruach hakaudesch (durch den heiligen Geist) gesehen, daß sie sich hinten nach wird megajer sein (bekehren) un wird ihn dernach nehmen, un dasselbige wollt er ihr nit sagen. Da sagt sie zu ihm: »Lieber Rabbi, sag mir, kann ich auch Schuwe (Buße) tun?« Da sagt Rabbi Akiwe: »Ja«. Da ging sie un ward sich megajer un sie ward dernach Rabbi Akiwe sein Weib un sie bracht ihm gar viel Geld zu, daß er gar reich war von ihr. Un das sechste, daß Rabbi Akiwe is reich geworden das war von Ketie's Sohn Scholem, der vermacht all sein Mammon zu Rabbi Akiwe un zu seinen Talmidim (Schülern) gleich wie ihr oben geleint (gelesen) habt. Da man ihn wollt töten, da schreiet er: »Mein Mammon soll sein zu Rabbi Akiwe un zu seinen Talmidim.«

Quelle:
Allerlei Geschichten. Maasse-Buch, Buch der Sagen und Legenden aus Talmud und Midrasch nebst Volkserzählungen in jüdisch-deutscher Sprache, Nach der Ausgabe des Maasse-Buches, Amsterdam 1723, bearbeitet von Bertha Pappenheim, Frankfurt am Main: J. Kauffmann Verlag, 1929, S. 64-66.
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